Bikes & Gear

Gravelbike-Besprechung und Trend-Report 2024 – Schwerpunkt: integrierte Cockpits & Backroad FF, Grail v2, Fara, Enve …

Es ist mal wieder Zeit für einen Blick auf den „Gravel-Bike-Markt“ und auf das eine oder andere Gravelbike, welches neu vorgestellt wurde und mir besprechenswert erscheint. Es hat sich so ergeben, dass ich dazu einleitend immer auch etwas zu aktuellen Trends oder wesentlichen Neuerscheinungen in der Ausrüstungs-Welt erzähle, die auf diese Räder, auf ihre Ausstattung oder wie wir sie verwenden, Einfluss haben. Oder wo ich Zukunftspotenzial sehe bzw. Wünsche habe.

So habe ich im Rahmen dieser lockeren Serie im letzten Teil mit dem Titel „Höher, Schneller, Breiter? Ein Blick auf aktuelle Graveltrends, Gravelbikes und Federungssysteme.“ der bereits im Juli 2022 erschien, besonders Federungssysteme besprochen. Aber auch ein kurzes Update zu Gravel-Schaltgruppen und Antriebssystemen gegeben.

Das Thema „Stand der Gravelbikeszene: Höher, Schneller, Breiter?“, welches ich dort schon angesprochen hatte, habe ich dann in einem weiteren Artikel vertieft. Ihn ordne ich ihn zwar nicht meiner „Gravelbike und Trend-Report“ Artikel-Serie zu (wie ich sie ab jetzt bezeichne), aber er ist von höchster Relevanz und ich möchte ihn euch sehr ans Herz legen: Es ist der Artikel „Dropbar-MTB, Teil 1: Warum Gravel immer mehr zu (MTB-)Offroad wird und welches Rad ich mir dafür gebaut habe„.

Und für den hier vorliegenden Artikel hat sich recht schnell das Thema der integrierten One-Piece-Cockpits als ein wesentlicher Aspekt herausgestellt, d.h. der Vorbau-Lenker-Einheiten aus einem Guss. Nun ist das wahrlich nichts Neues per se. Für Rennräder schon mal gar nicht, aber auch für Gravelbikes nicht so sehr.

Dennoch scheinen sich auch im Gravelbereich neu vorgestellte Räder mehr und mehr über ihre einteiligen Cockpits zu definieren. Und das nicht notwendigerweise nur für die oberen Ausstattungsvarianten und auch nicht nur für Räder in der Race-Kategorie.

Deswegen möchte ich dazu einiges schreiben. Und muss ich auch, sonst werde ich Rädern wie dem frisch neu vorgestellten Rose Backroad FF oder auch dem im letzten Herbst vorgestellten neuen Canyon Grail der 2. Generation nicht gerecht. Ihr findet dazu unter anderem ein ausführliches Lastenheft, was ein One-Piece-Cockpit können und mitbringen muss. Für euch als Kunde wie auch als Entwickler.

A pro pos „Race-Kategorie“. Das ist ein weiterer Aspekt, den ich ansprechen möchte. Wie sieht es mit der Klassifikation und Einteilung von Gravelbikes aus? Sind wir da etwas weiter gekommen? Ergibt sich mittlerweile ein klareres Bild bzw. eine geschärfte Ausrichtung und ein gemeinsames Verständnis innerhalb der Radhersteller selbst und zwischen den Radherstellern einerseits und den Kunden andererseits? Können wir von Race-Gravelbikes und Adventure-Gravelbikes sprechen und weiss damit jeder, was gemeint ist? Sieht ein Race-Gravelbike von Hersteller X ähnlich aus wie eines von Hersteller Y und hat ein ähnliches Feature-Set und eine ähnliche Geometrie?

Das sind also die zwei großen einleitenden Themen für dieses Mal: Vorbau-Lenker-Einheiten und wieder mal ein aktualisierter Versuch der Gravel-Bike Klassifikation bzw. meine Sicht darauf.

In der Folge findet ihr dann genauere Einzelbesprechungen zu den folgenden Rädern:

  • Arc 8 Eero
  • BMC Kaius 01
  • Canyon Grail v2 / Grail der 2. Generation
  • Colnago C68 Gravel
  • Enve MOG
  • Factor OSTRO Gravel
  • Fara F/Gravel (inklusive dem neuen Fara Modular Cockpit)
  • Giant Revolt
  • Merida Silex
  • Prova Mostro Integrale
  • Rose Backroad FF (inklusive neuer, sehr interessanter Laufräder)
  • Santa Cruz Stigmata
  • Specialized Diverge STR
  • Tannenwald Traumfänger
  • Triton bzw. Tritao Aveiro 3D

und, als Kontext:

  • Canyon Exceed CF Dropbar Edition

Artikelnavigation:

Dieser Link führt euch direkt zum Grundlagenthema „Integrierte Cockpits“.
Dieser Link führt euch direkt zum Thema „Gravelbike Klassifikation bzw. Gravelbike Kategorien“.
Und dieser Link führt euch direkt zu den besprochenen Gravelbikes.

Integrierte Cockpits bzw. Vorbau-Lenker-Kombinationen

Warum überhaupt und was bedeutet „integriert“ in diesem Zusammenhang jetzt… und was früher?

Wie schon angeführt, ist sind solche kombinierten Lenker- und Vorbau-Einheiten, also ein sogenanntes „Cockpit“ aus einem Stück absolut nichts Neues. Besonders in der Rennrad-Welt. Aber auch im Gravelbereich gab’s und gibt es sie schon.

Sie sind üblicherweise (eigentlich ausschließlich) aus Carbon hergestellt. Wie kam es dazu? Leichtbau und Aerodynamik. Der Lenker ist ein sowohl die Aerodynamik eines Rades (und der Fahrer:in) wie auch die Ergonomie wesentlich beeinflussendes Bauteil. Breite des Lenkers und zur Auswahl stehende Griffpositionen haben direkten Einfluss auf die Schulterbreite, wie weit die Arme im Wind stehen, wie hoch der Oberkörper angestellt sein kann, ob die Ellenbogen ausstehen und somit wie aerodynamisch der gesamte Körper der Fahrer:in ist. Und wie komfortabel man dabei sitzt und fährt.

Und auch als reines Bauteil für sich selbst bildet der Lenker meist die „leading Edge“, den ersten Kontakt des Windes mit dem Rad in Fortbewegungsrichtung. Hier kann man sowohl für die Aerodynamik wie auch für den Griffkomfort auf den „Tops“, d.h. das flache Stück zwischen Vorbau und den seitlichen Bügeln bei Rennlenkern (englisch: Dropbars) richtig punkten, wenn man es eher flach (geringe Stirnfläche) und breit bzw. tief (Tragflächenprofil) gestaltet. Das gibt gleichzeitig eine schöne und bequeme Fläche zum Ruhen der Handfläche.

Nun ist es ja unschön, wenn man von diesem idealen Profil schnell wieder abweichen muss, um den Lenker hin zur Vorbauklemmung zu verjüngen und wieder kreisförmig werden zu lassen. Auch muss der Lenker dort passend robust sein, um den Klemmkräften widerstehen zu können. Und die Stirnplatte des Vorbaus, die Schrauben… alles Gewicht. Wäre es nicht toll, den Lenker auf der gesamten Breite aerodynamisch gestalten zu können, die Krafteinleitung geschickt zu verteilen und dabei auch noch Gewicht zu sparen? Und so waren die ersten „integrierten“ Vorbau-Lenker-Einheiten geboren.

Heutzutage muss man mit dem Wort „integriert“ aufpassen. Seine Bedeutung hat sich gewandelt. Früher bezog sich das darauf, dass Vorbau und Lenker zu einer Einheit „integriert“ wurden. Heute meint man mit „integriert“ bzw. „Integration“ oder „Voll-Integration“ den Verlauf der Bremsleitungen und Schaltkabel oder Züge (wenn man kabelgebundene elektronische Schaltungen oder mechanische Schaltungen verwendet). Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Deswegen spreche ich im Folgenden entweder von One-Piece-Cockpits oder weiter von Lenker-Vorbau-Einheiten. Es gibt nämlich sowohl Lenker-Vorbau-Einheiten für integrierte und für nicht integrierte Kabelführung. Wie es auch normale getrennte Lenker und Vorbauten gibt, die eine Vollintegration der Zugführung vom Schaltbremshebel bis hinein in den Rahmen erlauben.

Und gerade mit dieser Vollintegration wurden die eigentlich coolen One-Piece-Cockpits zu richtigen Problemen. Man hat daraus gelernt. Setzte wieder vermehrt auf zweigeteilte Lenker und Vorbauten, die trotzdem schöne Integration zuließen. Aber es hat viele Jahre benötigt. Komponentenhersteller können das recht zügig umsetzen. Aber bis ein Fahrradhersteller hier reagieren und wirklich lernen kann, braucht es im Zweifel mindestens eine volle Modellgeneration, wenn nicht in der laufenden Serie im Rahmen von Ausstattungsanpassungen reagiert werden kann. Manche Hersteller wollen auch nicht oder sind da lernresistenter. Da dauert es dann etwas länger, bis durch viel kombinierten Druck aus Presse (die auch immer eine Weile braucht, um so ein Thema unter allen, auch den negativen Aspekten zu begreifen und wirklich zu adressieren – und nicht nur Radneuvorstellungen kritiklos zu bejubeln), von Kunden und nicht zuletzt aus der Riege der Mechaniker in Rennställen (die im Zweifel für die Performance jede Extraschicht einlegen (müssen) die es braucht) und vor allem der entsprechenden Vertrags-Händler.

Warum waren und sind solche einteiligen Cockpits, besonders, wenn sie mit vollintegrierten Zügen einhergehen, ein Problem?

Generelle Nachteile von einteiligen Lenker-Vorbau-Einheiten

Wenn ein One-Piece-Cockpit gut gemacht ist, dann kann es richtig cool aussehen, aerodynamisch und besonders leicht sein und alle Einsatz-Zwecke eines Rades abdecken. Idealerweise (und das ist jetzt eine Wunschvorstellung) durch schnelle und werkzeuglose Anpassung von Griffpositionen, bzw. Montage von Aerobars, Taschen, Lichtern, Computern etc. Das ist aber bei den wenigsten Lösungen der Fall. Und selbst ein ideales One-Piece-Cockpit kommt an einer universellen Wahrheit nicht vorbei.

Und die ist: Man kann es nie allen Recht machen.

Jeder Mensch ist anders, hat nicht nur andere Körpermaße und andere Beweglichkeit – braucht also per se unterschiedliche Lenkerabmessungen – sondern auch andere Vorlieben und Bedürfnisse.

Ein One-Piece-Cockpit muss wirklich in allen Dimensionen gefallen und passen. Und zwar mitnichten nur von den zwei absoluten Basisparametern Vorbaulänge (bzw. Distanz zwischen Vorbauklemmung und Position der Hoods in Fahrrad-Längsachse) und Lenkerbreite. Sondern auch von den weiteren Parametern wie Reach (wie viel weiter vorn liegt der Scheitel des Bügels bzw. des Drops vor der Lenkerbasis), Drop (wieviel tiefer ist das untere Ende des Bügels bzw. des Drops unterhalb der Lenkerbasis), Flare etc.

Auch die Form aller Bereiche des Lenkers ist von Belang. Ist die „Basebar“ bzw. sind die „Tops“ zwar aerodynamisch und ergonomisch geformt aber gefallen mir trotzdem nicht so? Oder würden es vielleicht, wenn ich den Lenker selbst nur ein, zwei Grad nach vorne oder hinten rotieren könnte? Geht aber nicht. Der Vorbau und der Lenkerteil sind ja fix und aus einem Guss. Bei einer konventionellen Zweiteilung von Vorbau und Lenker löse ich die Lenkerklemmung ein wenig und kann dann den eigentlichen Lenker leicht rotieren. Das hilft mir auch, wenn ich die Schalt-/Bremsgriffe schon fix montiert und das Lenkerband gewickelt habe, aber die Hoods dann doch lieber ein paar Millimeter nach oben oder unten rotiert sehen möchte. Oder wenn mir das untere Ende der Drops etwas zu steil oder zu flach erscheint.

Hier alle möglichen Nachteile als Liste (vielleicht fallen euch sogar noch mehr ein):

  • keine unabhängige Rotation von Lenker zum Vorbauwinkel möglich
  • Höhenanpassung nur durch Spacer möglich (nicht durch Variationen der Vorbauneigung)
  • Höhenanpassung nur nach oben möglich (Wenn das One-Piece-Cockpit bereits ohne Spacer montiert ist, kann man seine Griffposition nicht weiter absenken – bei zweigeteilten Vorbau- und Lenkerkombinationen wählt man einfach einen Vorbau mit geringerer oder gar negativer Neigung aus)
  • egal ob Breite oder Vorbaulänge angepasst werden sollen, es muss ein komplett neues Cockpit her (das hoffentlich in genau der gewünschten Variante erhältlich ist)
  • eingeschränktes Breiten- und Vorbaulängen-Angebot (oft nur wenige, meist zu wenige Modellvariationen verfügbar)
  • Kosten- und Anschaffungshürden (One-Piece Cockpits sind meist teuer und nicht mal eben so zum Ausprobieren verfügbar. Einfach mal selbst oder beim Bikefitter einen längeren oder flacheren Vorbau zum Ausprobieren zu montieren, ist kaum eine Option)
  • Umbauhürden insbesondere bei unintelligenter Kabelführung (selbst wenn man ein zweites Modell des One-Piece-Cockpits bereits zum Testen da läge – bei integrierter Kabelführung durch das Innere des Lenkers müssen im Mindestens die Bremsleitungen und ggfs. Schaltzüge/-Kabel von den Schalt-/Bremsgriffen gelöst und aus dem alten Cockpit heraus und in das neue Cockpit hineingefädelt werden)
  • keine individuelle Auswahl von besonderen Lenkerformen aus dem Gesamtmarkt sondern Festlegung auf genau die Form des One-Piece-Cockpits
  • sofern integrierte Kabelführung vorliegt: eingeschränkte Reisetauglichkeit mit dem Rad (Alle Erfordernisse, wo für Flug-, Zug- oder Fernbus-Reise der Lenker abgenommen und an die Steuerrohr- und Gabelseite angelegt werden muss, können nicht erfüllt werden)
  • keine Möglichkeit des Einsatzes von Sonderbauformen von Vorbauten für bestimmte Zwecke. Z.B. kann nicht mal eben ein gefederter Vorbau eingewechselt werden, wenn das für ein Gravelrennen, eine Bikepacking-Veranstaltung oder ein langes Brevet über schlechte Straßen wünschenswert erscheint.

Generelle Vorteile von einteiligen Lenker-Vorbau-Einheiten

Wie eingangs des vorangehenden Abschnittes erwähnt, können One-Piece-Cockpits ja auch interessant sein. Wenn es nur Nachteile gäbe – wo läge der Sinn? Hier also Aspekte, die für die Konzeption von einteiligen Lenker-Vorbau-Einheiten sprechen:

  • beste aerodynamische Gestaltung möglich
  • potenziell deutlich bessere integrierte Kabel- und Zugführung durch das Innere von Lenker und Vorbau möglich (bessere, bzw. größere Radien im Übergang vom Lenker in den Vorbau. Auch, wenn sinnvollerweise die Kabel in von unten offenen Kanälen geführt werden)
  • potenziell leichteres Gewicht als eine zweigeteilte Lenker- und Vorbau-Kombination
  • potenziell coole Optik
  • bei integrierter Kabelführung: kein in’s Gehege kommen mit Taschen für das Bikepacking (allerdings geht das genauso gut bei zweiteiligen Vorbau- und Lenker Kombinationen mit geschickter Kabelführung)
  • möglicherweise bietet das Cockpit genau die Form und Zusammenstellung an Griffpositionen, die ideal gefällt

Ich gebe zu, da wird häufig das Wort „potenziell“ verwendet. Warum? Weil vieles zusammenkommen muss, damit ein x-beliebiges integriertes Cockpit leichter, aerodynamischer und/oder ergonomischer ausfällt als die unzähligen Optionen, die es an normalen Vorbauten und Lenkern bereits am Markt gibt. Heutzutage scheint es einfach zum guten Ton zu gehören, für sein neues Rennrad oder für sein neues Gravelrad auch ein passendes Cockpit zu entwickeln oder als System zu zukaufen. Eher aus Design- und Marketing-Gründen. Und um eine schöne, komplett integrierte Kabelführung zu gewährleisten. Die wiederum finde ich gut – wenn sie gut gemacht ist. Und damit kommen wir zum Lastenheft für das ideale One-Piece-Cockpit.

Lastenheft für das ideale One-Piece-Cockpit

Nach allen diesen Punkten könnte man ja folgern, dass generell geschickt aufeinander abgestimmte Vorbauten und Lenker als unabhängige Bauteile die meist bessere Lösung darstellen. Und das durchaus zu Recht. Denn einigen potenziellen Vorteilen von One-Piece-Cockpits stehen viele Nachteile gegenüber. Selbst, wenn ich beim Design vieles richtig mache, komme ich an einigen Aspekten nicht vorbei und kann sie selbst durch das Vorhalten und Anbieten von einer unbezahlbaren Variantenanzahl nur unvollständig lösen.

Aber wenn ich es doch versuche (und die Radhersteller versuchen es stetig, mit Inbrunst) – wie sollte demnach also ein modernes One-Piece-Cockpit für ein Rennrad bzw. Gravelbike gestaltet sein? Welche Eigenschaften muss es unbedingt aufweisen?

integrierte Kabelführung gerne, aber offen

„Offen“ meint, der Lenker muss komplett abnehm- und austauschbar sein, ohne dass ich die Bremsleitungen oder Schaltleitungen (wenn nicht drahtlos) bzw. Schaltzüge von dem Schalt-/Bremsgriffen lösen muss. Idealerweise lassen die Kabelführungen auch Raum, dass ein zwei cm breiteres oder schmaleres oder ein Cockpit mit einem cm kürzeren oder längeren Vorbau eingetauscht werden kann, ohne dass ich die Leitungen kürzen (oder verlängern = neue Leitungen einziehen) muss. Natürlich habe ich da auch im Rahmen des Rades noch ein bisschen Platz dafür. Das Gesamtsystem muss es halt hergeben.

Die Unterseite der integrierten Vorbau-Lenkereinheit des neuen Rose Backroad FF. Offene Kabelkanäle führen die Bremsleitungen verdeckt vor Wind (Aerodynamik) und Auge (Ästhetik), ermöglichen aber dennoch Wartungsarbeiten oder Lenkertausch ohne Auftrennen der Leitungen.
Die Unterseite der integrierten Vorbau-Lenkereinheit des neuen Rose Backroad FF. Offene Kabelkanäle führen die Bremsleitungen verdeckt vor Wind (Aerodynamik) und Auge (Ästhetik), ermöglichen aber dennoch Wartungsarbeiten oder Lenkertausch ohne Auftrennen der Leitungen.

Komplett geschlossene integrierte Cockpits, wie z.B. das Black Inc Integrated BarStem (Black Inc ist die Zubehörmarke von Factor) oder auch das brandneue Fara Modular Cockpit verletzten diese Forderung. Das integrierte Cockpit des neuen Rose Backroad FF erfüllt diese Forderung jedoch (zumindest den ersten Teil mit der Anpassbarkeit und Wartung).

Die Unterseite des Vision Metron 5D ACR Integrated. Hier geht nichts! Die Züge laufen komplett in der Innenseite des Lenkers.
Die Unterseite des Vision Metron 5D ACR Integrated. Hier geht nichts! Die Züge laufen komplett im Inneren des Lenkers.

Das ist ebenfalls wichtig, wenn man mit seinem Rad einmal fliegen will oder muss (oder es möglichst klein in einen Rinko-Bag für die Zugreise verpacken und teildemontieren muss). Lenker eindrehen ist ja (durch fehlende Vorbau-Lenker-Klemmung) nicht möglich. Da ist es unbedingt nötig, dass die Kabelkanäle unterhalb des Lenkers (und abseits des Lenkerbands) genügend Kabellänge freigeben können, dass man zumindest das Cockpit vom Gabelschaft lösen und so das Cockpit passend an den Rahmen anlegen kann. Das erscheint mir die schwieriger zu erfüllende Bedingung. Ist aber, je nach Besitzer und seinen Einsatzfällen das weitaus relevantere Kriterium. Anpassen an mich muss ich das Rad nur einmal. Wartung bzw. Austausch von Komponenten findet hoffentlich auch nur alle Jubeljahre mal statt. Aber mit dem Rad mal in einen Radurlaub fliegen, mit der Bahn quer durch Europa reisen oder wie auch immer vom Zielort des Bikepacking-Rennens nach Hause zu gelangen – diese Fragen stellt sich vielen Radbesitzern häufig und gerne mehrfach pro Jahr.

Wenn diese Forderung nicht erfüllt ist, ist man darauf angewiesen, bei Reisen nie den Lenker anfassen zu müssen. Was im Falle von Flugreisen bedeutet, eine spezielle Radtasche bzw. einen Radkoffer mit verbreitertem Lenker-Volumen benutzen zu müssen. Und für Bahnreisen bedeutet, manche Zugverbindungen aufgrund der geforderten Maximal-Maße des verpackten Rades überhaupt nicht wahrnehmen zu können.

hinreichende Anzahl an Größen-Variationen in Breite und (Vorbau-)Länge

Die generelle Form des Lenkers legt der Designer fest. Diese passt mir entweder super in allen Belangen oder sie ist wenigstens überwiegend ok und stört ansonsten nicht (mancher ist da ja weniger anspruchsvoll, mancher mehr). Wenn sie gar nicht passt, muss sowieso ein anderes Cockpit her. Im Extrem (und bei besonders schlecht konzipierten Rädern bzw. Lenkern kann das bedeuten, dass das gesamte Rad damit „vom Tisch“ ist. Hallo, erste Generation des Canyon Grail…).

Aber selbst, wenn ich sage, der ist es (oder besser das Cockpit ist es) – dann brauche ich trotzdem die richtige Vorbaulänge und die richtige oder gewünschte Breite. Super doof, wenn es kein einziges Cockpit mit der richtigen Vorbaulänge gibt. Immer noch doof, wenn ich zwar eine passende Vorbaulänge im Angebot finde, es diese aber nur mit einer einzigen Breite gibt. Die im Zweifel viel zu schmal oder viel zu breit ist.

Im Mindestmaß sollte ein Hersteller hier drei dem Einsatzzweck der Radkategorie angepasste Breiten (und bei Gravel wird es direkt schwierig) im Abstand von vielleicht zwei Zentimetern und jeweils drei Vorbaulängen anbieten. Das ergibt schon 9 Modellvarianten bzw. aus Herstellersicht 9 SKUs (Stock Keeping Units).

Vielleicht hat der Hersteller ja sogar clevere Lösungen gefunden, mit ein und demselben Cockpit unterschiedliche Lenkerbreiten und/oder Vorbaulängen realisieren zu können. Canyon bietet so etwas beim CP0018 Aerocockpit für das Canyon Aerroad an. Hier kann der Kunde ohne weiteren Aufwand selbst die Lenkerbreite um +/- 20 mm je Seite variieren. Gerade im Zusammenhang mit den Problemen der integrierten Zugführung ist das natürlich eine schöne Sache. Man löst allerdings jetzt mit einigem konstruktiven Aufwand (und wieder etwas mehr Gewicht – führt also den potenziellen Gewichtsvorteil von One-Piece-Cockpits ein Stück weit ad absurdum) ein Problem, dass man mit einem zweigeteilten Cockpit nicht hätte. Und ich selbst hatte einen solchen Lenker noch nicht in den Händen. Ich kann nicht sagen, wie es sich unterhalb des Lenkerbandes in den Tops anfühlt, wenn der Lenker wirklich ein wenig oder gar die volle Breite ausgezogen ist.

Was durch eine solche Konstruktion ebenfalls ad absurdum geführt wird, sind die gerne von den Herstellern als Argument für One-Piece-Cockpits angebrachten Aspekte im Sinne von „sorgfältig getunter Steifigkeit“ bis hin zu „besserem Komfort/bessere Vibrationsadsorbtion“ etc.

Aber: während ich die Konstruktion der Vorbau/Gabelschaft-Verbindung der entsprechenden Canyon Cockpits für wenig erstrebenswert erachte – durch diese in der Breite verschiebbaren (und sogar ganz herausnehmbaren) Seitenteile wird auch das Thema „Reisen mit dem Rad“ bzw. Verpacken in enge Radkoffer und Kartons gelöst. Vielleicht sogar noch wesentlich besser als selbst bei Integrierten Cockpits mit unten offenen Kabelkanälen. Das muss man Canyon in der Tat zu Gute halten. Ihr könnt es euch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hier am Beispiel des CP0018 Cockpits des Canyon Endurace anschauen. Vielleicht ist das sogar der beste Weg für ein reiseverträgliches integriertes Cockpit?

Aerobar-Montagemöglichkeit

Super wichtig! Ja, nicht jeder mag Aerobars. Gefühlt sind davon aber die eine Hälfte Leute, die sie noch nicht ausprobiert haben und die andere Hälfte sind ehemalige Rennrad-Profis, die entweder super Old-School sind oder mit Aerobars leidige und unangenehme Zeitfahr-Etappen verbinden, die sie damals ohnehin nie mochten.

Die Diskussion, die vor wenigen Jahren gerade im US-Gravel-Race-Bereich darum geführt wurde, hatte in meinen Augen auch eine gewisse Scheinheiligkeit. Der/die Haupträdelsführer mochten sie persönlich nicht, sahen aber, dass sie gegen die Konkurrenz, die diese nutzten, in der Spitze solcher Rennen wie Unbound etc. kaum eine Schnitte hatten. Oder sich zumindest benachteiligt fühlten (was sie ja freiwillig taten). Denn – solche Rennen sind sehr lang. Über die 200 Meilen eines Unbound brauchen selbst die fixesten Männer 10 Stunden und mehr. Das ist eine laaaaange Zeit im Sattel. Und – während sich die Renndynamik auch in Gravel-Rennen im Profibereich stets weiterentwickelt und mittlerweile oft bis zum Ende hin tatsächlich auch kleine Grüppchen unterwegs sind – so fährt selbst die Spitze (und große Teile des über die kompletten 200 Meilen verstreuten Feldes) über weite Anteile alleine oder mit nur wenigen Mitstreitern im Wind. Aero- und Komfortvorteile durch Aerobars sind hier enorm.

Was wurde aber als Argument angeführt? Die Gefährlichkeit von Aerobars in Massenstarts und großen Feldern. Unbestreitbar – da kann man nichts gegen sagen. In diesem Falle aber ein Strohmann-Argument allererster Güte.

Der US-amerikanische Kompromiss spezifisch für Unbound und die übrigen Rennen der Lifetime-Grand Prix Serie: Das Elite-Feld darf keine Aerobars, keine Bar-Extensions oder Clip-On Attachments benutzen. Alle anderen Dürfen. Das macht genauso viel Sinn wie es überhaupt keinen Sinn macht. Einerseits ist es gut, dass alle Amateure weiterhin Aerobars benutzen dürfen. Die sind schließlich, nach der Startphase, wirklich den ganzen Tag alleine auf der Strecke gegen den Wind unterwegs. Weit mehr als 11 Stunden. Da sind Aero- bzw. Comfort-Bars einfach ein willkommener Bestandteil eines Gravel-Cockpits, ja, eines Gravelbikes. Auf der anderen Seite gefährden die sich beim Start und unmittelbar danach wirklich am meisten damit. Die Wahrscheinlichkeit, dass Leute aus falschem Ehrgeiz und Ungeübtheit (auf dem Rad wie bei der Einschätzung von Situationen) Fehler begehen und generell blöde Ideen haben (dazu zählt, im Pulk völlig sinnfrei in die Aufleger zu gehen) ist halt viel höher als bei den Pros.

Im Elite-Starterfeld, welches zudem seit letztem Jahr 10 Minuten vor dem übrigen Feld startet, geht es zum einen schon beim Start luftiger zu und da weiss auch jeder (sollte zumindest), was er tut. Hier wären Aerobars also gar kein Problem.

Wie dem auch sei: ja, natürlich – es gibt, unabhängig vom Thema Gravel, Rennen und Veranstaltungen (UCI-Gravelworlds, UCI-Straßenrennen, Draft-Legal Kurzstrecken-Triathlon, Jedermann-Straßenrennen und alpine Rennrad Gran Fondos) wo Aerobars aus gutem Grund nicht zugelassen sind.

Und es gibt Rennen und Veranstaltungen, wo sie zugelassen und willkommen sind. Und zum Teil sogar für ein wettbewerbsfähiges Setup unbedingt erforderlich sind. Ganz zu schweigen vom privaten Vergnügen oder privaten Vorlieben.

Beispiele, wo ich, wäre ich Team-Manager oder Profi-Sportler, auch bei einem Straßen-Rennrad oder einem Race-Gravelbike Aerobars einsetzen möchte (ja, muss), sind z.B,
Bergzeitfahren, Prolog-Zeitfahren (hier werden zur Chancengleichheit gerne mal dedizierte Zeitfahrräder verboten oder der Kurs ist so verwinkelt, dass man freiwillig bei den normalen Rädern bleibt) oder Kurzstrecken-Triathleten, wenn sie mal nicht in Draft-Legal-Rennen starten bzw. Langstrecken-Triathleten, wenn der Radkurs sehr hügelig ist.

Quiz-Frage: möchte man in diesen Einsatzfällen das ja besonders aerodynamische One-Piece-Cockpit herunterschrauben (was, besonders wenn es die übrigen Anforderungen, die ich im Vorfeld geschildert habe, nicht berücksichtigt wurden, einem Alptraum gleichkommt) und gegen ein weniger aerodynamisches Cockpit aus separatem Vorbau und klassischen Rundrohr-Rennlenker wechseln, nur um Clip-On Aerobars zu montieren? Nein! Natürlich nicht!

Quiz-Frage: möchte man in diesen Einsatzfällen das ja besonders aerodynamische One-Piece-Cockpit herunterschrauben (was, besonders wenn es die übrigen Anforderungen, die ich im Vorfeld geschildert habe, nicht berücksichtigt wurden, einem Alptraum gleichkommt) und gegen ein weniger aerodynamisches Cockpit aus separatem Vorbau und klassischen Rundrohr-Rennlenker wechseln, nur um Clip-On Aerobars zu montieren? Nein! Natürlich nicht!

Weder will man sich mit diesem Aufwand herumschlagen, noch möchte man auf alle die (doch ganz gewiss als Verkaufsargumente für das jeweilige Radmodell angeführten) Vorteile (Gewicht, Aerodynamik, integrierte Zugführung…) verzichten (die man ja auch mit bezahlt hat) und sogar noch mal mehr Geld ausgeben, um einen normalen Lenker auszurüsten, auf den man dann die Aerobars montieren kann…

Für Amateure und Jedermänner wäre jeder Verweis auf die UCI ohnehin ziemlich witzlos. Wir brauchen uns in den seltensten Fällen darüber Gedanken machen. Was wir allerdings wollen, ist, mit unserem Rad – egal ob es ein Straßenrennrad, ein Allroadbike, ein Race- oder ein Adventure-Gravelbike ist – auch lange Strecken fahren, auch Bikepacking-Touren oder -Rennen bestreiten oder vielleicht tatsächlich auch mal in Zeitfahr-Events oder Triathlon hineinschnuppern.

All das soll zeigen: Gerade ein One-Piece-Cockpit sollte die Möglichkeit mitbringen, auf einfache Art und Weise Aerobars montieren zu können!

Hier sollte der Integrationsgedanke einfach konsequent weitergedacht werden. Ohne zusätzliche Klemmschellen um den Lenker kann ich potenziell nochmal weitere Quäntchen Aerovorteil aus dem Cockpit herauskitzeln und vielleicht auch ein paar weitere Gramm gegenüber dedizierten Clip-On Aerobars sparen.

Besonders im Gravelbereich gibt es aber absolut keine Entschuldigung, solche Aerobar-Montage nicht bei One-Piece-Cockpits mitzudenken. Schließlich ist das die Rad-Kategorie, die mittlerweile am meisten auf allen möglichen Untergründen unterwegs ist und wo der Anteil derer, die damit Radwanderungen, Bikepacking-Touren oder Ultracycling-Rennen bestreiten wahrscheinlich der höchste von allen übrigen Kategorien wie Rennrad, Endurance und sämtlichen Mountainbike-Kategorien sein sollte.

Gerade Race-Gravelbikes sind eine mehr als interessante Option, auch als Allroad-Bike bzw. als Plattform der Wahl für ein straßenbasiertes Ultracycling-Rennen herangezogen zu werden. Oder für ein Langstrecken Brevet wie Paris-Brest-Paris. Wo mittlerweile Aerobars wieder zugelassen sind. Moment – das ist gar kein Gravel-Rennen? Aber trotzdem eine Veranstaltung ganz im Spektrum eines Race-Gravelbikes wie einem Rose Backroad FF oder Canyon Grail v2. Leicht Aero, nicht übergewichtig, aerodynamische Laufräder, Bingo! Selbst für ein Transcontinental Race wäre das in meinen Augen das richtige Rad. Völlig überkanditelte Mandatory Gravel Parcours? Check. Üble und völlig kaputte bosnische oder albanische Landstraße? Check. 50 km serbischer Gravel anstelle 200 km Umweg auf Asphalt? Check.

Aerobars! Dafür will ich Aerobars!

Klar steht es jedem Hersteller frei, seine Produkte im Spannungsfeld zwischen Design- und Produktionsaufwand und erwartetem Verkaufspotenzial so oder so zu auszustatten. Aber gerade im Gravelbereich nicht mal die Option anzubieten, ist für mich persönlich schon ein absoluter Negativ-Punkt! Mindestens in diesem Segment sollte jeder Product-Owner wissen, wie wichtig Aerobars sind. Eine Entscheidung muss also bewusst „gegen“ Aerobars getroffen werden. Selbst „Profis“ würden für das eine oder andere Rennen sicher gerne Aerobars montieren, wenn es abseits eines UCI-Rennens ist. Ironischerweise kommen manche Protagonisten der früheren „Anti-Aerobars in Gravelrennen“ Bewegung erst auf den Trichter, wenn sie selbst Lust bekommen haben, Ultracycling-Rennluft zu schnuppern. Wie z.B. ein Laurens ten Damm, der ganz frisch in diesem Februar die Transcordilleras Rally Colombia gewonnen hat. Mit Aerobars. Und der sich gerade ein Dropbar-MTB auf Basis eines Specialized Epic World Cup aufbaut. Und zwar zur Vorbereitung auf die diesjährige Tour Divide. Mit Aerobars.

Wie sollte nun also die Integrationsmöglichkeit aussehen? Da freue ich mich gerne über viele weitere Ideen. Allen sollte gemein sollten die folgenden Aspekte sein:

  • ohne großen Aufwand und im Idealfall werkzeugfrei oder nur mit einem einzigen Torx- oder Inbus-Schlüssel vor Fahrtantritt aufsetzbar oder abnehmbar.
  • bei nicht montierten Aerobars (nahezu) soll der Montagemöglichkeit möglichst unsichtbar bzw. nicht störend sein (Eleganz, Aerodynamik)
  • hinreichend robust für härtesten Gravel-Einsatz
  • ausreichende Justagemöglichkeiten bieten
  • idealerweise kompatibel mit Aftermarket-Lösungen sein, so dass auch die Verwendung von z.B. Elbow-Cups, Brackets oder 22 mm Durchmesser Extensions von Herstellern wie Profile Design, 3T, Vision etc. möglich ist.

Die Justagemöglichkeiten betreffen dabei das übliche, was man so benötigt: die Elbow-Cups müssen hinreichend in der Breite verstellbar sein. Deutlich weiter als typische Zeitfahr-Aerobars mittlerweile gerne ausgelegt sind. Hier geht es um Lenkstabilität und Sicherheit auch auf raueren Untergründen. Gleiches gilt für den Installations-Abstand der eigentlichen Extensions. Dieses Kriterium scheint mir z.B. das brandneue Fara Modular Cockpit zu reissen, dass mir hier etwas eingeschränkt erscheint. Immerhin, man kann die Montage-Schellen der Extensions wohl doch auch umgekehrt montieren (Finde mehr dazu in der ausführlichen Detailbesprechung unterhalb des Fara F/Gravel weiter unten im Artikel). Dann natürlich und sehr wichtig: hinreichende Vorwärts und besonders Rückwärts-Positionierbarkeit der Elbow-Cups (siehe hierzu Ultradistance Cycling Aerobar Setup). Und es braucht – da wir ja jetzt die Aerobars nicht einfach so mit ihren Clip-On-Schellen um den Lenker rotieren können – auch die Möglichkeit, Cups und Extensions in verschiedenen Winkeln (waagerecht bis ansteigend) ausrichten zu können.

Das absolute Minimum, wenn es sich um ein vergleichsweise „einfaches“ One-Piece-Cockpit handelt (z.B. flach ausgeformte, komfortable und aerodynamische Tops mit ansonsten waagerechtem Verlauf) wäre das Anbieten einer passend geformten Montage-Schelle, die auf ihr selbst die Verwendung von Aftermarket-Aerobars wie von Profile Design etc. zulässt. Dafür muss die Lenkereinheit in diesem Bereich materialseitig passend stark ausgelegt sein, um die Klemmkräfte und dort eingeleitenden Belastungen vertragen zu können.

Ein sehr gutes Beispiel, wie man es richtig machen kann, ist die Black Inc Integrated Aero Barstem with Extensions Hier sind zwei Löcher in der Basebar angeordnet, die man nahezu nicht sieht bzw. sogar komplett verstecken kann, wenn keine Aerobars montiert sind. Sie sind hinreichend breit auseinander angeordnet. Und sie können super low stack und rein mit 4 Schrauben (ohne weitere Hardware wie Schellen etc.) verwendet werden und lassen doch alle weiteren Optionen offen. Leider versagt dieses Cockpit komplett in den Forderungen Preis-Leistung und auch der integrierten Kabelführung was das Kriterium der möglichen Demontage des Cockpits ohne Auftrennen der Leitungen angeht. Irgendwas is ja immer (TM).

Cube hat etwas ganz Ähnliches (und deutlich Preiswerteres): Das Litening Aero TT Cockpit-System Das sind die Montagelöcher ein klein wenig auffallender, wenn nicht in Gebrauch. Weil hier eine ebene Montageplattform geschaffen wird. Dafür können aber direkt und ohne weiteres alle Profile Design Brackets aufgesetzt werden. Ideal für die Weiterverwendung (und die Nutzung an verschiedenen Rädern) von bereits vorhandenen Aerobars von diesem sehr weit verbreitet eingesetzten Hersteller.

Ein neutrales Beispiel ist das Cockpit des neuen Canyon Grail v2. Über seine sogenannte „Gear Grove“ kann eine spezifische Aerobar montiert werden. Das ist einerseits toll und diese sieht auch interessant aus. Aber es ist halt eine sehr spezielle Lösung, die trotz Anpassbarkeit vielleicht ihre Grenzen hat und vor allen Dingen sehr teuer und obendrein proprietär ist. Sprich, sie passt nur für die Gear Groove. Wie lange wird es eine Gear Groove bei Canyon geben? Im Zweifelsfall heisst es schon beim nächsten Modellwechsel wieder: War eine schöne Idee, aber wir machen jetzt was anderes…

Vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis

Alle genannten Punkte kosten Geld. Im Mindesten dadurch, dass entsprechende One-Piece-Cockpits proprietäre Bauteile sind. Von einem Hersteller für sich, nach seinen Vorstellungen und vielleicht nur für ein einziges Radmodell speziell entwickelt. Wenn man Glück hat (die Frage ist noch, ob es dabei nicht der Hersteller ist, der hier seines eigenen Glückes Schmied ist und sich hoffentlich nicht selbst verrennt und verkalkuliert), ist ein solches Cockpit für gleich mehrere Räder eines Herstellers konzipiert und macht an allen Rädern gleich viel Sinn und ergibt ein gleich gefälliges Äußeres. Wenn man Pech hat, ist das Cockpit nicht nur für ein einziges Rad, sondern auch nur für eine einzige Modellgeneration vorgesehen. Und wird danach wieder vom nächsten, komplett unterschiedlich konzipierten Cockpit abgelöst.

Pech hat damit sowohl der Hersteller, dessen Entwicklungs- und Lagerhaltungskosten mit jeder Modell-Generation steigen und der in Werkzeugkosten für sowieso geringe Stückzahlen und in Breiten- und Längenvarianten noch geringere Stückzahlen investieren muss. Und Pech hat auch der Kunde, der das alles nicht nur einmal, sondern vielleicht gleich zweimal mitbezahlen muss (wenn er sein Cockpit austauschen will). Und der auf Ersatzteile für spätere Zeiten hoffen muss.

Von einer Cockpit-Größe zu einer anderen zu wechseln, kann also auch einen richtig hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Hier ist wichtig, das weitere Größen von Cockpits nicht zu absurden Preisen verkauft werden. Egal woher diese Preise zustande kommen. Sei es, weil sich der Hersteller wenig Gedanken um die Nachhaltigkeit seiner Anbauteile und um Werkzeug- und Stückzahlkosten gemacht hat oder sei es, weil er sich als Boutique-Brand begreift und meint, man kann ja ruhig mal so 500 bis 800 Euro für so ein integriertes Cockpit verlangen…

Und idealerweise sollte es so sein, dass der Kunde mit einem Fitting oder nach einer Probefahrt sein Cockpit auswählt und dann auch nur einmal bezahlt. Sprich: bei der Order im Bikeshop oder bei der Bestellung bei einem Direktanbieter seine Lenkergröße aus dem verfügbaren Angebot auswählen kann.

Reisetauglichkeit

Ich habe diesen Aspekt schon in mehreren Beispielen in den vorhergehenden Punkten meines Lastenheftes erläutert. Ich finde, er verdient aber besondere Hervorhebung als eigener Punkt und eigene Überschrift im Lastenheft. Damit es auch wirklich jeder mitbekommt.

Es geht halt nicht nur (oder je nach Nutzer vielleicht gar im wenigsten) um die Wartungsfreundlichkeit oder Anpassbarkeit. Ich nehme gerne den (beim Erstaufbau nahezu oder absolut nicht vorhandenen) Mehraufwand in Kauf, um dann über Jahre hinweg ein tolles, fein anzuschauendes und optimal aerodynamisches Rad samt Cockpit zu haben. Wann ich an meinen Rädern (und darunter zählen auch Mountainbikes, die schon mehr als ein Atlas Mountain Race hinter sich haben) schon mal gefordert war, ein Steuerlager auszutauschen, kann ich an genau 0 Fingern abzählen. Richtig – ich hatte dies noch nie nötig. Und wenn das tatsächlich mal erforderlich ist – ok, kein Drama.

Was mich aber absolut in der Nutzbarkeit eines Rades einschränkt, ist, wenn ich mit ihm nicht verreisen kann! Oder wenn, dann nur in dem ich es in den Kofferraum oder auf einem Radträger meines Autos (oder eines Leihwagens) packe.

Was aber bei Flugreisen oder Bahnfahrten (abseits von Regionalzügen)? Da muss ich für TGV, ICE und Konsorten mein Rad winzig klein auseinander bauen (ein Graus übrigens, der mich neben anderen Gründen oft von Bahnreisen mit dem Rad abhält). Und für’s Fliegen – das kennt jeder Ultracyclist – besorgt man sich am Zielort gerne einen Radkarton und puzzlet da sein Rad hinein. Dazu muss der Lenker ab. Rennradler mögen ab und an mal gerne in das Frühjahrs-Trainingslager verreisen. Ob das Mallorca, Teneriffa oder Südafrika oder was auch immer ist.

Und Gravel-Profis und Privateers sind ja ständig unterwegs. The Traka in Spanien, Finland-Gravel hier, Iceland Rift dort, Unbound und andere US Gravelrennen da. Entweder haben die bei integrierten Cockpits einen sehr speziellen Radreisekoffer mit extrabreiter Lenkerausbuchtung (so dass sie ihn nicht abbauen müssen) oder sie fluchen bzw. tauschen das (im Falle z.B. des Rose Backroad FF ja extra UCI-konform für die Profis konzipierte Cockpit) als erste Maßnahme beim Empfang des Rades direkt mal gegen einen konventionellen Vorbau und Lenker aus.

Das kann ja kaum Sinn der Sache sein! Also – Reisetauglichkeit ist ein Design-Auftrag, der unbedingt im Lastenheft stehen muss. Sei es, in dem die Kabelkanäle unten offen verlaufen und gleichzeitig genügend Spiel in den Kabeln ist, so dass sie hinreichend weit herausgezogen werden können. Man muss ja den Lenker nicht nur Lösen, sondern auch tatsächlich abnehmen und an die Rahmenseite anlegen können. Und dabei sollen dann die Kabel, wenn alles wieder angeschraubt ist, natürlich nicht im Rahmen herumklappern… Oder sei es, indem wie beim Canyon CP0018 Cockpit die Seitenteile des Lenkers gelöst und herunter geklappt werden können.

Eine Möglichkeit könnten auch kompakte Hydraulik-Kupplungen sein, wie sie z.B. Zeno Cycleparts mit dem Q-Connector herstellt. Ich habe mir Anfangs des Jahres welche zum Experimentieren bestellt, aber noch nicht verbaut. Diese ermöglichen das Trennen und Wiederverbinden von hydraulischen Bremsleitungen, ohne dass danach die Bremse entlüftet werden muss. Sie werden deswegen gerne auch an Reise-Rädern mit Rahmen-Kupplungsstücken verwendet. Die sind schon kompakt, aber brauchen natürlich trotzdem ein Stück exponiertes Kabel, wo man sie an gerader Strecke nicht nur verbauen, sondern auch bedienen (d.h. lösen und wiederverbinden) kann. In einem integrierten Cockpit schwierig – aber durchaus eine Überlegung wert. Ich habe sie mir für mein Dropbar-MTB (oder künftige weitere Dropbar-MTBs) angeschafft. Wegen dem Reise-Aspekt, aber auch um eventuell zwischen Drop- und Flatbar hin- und herwechseln zu können.

Zwei Zeno Cycle Parts Q-Connector Quicklinks. Unten zusammengesetzt. Oben die zwei jeweiligen Enden, die in die Hydraulik-Leitung eingesetzt werden.
Zwei Zeno Cycle Parts Q-Connector Quicklinks. Unten zusammengesetzt. Oben die zwei jeweiligen Enden, die in die Hydraulik-Leitung eingesetzt werden.

Würde ich ein integriertes Cockpit fahren wollen?

Ja, durchaus. Wobei es für mich auf die jeweilige Radkategorie ankommt, ob ich wirklich alle der oben genannten Aspekte berücksichtigt sehen muss, oder aber mit einem Teil-Set derer auskommen kann. Ich bin da aber in einer Luxus-Situation. Ich kann mir mehrere Räder leisten.

Für ein pures n+1 Carbon-Rennrad oder auch einen edlen Stahl- oder Titan-Allroad-Renner, von dem ich weiss, dass ich wahrscheinlich nie mit ihm verreisen werde (oder von irgendwo her mit etwas anderem außer einem Auto zurückreisen möchte), da kann ich mir durchaus vorstellen, Kompromisse beim Lenker einzugehen, solange er geil ist und mir perfekt passt. Einmal richtig ausgewählt und eingestellt und er bleibt so für Jahre. Hoffentlich gibt es diesen Lenker dann aber auch für Jahre zum Nachkaufen! Auch ein Sturz kann ja leider mal passieren und da kann es gerne mal den Lenker erwischen.

Aber ein Gravelbike? Oder auch ein Allroadbike oder Rennrad, mit dem ich regelmäßig Bikepacking-Rennen durchführen möchte? Hier müssen für mich wirklich alle der oben genannten Aspekte Berücksichtigung finden. Inklusive direkt mitgedachter und verfügbarer Aerobar-Montagemöglichkeit.

Ohne diese ist ein One-Piece-Cockpit für mich persönlich ein NoGo. Ich gehe sogar soweit: solche integrierten Cockpits sind für mich Negativ-Punkte an einem Rad, wenn sie keine solche Option bieten. Das ist seit Jahren buchstäblich mein erster Punkt, den ich abprüfe: „Aha, integriertes Cockpit. Soweit schaut’s ganz echt aus. Hat der Hersteller eine Option vorgesehen, Aerobars zu verwenden?“

Wenn ich solches Rad sehe, dann will ich, dass mir das Cockpit sowohl vom Handling wie auch seinen Optionen gefällt. Tut es dies nicht und ich bin gezwungen, auf ein zweigeteiltes Cockpit auszuweichen, dann fühle ich mich um einen kleinen Teil der Entwicklungsarbeit und der möglichen Gesamtperformance eines solchen Rades betrogen. Das ist latent sogar dann der Fall, wenn ein Hersteller sinnvollerweise beides anbietet: sowohl ein (hoffentlich wenigstens optisch schickes und von Abmessungen und Lenkerergonomie gefälliges) One-Piece-Cockpit wie auch speziell angepasste zweigeteilte Vorbau- und Lenkersysteme, die größere Anpassbarkeit und alle Optionen bieten, aber trotzdem die Kabel schön unter den Vorbau und durch die gleichen Headset-Kappen wie beim One-Piece-Cockpit in das Steuerrohr führen. Das ist zwar dann in Gänze von meiner Seite aus nicht rational; ich kann mich dann aber nicht ganz von den zuvor genannten Aspekten lösen. Ich ärgere mich dann trotzdem, dass der Hersteller auch das Top-of-the-Line Cockpit (welches dann bei den höherpreisigen Ausstattungen standardmäßig verbaut und nicht nur in der Entwicklung, sondern auch handfest beim Kauf dieser Ausstattung mitbezahlt werden muss) nicht zu Ende gedacht hat.

Ok – Rant und Argumentenauflistung over. ;-)

Vielleicht war ja für euch ein hilfreicher Aspekt dabei, den ihr noch gar nicht bedacht hattet? Ich kann mir durchaus vorstellen, dass bei so manchem der Groschen ob seines integrierten Cockpits erst gefallen ist, wenn der nach 7 Monaten zum ersten Mal mit seinem Rad verreisen möchte. Oder vielleicht schon früher. Wenn es das erste Rad ist und man dann nach einiger Zeit feststellt, dass es doch zwickt und zwackt und dass es vielleicht am Lenker (zu langer Vorbau, so breit, zu schmal…) liegt und dann große Augen macht, was da an Aufwand auf einen zukommt.

Vielleicht (und das ist im Sektor Gravel auch gar nicht so unwahrscheinlich) gehört ihr eh der Fraktion an, die von vornherein auf „normale“ Lenker setzt und für die einteilige Cockpits und integrierte Zugführungen sowieso Teufelszeug sind.

Aber vielleicht habt ihr ja auch noch weitere Aspekte und Argument pro oder contra One-Piece-Cockpits, besonders am Gravelbike? Dann freue ich mich, eure Kommentare zu lesen.

Bevor ich zur eigentlichen Besprechung der neuen Gravelbikes komme, hier noch das zweite allgemeine Thema. Bzw. ein erneuter Besuch des Klassikers „Gravelbike-Kategorien bzw. -Klassifikation“.

Gravelbike Klassifikation bzw. Gravelbike Kategorien

Gibt es diese? Ja, sogar mehrere. Sind sie eindeutig bzw. machen sie Sinn? Helfen sie uns? Schwierig. So etwas ist natürlich immer ein „bewegliches Ziel“. Je jünger ein Trend ist, um so breit gestreuter sind natürlich die Ideen. Je reifer ein Markt wird, umso klarer sind die Angebote und Erwartungshaltungen der Kunden definiert.

Nun ist „Gravelbike“ an sich ja schon eine Kategorie bzw. ein Begriff, der aussagt, dass es sich eben nicht um ein Rennrad oder ein Mountainbike handelt. Und was es genau ist, was ein Gravelbike ausmacht oder was ein Gravelbike mitbringen soll, das ist ein Thema, das mindestens so alt wie das Gravelbike selbst ist. Ja, ein Thema das überhaupt schon schwierig war, als sich der Begriff als solches durchzusetzen begann. Hier lohnt ein Rückblick auf das Kapitel „Wo kommen wir her“ meines ersten Artikels dieser Serie aus dem Jahr 2018: „Das perfekte Gravelbike…„.

Schon da habe ich vom Rennrad ausgehend seine Spielarten und dann das Thema vom Allroad zum Gravelrad bzw. zum Go-Anywhere-Bike beleuchtet. Und eigentlich sind wir mittlerweile full circle gekommen. Beim Rennrad waren eine kurze Zeit regelrechte Endurance- und auch Allroad-Bikes etwas aus der Mode. Dort wurde sehr stark das Thema Aerodynamik-Integration in ein Allrounder-Racebike vorangetrieben. Also aerodynamisch, voll-integriert, aber mit trotzdem kompakten Rohrdimensionen und leichtgewichtig. Dann kamen in jüngster Zeit dann doch wieder einige pure „Kletter-Räder“ auf den Markt. Und mit den letzten Anpassungen der UCI-Regularien (Längen/Breiten-Verhältnisse von Steuerrohr-Clustern, Gabeln etc.) werden auch reine Aerobikes wieder interessanter. Allen diesen Rädern gemein ist aber: die Reifenbreiten, die dort standardmäßig ausgerüstet werden und die man einsetzen kann sind durch die Bank in Regionen gestiegen, die 2018 noch als pures All-Road durchgegangen wären. Z.B. das neue Orbea Orca, von Orca als superleichtes Allround-Racebike wie auch wie gemacht für Bergetappen positioniert: 32 mm Reifenfreiheit. Gleiches gilt für das Specialized Tarmac SL-8.

Dazu braucht es heute also wahrlich keines All-Road Rennrades oder All-Road Bikes mehr. Hier ist meine (damals wahrlich nicht super schwierige) Prognose also eingetreten. Zitat aus dem oben verlinkten Artikel: „Ich prognostiziere sogar: das sogenannte „klassische“ Rennrad wird in Zukunft ein solches Allroad-Rad sein. Mit dem man ohne weiter mit der Wimper zu zucken auch in einen unbefestigten Rad- oder Feldweg abbiegt und Spaß hat. Und welches einen nicht den letzten Nerv raubt, wenn man über schlechte deutsche Innenstadtstraßen mit ihren Asphaltriefen und Übergangsflicken von Leitungsgräben fährt.“

Wenig verwunderlich, dass diese Radgattung in den vergangenen Jahren fast vom Radar verschwunden war und zögerliches „Aufflackern“ nicht nur von mir mit gewisser Skepsis – oder besser gesagt: mit Desinteresse – begegnet wurde. Denn – wo liegt die Lücke, wo der USP, d.h. der Unique Selling Point von einem Rennrad, dessen einziges Alleinstellungsmerkmal eine minimal breitere Reifenfreiheit als sowieso alle anderen Performance-Rennräder ist. Wenn überhaupt. Bzw. eine minimal geringere Reifenfreiheit als die eines „Race Gravelbikes“?

Hier zählt am Ende weniger die Kategorie oder wie der Hersteller sein Rad selbst versteht, sondern viel mehr, wie ich es als Kunde begreife und ob es mich in seiner Gesamtheit „abholt“. Sprich: Ist der Rahmen aus genau dem Material, dass ich suche. Sind die Formen toll, entsprechen Anbaumöglichkeiten oder deren bewusstes Weglassen genau den Einsätzen, die mir für das Rad vorschweben?

Aber auch das ist ja nichts Neues. Und natürlich geht das auch bei den Gravelbikes und z.B. der Kategorie „Race-Gravelbike“ so weiter. Der Hersteller bewirbt es als solches und verbindet gewisse Aspekte damit. Z.B. die bewusste Begrenzung der Reifenfreiheit auf 40 bis 45 mm, einen bewusst schmalen Rennlenker oder das bewusste Weglassen von Anbau-Ösen für alles Mögliche und an allen Bauteilen des Rades bis hin zur Gabel.

Hat doch die „SUV-ierung“ als unnötige Ausprägung einer eigentlich guten Sache auch bei Gravelbikes Raum gegriffen.

Und in meinen Augen ist hierfür tatsächlich auch Bedarf. Hat doch die „SUV-ierung“ als unnötige Ausprägung einer eigentlich guten Sache auch bei Gravelbikes Raum gegriffen. Was meine ich mit SUV-ierung? Ganz dem Trend und Gravelklischee folgend, werden Gravelbikes (auch) als Lifestyle begriffen. Als Vehikel, dem Alltag, der Stadt und befestigten Straßen zu entfliehen. Und in das große Abenteuer aufzubrechen. Mit überbreiten Lenkern für grobe Offroad-Abfahrten, Montagekäfigen für dicke Schlafsack- und Zeltrollen links und rechts der Gabel, genügend Flaschenhaltern um eine Zwei-Tages-Etappe ohne Versorgungsmöglichkeit in der Atacama-Wüste zu durchstehen und natürlich stets wachsenden Reifenbreiten, um das alles (viel Gepäck und den Wunsch nach Off-Grid oder wenigstens Off-Road) nicht all zu rumpelig und unbequem werden zu lassen.

Werden alle diese solcherart ausgestatteten Räder auch im Alltag (oder überhaupt jemals) auch entsprechend genutzt? Vermutlich eher weniger. Das ist aber auch überhaupt nicht schlimm! Es ist gut, dass es sie gibt. Aber wenn das plötzlich die Haupt- oder (glücklicherweise ist es nicht so) einzige Ausrichtung des Gravelbike-Marktes wäre… kein Wunder, dass dann das Pendel wieder etwas zurückschwingen muss und Radhersteller einen Markt für Gravelbikes ohne allen diese Charakteristika entdecken und bespielen.

Was für mich (und viele von Euch) super ist. Denn wie das Kind am Ende heisst, ist ja egal. Solange es die richtigen Räder gibt, die dem Entsprechen, was man sucht.

In meinem Fall ist das für ein „Gravelbike“ immer noch genau das Rad, dass ich schon im allerersten Artikel („Das perfekte Gravelbike…„) beschrieben habe. Und wie ich es in Form meines No 22 Drifter schon einige Jahre fahre. Heutzutage würde man es wohl als Race Gravelbike titulieren. Es als Rennrad zu bezeichnen, wäre ebenfalls nicht wirklich falsch. Trotz seiner maximalen Reifenfreiheit von bis zu 45 mm! Ich benutze es in der Tat weitestgehend als Rennrad. Bzw. als All-Road Rad. Und es ist mein #fastfar Rad für alles, was Bikepacking über Straße angeht. Egal ob das 100 % Asphalt oder ein Mix aus Asphalt und Gravelparcours ist. So, wie man hier in Europa anfangs Gravelbikes auch verstanden hat. Als agiles „Rennrad“ für #onRoadoffRoadRepeat.

Nach heutiger Definition ist mein No. 22 Drifter also ein Race Gravelbike. Würde ich es aber für Gravel-Rennen hernehmen? Nein.

Und sehe ich ein Adventure Gravelbike als das ideale Rad für Off-Road Adventure? Ebenfalls nein.

Zwei Hauptkategorien: Das Race-Gravelbike und das Adventure-Gravelbike

Im Moment nehme ich wahr, dass sich im allgemeinen Sprachgebrauch (Foren, soziale Medien, deutsche und internationale Presse, Herstellerkommunikationen) im Gravelsegment zwei Haupt-Kategorien herausgebildet haben:

Das Race Gravelbike und das Adventure Gravelbike.

Wo nun genau die eine Kategorie aufhört und die andere anfängt, ist natürlich unscharf. Und es gibt natürlich auch Nuancen oder Ausrichtungen, die weiteren Kategorisierungen und Subkategorisierungen Raum lässt. Darüber hinaus ist die Kategorie Adventure Gravelbike sehr viel weiter gefasst als die der Race Gravelbikes.

Und auch die Einsatzmöglichkeiten sind ja keineswegs auf die jeweilige Kategorie beschränkt. Wenn ich mit einem „Race Gravelbike“ in ein Bikepacking-Abenteuer aufbrechen möchte, dann kann ich das damit genauso gut, wie z.B. mit einem Rennrad. Und wenn der einzige Unterschied zwischen einem Race Gravelbike und einem Adventure Gravelbike aus 3 vorbereiteten Einschraubpunkten für Cargo-Cages pro Gabelholm und vielleicht 3 mm mehr Reifenfreiheit besteht, dann eignet sich sowohl das eine wie das andere für den Einsatz in Gravelrennen. Oder eben gleichermaßen wenig.

Und auch ein „Adventure Gravelbike“ ist nicht automatisch der ideale Untersatz für jegliches Off-Road Abenteuer. Schon gerade gar nicht mal, wenn es zu dieser Bezeichnung nur deswegen gekommen ist, weil es Montagepunkte an der Gabel hat oder das Rad mit der größten Reifenfreiheit im Portfolio des Herstellers ist – diese aber immer noch nicht adäquat für das Abenteuer ist, was ich vielleicht gerade im Sinn habe. Sicherlich nicht nur in meinen Augen ist da noch ein sehr großer Unterschied zwischen so einem „Adventure Gravelbike“ mit vielleicht gerade einmal 45 mm Reifenbreite und einem (richtigen?)“Adventure“ Bike oder 29er mit Platz für 2,4 oder gar 2,6 Zoll (oder noch viel breiter, wer wirklich mag…) 29er Reifen, einem robusten Rahmen, angepasster Übersetzung für das Bikepacking (vielleicht gar per Getriebe oder Getriebenabe) und einem Cockpit, das nicht zwingend aus einem Rennlenker bestehen muss.

Race….? Adventure….? Am Ende doch problematisch? D.h. eine Tätigkeit einer Radkategorie zuzuordnen. Oder am Ende auch egal – Hauptsache, wenn wir darüber sprechen, haben alle ein ähnliches Bild im Kopf, was die Fähigkeiten und Auslegung der entsprechenden Räder angeht.

Und ansonsten schaut man (und schaue ich mir) halt wie immer jedes einzelne Rad an und entscheidet, wie ideal es einem gefällt und was man damit machen möchte.

Race Gravelbikes sind nicht die idealen Räder für Gravel Racing… und Adventure Gravelbikes nicht ideal für pure Offroad-Adventures…

So weiss ich für mich, dass ein Race Gravelbike nach heutiger Auslegung das Potenzial haben kann, mein persönliches Allround-Bike zu werden. Für Straße, für GranFondos (ich habe ewig keinen mehr bestritten), für Brevets wie auch für Bikepacking-Rennen im Stile eines Transcontinental oder Three Peaks Bike Race.

Ich weiss aber auch, dass ein solches Rad im Mindesten für mich, objektiv gesehen aber auch selbst für Gravel-Pros längst nicht für alle Gravel-Rennen das ideale Rad ist. Hier wird oft ein Dropbar Mountainbike (oder ein entsprechend ausgelegtes Adventure-Gravelbike) das viel angebrachtere und schnellere Rad für den Kurs sein. Spätestens dann, wenn die eher begrenzte Reifenbreite eines Race-Gravelbikes von vielleicht sogar nur 42 mm noch weiter reduziert werden muss, weil der Kurs tief und schlammig ist und man auf 35 mm oder noch schmaler ausweichen muss. Oder weil man selbst auf trockenem Geläuf im Pulk nur noch Staub und Hinterräder, aber nicht mehr Steine, Schlaglöcher oder fiese ausgewaschene Rinnen sieht und man mit 40 mm (ja selbst mit 45 mm) Reifen stets nur ein Ave Maria vom nächsten Durchschlag, dem nächsten Schnitt in der Reifenflanke oder gar einem Sturz entfernt ist.

Diesen Punkt – auch ganz unabhängig vom reinen Renn-Einsatz – habe ich bereits in meinem weiter vorn schon erwähnten Artikel „Dropbar-MTB, Teil 1: Warum Gravel immer mehr zu (MTB-)Offroad wird und welches Rad ich mir dafür gebaut habe im März letzen Jahres dargelegt.

Und etwas später – im vergangenen September – habe ich es auch quantifiziert und mittels kombinierter Rollwiderstands- und Aerodynamik-Tests genau beziffert: Was ist schneller: Dropbar-MTB gegen Gravelbike – Der Reifen macht’s!

Ergebnis: Ja, der Reifen macht’s (hier haben gut laufende und leichte XC 29er Reifen die Nase vor den meisten Gravelreifen). Aber natürlich auch die Position der Fahrer:in auf dem Rad. Und die kann man auf einem Dropbar-MTB exakt so „einstellen“ wie auf einem (Race) Gravelbike. Und – ganz wichtig: die Federung macht ebenfalls einen Riesengewinn in Punkto Komfort, Sicherheit und Geschwindigkeit aus.

Fortan profitiert man von den XC Reifen in rund 53 bis 56 mm Breite, die nicht nur robuster als so mancher Gravelreifen sind, sondern auch mehr Grip bieten und besser rollen (obacht – das liegt an der Reifenkonstruktion und nicht an ihrer Breite). Und maßgeblich von Komfort, Grip und Fahrsicherheit durch die (mindestens mal Front-)federung. Man ist bei gleichem Fahrkönnen bei gleichem Untergrund entweder sicherer und komfortabler (damit länger schnell) als auf einem Race Gravelbike unterwegs. Oder schneller und genau so sicher als die Konkurrenz.

Was bleibt an Malus auf der Ebene? Bei gleicher Sitzposition (d.h. u.a. auch gleichem Lenker und gleicher Lenkerbreite) tatsächlich nur der aerodynamische Malus der breiten MTB-Reifen auf einer nicht aerodynamisch wirksamen Felge und bei einem Hardtail die Federgabel. Das ist es schon!

Verglichen zu einem Race Gravelbike (mein 22bikes Drifter samt gutem Aero-Laufradsatz) hat mein DropbarMTB (mein Canyon Exceed) einen Aerodynamik-Nachteil von 8 aeroPOINTs = 0.08 m2 cDA. Das ist nicht wenig. Dies entspricht einer erforderlichen Mehrleistung 28,4 Watt bei 30 km/h auf dem Exceed im Vergleich zum Drifter.

Das kommt vorrangig von den Laufrädern und Reifen, von der Federgabel aber auch weil ich den Lenker am Exceed bewusst etwas höher montiert habe.

Jetzt der Kicker: Durch den Rollwiderstandsvorteil der MTB-Reifen im Vergleich zu den Gravelreifen am Drifter schmilzt die kombinierte Rollwiderstands- und Aerodynamik-Differenz von beiden Rädern auf nur noch 3 aeroPOINTS zusammen. Umgerechnet auf 30 km/h sind das dann nur noch knapp 11 Watt, die ich auf dem Exceed für die gleiche Geschwindigkeit mehr als auf dem Drifter aufwenden muss.

Das ist überall da von Relevanz, wo es nicht auf Grip, Traktion, Komfort und Fahrsicherheit ankommt. D.h. auf Asphalt, auf ebenen, guten Feld- und Waldwegen bzw. Gravelroads (Champagner-Gravel). An allen anderen Stellen (und ob das dann 30, 50, 80 oder 100% der Strecke ausmacht kommt darauf an, wo das Rennen stattfindet, wie der Kurs gestaltet ist, wo ihr gerne mit eurem Rad fährt) sind diese 3 aeroPOINTS dann völlig uninteressant und der Vorteil liegt ganz auf der Seite des gefederten Dropbar Mountainbikes.

Ganz wichtig: die Mehrheit aller Gravelbikes wird nichtmal diesen angeführten Rollwiderstands- und Aerodynamik-Vorteil gegenüber einem Dropbar-MTB erreichen. Wenn ihr keine wirksamen Aero-Laufräder an eurem Gravelbike einsetzt, wenn ihr auch am Gravelbike eine superhohe Lenkerposition fahrt und vor allem, wenn ihr da einen dieser superbreiten Gravel-Lenker einsetzt, seit ihr vom Fleck weg langsamer. Muss nicht schlimm sein. Ich will es nur ganz deutlich sagen:

Ein auf Performance ausgelegtes Dropbar-MTB ist überall „schneller“ und gleichzeitig komfortabler als ein Feld-Wald-Wiesen Gravelbike. Es kann selbst mit Federung leichter als diese sein, bei der Aerodynamik des Reifen-Laufradsystems herrscht Gleichstand (wenn das Gravelbike nicht auf hinreichend breiten und tiefen Aero-Laufrädern rollt), der Rollwiderstand des MTB kann beim heutig verfügbaren Marktangebot von Gravel- und MTB-Reifen sehr leicht mindestens genauso gut und meistens viel besser ausfallen und die Fahrerposition wird, angepasste Lenkerbreiten vorausgesetzt, aerodynamisch wesentlich vorteilhafter als auf einem typischen superbreiten Gravel-Lenker sein.

Natürlich gibt es auch nach wie vor Rennen mit vergleichsweise guten Untergründen oder sehr viel Asphalt-Anteil bei bewusstem, nur geringen Einstreuen von super technischen oder super rauen Passagen. Hier ist ein Laufrad-/Reifensystem bestehend aus aerodynamischen Hochprofilfelgen und angepassten Reifenbreiten immer noch von Vorteil und eine Federgabel in der Tat unnötiges Gewicht und auch unnötiger Aerodynamik-Nachteil. Nur – das sind doch eher sehr wenige. Und anscheinend werden es auch immer weniger. So höre ich z.B. im jüngsten Autsaid-Podcast (hörenswerter Podcast von Paul Voss und Carolin Schiff), es ist die Episode 35, wie Paul sich zum Recon der diesjährigen The Traka Strecke äußert. Er will mindestens 45 mm Reifen aufziehen (viel mehr geht in sein Orbea Terra ohnehin nicht rein – wenn er nicht auf 650B ausweichen will oder jegliche Toleranz ausreizen würde und darauf hoffen müsste, dass es nicht matschig ist) und er lässt deutlichen Respekt im Hinblick auf einige sehr ruppige und technische Abfahrten durchblicken. Die Frage ist auch, welchen Reifen er dafür nutzen möchte. Beide sind Schwalbe gesponsorte Athleten und augenscheinlich kommt da dieses Jahr noch was Neues für Gravel-Piloten. Aber – es muss natürlich in den Rahmen passen. Das für mich lustige daran ist, dass sich da beide über diese rauen Untergründe und die technischen Abfahrten unterhalten; Paul mindestens 45 mm Reifenbreite als erforderlich ansieht, aber mehr ohnehin nicht hineinbekommt und das Carolin nicht mal diese 45 mm in ihrem neuen Canyon Grail v2 einsetzen kann. Ich gebe euch Brief und Siegel, dass auf solchen und ähnlichen Rennstrecken dann ein Dropbar MTB oder halt im mindesten ein Gravelbike mit mindestens 50 mm Reifenfreiheit und auch einer Gravel-Federgabel das Gesamt gesehen schnellere „Race Gravelbike“ ist. Ein Keegan Swenson ist trotz seiner Dominanz in US-amerikanischen Gravel- und Mountainbike-Rennen (Lifetime Grandprix) sicher sehr froh über sein neues Santa Cruz Stigmata, an dem er auch oft die dafür verfügbare Gravel-Federgabel einsetzt (ich bespreche das Rad auch weiter unten). Genauso wie ein Dylan Johnson regelmäßig in solchen Rennen entweder ein Hardtail mit XC-Federgabel oder, wenn der Kurs etwas leichter ist, mit Gravel-Federgabel verwendet. Er hat vor zwei Jahren bereits zur gleichen Zeit wie ich sein Dropbar MTB aufgebaut. Und zwar aus puren Race-Performance-Gesichtspunkten.

Ok – nach diesem Exkurs in Gravelbike-Kategorien, der uns eigentlich auch in 2024 immer noch nicht so viel Neues gebracht hat und nur noch einmal bestätigt, dass man sich immer das jeweilige Rad bzw. den jeweiligen Rahmen anschauen muss, um zu entscheiden wofür er sich gut eignen kann und was daran gut und weniger gut umgesetzt und gedacht ist, möchte ich genau das tun. Nämlich zur Besprechung von aktuellen oder seit dem letzten Artikel neu vorgestellten Gravelbikes übergehen, die mein Interesse geweckt haben. Und sei es nur das Interesse, dazu meinen Eindruck in Worte zu fassen.

Neue (2023/2024) Gravelbikes, die mir bemerkenswert erscheinen

Hier der übliche „Disclaimer“:

Was ihr im Folgenden findet, ist meine persönliche Bewertung diverser, ganz subjektiv ausgewählter Räder (ich nehme auch Kommentar-Nachfragen zur Meinung über weiter Räder an) hinsichtlich ihrer Papierform. Hinsichtlich ihrer Gestaltung, Design-Lösungen, Features, daraus abgeleiteten Einsatzbereichen und verpasste Chancen bzw. nicht abgedeckten Kundenwünsche (vorrangig von mir ;-)).

Zum Fahrgefühl kann ich also nichts aussagen. Bzw. nur in Ausnahmefällen. Die Menge an notwendigen Tests sowie das Nachjagen nach Testmöglichkeiten wäre von mir gar nicht leistbar. Weder zeitlich noch logistisch. Aber dort, wo Features oder außergewöhnliche Geometrie-Ansätze zumindest ein Aufhorchen erzeugen, tue ich das kund bzw. weise darauf hin. Und vor allen Dingen geht hier ja nicht zuletzt genau darum, aus der Vielzahl an Angeboten die Modelle herauszupicken und näher zu untersuchen, die dann im Anschluss interessant genug sind (oder sich nicht durch fehlende oder für mich unpassend gewählte Lösungen wieder uninteressant machen), um sie auf die ganz persönliche Shortlist zu setzen. Eure und meine. Und die Räder auf dieser Shortlist – die sollte man sich dann genauer anschauen und definitiv auch Probe fahren bevor man zur Kaufentscheidung gelangt.

„Mein Verdikt“ ist dabei ganz bewusst persönlich gefärbt. Ich sage euch aber auch wieso und warum das jeweils so ist. So dass ihr beurteilen könnt, ob das für euch auch gilt oder nicht. Und pures Pressemitteilungen wiederkäuen oder weichgespülte „Reviews“, die keinem potenziellen Werbepartner oder der Person, die das nächste Testrad oder die Einladung zum Presse-Event in hübscher Location freigeben muss, wehtun, findet ihr schließlich anderswo im Web und im Print-Regal genug.

Zu guter Letzt:

Fahrräder funktionieren für euch auch, wenn ich sie nicht so toll ausgestattet oder konzipiert finde. Die Geschmäcker und Ansprüche sind verschieden. Und auch klar – im Zweifel ist jedes der folgenden Bikes besser als gar kein Rad zu haben. Jedes Rad hat das Zeug zur Spaß- und Freiheitsmaschine. Und mit jedem Rad kann die richtige Person gar die übelsten Rennen gewinnen – es liegt am Ende nämlich immer nur daran, wie sehr sie es will! Aber es gilt auch: wer mal auf einem richtig guten, ihm ideal passenden Rad gesessen hat, weiss, dass es trotz all dem Riesenunterschiede in Bezug auf Geschwindigkeit, Spaß und Genuss gibt.

Bevor es nun zu den Rädern geht, noch eine Anpassung meines üblichen Quick-Fact Blockes.

Neu für den üblichen Quick-Facts Pro und Contra-Block:

Die Angabe: „Pro: UDH/T-Type Dropout„. Ihr seht schon – ich bewerte das Vorhandensein eines solchen Dropouts als rundum positiv. Das ist für mich ein eindeutiges „Pro“.

Worum geht’s? Sram hat schon vor geraumer Zeit den Universal Derailleur Hanger (UDH) Standard entwickelt und lizenzfrei verfügbar gemacht: https://www.sram.com/de/sram/mountain/products/udh.
Das ist tatsächlich eine rundum positive Sache. Denn zumindest bei Mountainbikes ist die Marktdurchdringung schon bei sehr vielen Herstellern und Modellen weit fortgeschritten. Ohne ein Ersatzschaltauge in ein Ultracycling-Rennen aufzubrechen, wäre sträflich nachlässig. Ja, einfach nur ein Rad zu besitzen, ohne ein passendes Schaltauge zu besitzen, ebenfalls. Das kann nämlich schnell mal seinen Zweck erfüllen, Rahmen und Schaltwerk schützen, dabei aber selbst den Geist aufgeben. Wer erst dann herausfinden muss, welches der bis dato für fast jeden Rahmen unterschiedlichen Schaltaugen er für sein Fahrrad braucht und dann hoffen muss, dass er es zeitnah oder überhaupt beschaffen kann, der hat ein Problem. Alleine dafür ist so ein standardisiertes Schaltauge schon Gold wert.

Sram hat das damals aber, wie wir heute wissen, mit einem weiteren Hintergedanken eingeführt. Sie haben damit den Weg für ihre im letzten Sommer vorgestelltes, neues Antriebssystem „Eagle Transmission“ geebnet. Welches zwingend einen UDH-fähigen Rahmen voraussetzt. „Eagle“ ist natürlich deren Name für die MTB-Antriebssparte. Aber Eagle Komponenten werden natürlich auch gerne für die sogenannten Mullet-Builds auch an einigen Gravelbikes verwendet. D.h. 1x, vorne nur mit einem Kettenblatt, und hinten gleich eine MTB-Kassette, geschaltet z.B. mit einem Eagle AXS Schaltwerk.

Ebenfalls bis im letzten Jahr war hier die einfachste Methode (ist sie einfach aufgrund er drahtlosen Natur des AXS Systems, zu der jetzt auch die Eagle Transmission gehört immer noch) einfach Sram AXS dafür herzunehmen. Mittlerweile hat Shimano zwar immer noch keine Di2 Version ihrer GRX-Schaltfamilie vorgestellt, diese aber immerhin auf 12fach erweitert. Und dabei gleichzeitig endlich ebenfalls die Möglichkeit zu Mullet-Builds mit Shimanos eigenen MTB-Kassetten eröffnet. Zwar immer noch nur mechanisch, aber seit letztem Jahr kann man auch mit Shimano 12x GRX deren MTB-Schaltwerke (z.b. ein XTR) schalten. Es bleibt abzuwarten, ob und wie Shimano versucht, ebenfalls einen eigenen Standard für ein irgendwie universelles Schaltauge auf den Markt zu etablieren. Denn das sie etwas von Sram anerkennen würden, scheint mehr als unwahrscheinlich. Was aber ebenfalls keiner möchte und sowohl Radhersteller wie auch Kunden auf die Barrikaden gehen würden, wenn Shimano versuchen würde, dass man nun auch einen Rahmen speziell für eine zukünftige XTR oder GRX Di2 12x produzieren und kaufen müsste.

Der Kicker ist jedoch: an einem UDH-Schaltauge kann auch Shimano nichts aussetzen. Das funktioniert per Definition sowohl mit Sram wie auch mit Shimano (und jeder anderen Ketten-Schaltung). Der Vorteil ist also immer, dass ihr nur noch ein standardisiertes Schaltauge beiseite legen müsst, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Und zusätzlich ist es auch unbedingte Voraussetzung, um die neue Sram Eagle Transmission verwenden zu können, sollte das von Interesse sein.

Solltet ihr übrigens an solchen Mullet-Schaltungen interessiert sein, habe ich hier jede Menge Varianten vorgestellt Dropbar-MTB, Teil 3: Schaltungsoptionen für den Rennlenker (11-, 12-, 13-fach; manuell und elektronisch) und Auswahl der richtigen Hydraulik-Bremse

Die Zeile „Max Reifenbreite für 650B“ lasse ich jetzt weg, wenn hier nicht spezifisch eine Angabe vom Hersteller vorliegt. Der Bedarf und Wunsch des Einsatzes solcher Laufräder hat sich nach meiner Wahrnehmung schon seit geraumer Zeit (und in meinen Augen zurecht) sehr im Rahmen gehalten. Wer entsprechende Reifenbreiten möchte, sucht sich heutzutage direkt ein Rad, in der er diese auch auf 700C bzw. 622er Felgen / Laufrädern montieren kann. Und so werden heutzutage Gravelbikes auch entwickelt und auf dem Markt platziert. Damit sind dann alle Optionen offen: auf dem selben Laufrad eher schmalere Reifen oder gar Slicks zu fahren oder halt entsprechend breite Reifen für’s Grobe aufzuziehen und dann vom nochmals besseren Überrollverhalten eines größeren Laufraddurchmessers zu profitieren. Ja – teilweise passen direkt schon 29er MTB-Reifen in entsprechende Gravelbikes. Was eins zu eins dieselben Felgen sind. Das seht ihr auch an den Größenangaben der entsprechenden Reifen, die im Handel immer/oft in beiden „Welten“ angegeben werden: Ein 29×2.25″ MTB-Reifen (Zoll) ist in ETRTO-Angabe ein 57-622 Reifen. D.h. 57 mm nominell breit mit Innendurchmesser 622 mm.

Die Räder-Besprechung in alphabetischer Reihenfolge:

Arc 8 Eero

https://www.arc8bicycles.ch/bikes/gravel/eero#
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Gepäckträger- und Schutzblechmontage-Optionen
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout (bzw. nicht spezifiziert)
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 990 + 395
Max Reifenbreite für 700C: 50 mm

Die Schweizer Marke Arc 8 macht sonst eher innovative Mountainbikes, hat aber mit dem Eero auch ein sehr schickes Gravelbike im Angebot. Schicke, frische Farbdesigns treffen auf einen angenehm sauber gestalteten Rahmen, der nicht unähnlich zum Cervelo Aspero, Scott Addict Gravel oder Enve MOG ist. Mit letzterem teilt es sich auch eine die gleiche Reifenfreiheit von 50 mm die es ebenso wie das MOG ohne deutlich tiefergesetzte Kettenstreben ermöglicht. Die Rohrformen sind wie die zuvor genannten Rahmen ebenfalls unter aerodynamischen Gesichtspunkten gestaltet. Ob das Rad je im Windtunnel war oder CFD-Analysen unterzogen wurde, steht zwar auf einem ganz anderen Blatt (hierzu gibt es keine Auskunft), aber immerhin hat man sich entsprechender Naca Profile bedient. Im Endeffekt sieht’s auf jeden Fall gut aus und sollte, gemeinsam mit der über das Steuerlager integrierten Zugführung auch windschlüpfrig sein.

Die Geometrie verspricht agiles bis angenehm neutrales Fahrverhalten. Mit u.a. kurzen Kettenstreben und eher hohem BB Drop (d.h. eher tiefem Tretlager). Muss man natürlich probe fahren. Aber – das sollte lohnen. Ein Rad das mir von der Papierform und vom Aussehen gut gefällt.

BMC Kaius 01

https://de.bmc-switzerland.com/de/pages/platform/platform-kaius
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Contra: antriebsseitig abgedeckte Dropouts
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 910 + 400
Max Reifenbreite für 700C: 44 mm

Das BMC Kaius 01 ist das nun dritte Gravelbike des Herstellers BMC. Von ihm gibt es ja bereits das BMC URS und das URS LT One. Diese habe ich bereits im zweiten Teil (das URS) und im dritten Teil dieser Gravelbike-Artikelserie (das per HiRide gefederte URS LT One) besprochen. Ende 2022 hat BMC dazu das Kaius vorgestellt, welches als mit zu den ersten Gravelbikes gehörte, die sich ganz bewusst gesagt haben: „Whoaaa, warte mal – Geometrien immer mehr MTB, Anbau-Ösen noch und nöcher, Lenker so breit, als wollte man die ganze Zeit Leonardo di Caprio am Bug der Titanic König der Welt spielen lassen… Wo bleiben die leichten, agilen Spaßflitzer, kompromisslos auf Speed und Race ausgelegt?“ Und natürlich haben sie (wie auch andere) auf den (auch heute noch ungebrochenen) Trend der zunehmenden Teilnehmerzahlen wie auch dem zunehmenden Wettbewerb bei Gravel-Rennen geschaut.

Herausgekommen ist das Kaius 01. Im Prinzip eine Teammachine oder Roadmachine (die Straßenrennräder von BMC), nur für Gravel. Aerodynamische Rohrprofile, Komplettintegration vom Lenker in den Rahmen, beim Topmodell ein schön schmaler Lenker (eines der Herausstellungsmerkmale des Kaius 01) und an Anbau-Ösen gegenüber einem reinen Rennrad nur schön bei Nichtgebrauch verdeckte Oberrohr-Taschen-Montage-Punkte.

Die Geometrie ist so wie ich es mag und im Vergleich zum BMC URS deutlich näher an einem Rennrad: 80 mm Tretlagerabsenkung (BB Drop) sind ein sehr hohes Maß bei Gravelbikes. Das sorgt für ein schön tiefes Tretlager und gibt Potenzial für sattes Kurvengefühl. Sehr kurze Kettenstreben (420 mm) und Sitzwinkel von 73° sowie Steuerrohrwinkel von 71 ° (für Größe S) sollten ihr übriges tun. Man muss sich draufsetzen und es probe fahren. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ich das Kaius 01 mehr als das URS mag.

Was ich von anderen Tests quer über das Internet wahrnehme, ist, dass das Kaius 01 auch vergleichsweise komfortabel sein soll. Und das ist glaubhaft, kann man mit guten und auf Comfort ausgelegten Carbon-Sattelstützen wie auch Lenkern doch sehr viel an Komfort erzeugen. Und zwar ohne, dass das Fahrgefühl und die Präzision leidet und ohne, dass man irgendwelche optisch sofort hervorstechenden Merkmale wie besondere Kröpfungen, Blattfedern oder Elastomer-Einsätze benötigt.

Elastomer-Einsätze… stimmt – solche hat ja das BMC URS oben an den Sitzstreben… Man muss sich einfach mal auf beide Räder drauf setzen und diese im Wortsinne erfahren. Ich könnte mir vorstellen, dass am Ende der Unterschied im Heckkomfort zwischen dem Kaius und dem URS nicht sonderlich groß ist. Wenn er überhaupt gegeben ist. Oder nicht sogar positiv für das Kaius ausfällt.

Was bliebe dann noch an Vorteil des URS (wenn nicht als LT One mit der Frontfederung im Steuerrohr gekauft – die allerdings ja auch nur minimalsten 20 mm Federweg bereitstellt und im Grunde wenig mehr als ein gefederter Vorbau ausrichten kann)? Nicht viel. Nicht mal in der Reifenfreiheit, wie man ja vermuten könnte. Bei beiden Rädern herrscht Gleichstand, wenn wir mal 1 mm gerade sein lassen. Für das URS gibt BMC 45 mm an und für das Kaius 44 mm. Immerhin hat das URS noch Montagepunkte unter dem Unterrohr, eine integrierte Kabelführung für einen Dynamo in der Gabel und Schutzblechmontage. Dafür kann das URS leider nur 1x ausgerüstet werden. Das Kaius auch 2x. Am Ende läuft es wohl auf das hinaus: 1x vs 2x und welche der beiden Geometrien euch mehr liegt.

Unschön beim Kaius: Nix UDH, nix Achsenlöcher. Weder vorn noch hinten. Leider hat BMC hier konsequent ihre wahrscheinliche Designvorgabe einer auf’s absolut sauberste getrimmten optischen Erscheinung umgesetzt und die antriebsseitigen Achslöcher geschlossen. Das ist definitiv reine Design-Sache, denn aerodynamisch wird sich da im Vergleich zu einer durchgehenden Bohrung und einer darin abschließenden Steckachse nichts tun. Wenn BMC da anderer Meinung ist und denkt, ein Windkanal könnte dieses winzige Detail im Gesamt-Drag oberhalb der Messgenauigkeit auflösen, lasse ich mir gerne die Zahlen senden. Was bleibt? Ein erst auf den zweiten Blick (oder den dritten oder 28. von nicht so rad-affinen Menschen) erkennbares Detail, was aber die Praxistauglichkeit ohne Grund einschränkt. Eine der vielen Rack-Lösungen für Heck oder Gabel einsetzen, die auf spezielle Steckachsen setzen (Tailfin, Old Man Mountain, etc.)? Fällt flach. Probleme mit der Achse in der Hitze des Gefechts? Tja – von der Antriebsseite kann man da nicht unterstützen.

Bitte, liebe Radkonstrukteure, Product-Owner und Marketing-Leute, macht sowas nicht. Selbst Pro Rennradfahrer fahren mit ihrem Rad ab und an mal per Bikepacking nach Hause (Thomas De Gendt und Tim Wellens z.B. nach Il Lombardia in 2018) und ein Race Gravelbike wird nicht trotz sondern vielleicht gerade wegen seiner Aero- und Leichtbau-Qualitäten gerne für #fastfar Packing benutzt bzw. sogar extra gekauft werden. Das ist kein Feature, das man bewusst einbaut und sogar auf der Produktwebseite als „Feature“ aufführt. So wie es leider BMC mit diesem „Stealth Dropout Design“ macht. Und wenn man mit seinem ach so tollen Race-Gravelbike selbst im puren Race-Einsatz mal mit verlorener oder vergessener Steckachse da steht und einen Ersatz organisieren kann, der tatsächlich den richtigen Thread-Pitch hat, nur einfach etwas zu lang ist… Tja, immer noch nichts gewonnen. Geht ja nicht ganz rein.

Ihr werdet in vielen Tests des Topmodells des Kaius 01, es ist das Kaius 01 One (ja – so ist die Nomenklatur bei BMC) den integrierten Lenker als Hauptfeature genannt finden. 36 cm in den Hoods ist für ein Gravelbike auch erfrischend schmal. Mir wäre es in den Hoods vielleicht in bisschen zu schmal. Aber sicherlich ist diese Breite besser als superweite Gravel-Monster-Flare-Lenker. Flare hat dieser Lenker auch. Mir sogar etwas zu viel. BMC nennt ihn ICS Carbon Aero Cockpit. Glücklicherweise hat BMC eine ganze Familie an ICS Lenkerlösungen und verbaut diese auch an den anderen Kaius 01 Ausstattungen, dem Kaius 01 TWO und THREE. Es gibt noch das ICS Carbon Evo Cockpit, welches mit 400 mm Breite an den Hoods und nur 8° Flare für mich von den reinen Zahlen viel gefälliger erscheint. Aber wie auch das zuvor genannte Cockpit leider die Züge komplett innen führt. Und von Aerobars liest und findet man nirgendwo etwas auf den zugehörigen BMC-Seiten. Mehr als schade! Das damit viel bessere Cockpit stellt die Kombination aus normalem Lenker und dem ICS2 Vorbau dar. So könnt ihr Vorbau-Länge und Höhe ganz problemlos anpassen und auch jedwede Clip-On Aerobars eurer Wahl aufsetzen.

BMC bietet sogar – und das ist sehr cool – einen gefederten Vorbau in ihrer ICS Linie an. Dieser ist von Redshift lizensiert, bietet also die exakt selbe Funktion und Performance (hier findet ihr einen ausführlichen Test zu Komfort und Effizienz nicht nur des Redshift Shockstop Stem), aber hat den Look und bietet die gleiche Kabelführung in das Steuerrohr wie die übrigen ICS-Vorbauten und Cockpits von BMC. Dieser Vorbau wird mittlerweile an den BMC URS 01 Modellen verbaut. Für das Kaius 01 habe ich seine Tauglichkeit nirgendwo aufgeführt gefunden, aber aus der ICS-Beschreibung hervorgehend, vermute ich stark, dass der Einsatz (bzw. Austausch) möglich ist.

Mein Verdikt:
Ein leichter und wahrscheinlich agiler Flitzer mit sehr elegantem Erscheinungsbild. Ein Rad, welches durchaus für mich in Frage käme, hätte es keine abgedeckten Dropouts. Ich würde es nämlich als Rad sowohl für Champagner-Gravel wie mehr noch für Road Bikepacking und Ultracycling verwenden wollen. Und da will ich auf meinen geliebtes Tailfin Aeropack nicht verzichten. Dafür brauche ich aber eine durchgehende Steckachse! Gleichermaßen fehlt dem Kaius 01 die Kompatibilität mit dem UDH Standard, so dass es um die Zukunftsfähigkeit nicht allzu ideal bestellt ist. Für mich fällt es dadurch durch’s Raster. Aber vielleicht ist es ja was für euch?

Das neue Canyon Grail / Grail der 2. Generation

https://www.canyon.com/de-de/gravel-bikes/performance/grail-generation-2/
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkte für Clip-In-Rahmentasche
Pro: Aerodynamisch optimierte und exakt passende „Drittel-„Rahmentasche (Fidlock-Montage) verfügbar
Pro: Montagepunkte für Schutzbleche
Pro: 1x und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 1.233 g (CFR, M, Herstellerangabe)
Max Reifenbreite für 700C: 42 mm

Das neue Grail. Oder das Grail v2. Auf der Canyon Webseite sogar buchstäblich als „Grail der 2. Generation“ ausgeschrieben und angegeben. Seit vergangenem Herbst (Oktober 2023) ist es endlich erhältlich. Canyon hat sich ganz schön Zeit damit gelassen. Schon seit vergangenem Frühling konnte man das Rad, erst nur partiell, dann auch tatsächlich im Renneinsatz sehen. Und im Sommer gewann Carolin Schiff auch bereits das prestige-trächtige Unbound-Rennen auf dem neuen Grail. Noch mit „Tarn-Lackierung“ und immer noch ohne jedes Wort von Canyon oder der Bestätigung, dass es überhaupt ein Canyon sei (was natürlich trotzdem jeder wusste).

Was ist es, was ist neu?
Es ist ein Race Gravel Bike. Und die wesentliche Neuheit ist: Es hat endlich wieder einen vernünftigen Lenker. Ok, es ist wieder ein proprietärer Lenker, der Vorbau und eigentlichen Lenker zu einem integrierten Cockpit als eine Einheit zusammenfasst. Die ja auch ihre diversen Vor- und Nachteile haben, wie ich ja beim Rose Backroad FF bzw. eingangs dieses Artikels ausführlich beleuchte. Aber immerhin macht diese neue Vorbau-Lenker-Einheit sehr vieles richtig. Vor allem auch dahingehend, dass sie auch problemlos gegen ein konventionelles System aus Vorbau und Lenker ausgetauscht werden kann und der Käufer:in alle Optionen hinsichtlich Höhenanpassung mittels Spacer und Co gestattet. Wie es so ziemlich jedes normale Rad erlaubt. Sei es ein Rennrad, ein Gravelbike, ein Crossbike, ein Mountainbike… so ziemlich jedes Bike – bis auf das ursprüngliche Grail. Das mit seinem unsäglichen Doppeldecker-Lenker nicht nur (zurecht) für viele Memes im Internet gesorgt hat sondern auch jegliche Anpassung des Rades erfolgreich sabotierte. Sowie auch von der durch Canyon kolportierten Logik, wie und wozu dieser damalige Doppeldecker-Lenker gestaltet wurde, überhaupt keinen Sinn gemacht hat. Das Grail der ersten Generation (welches man interessanterweise immer noch kaufen kann) hat es deshalb nie in eines meiner „das perfekte Gravelbike“ Artikel geschafft (außer als mahnendes Beispiel). Ihr könnt aber, falls es euch interessiert, hier einen dedizierten Test und eine Erläuterung finden, warum das erste Grail zwar einen coolen Rahmen hatte, aber auf Gedeih und Verderb auf diese spezielle Lenkerkonzeption angewiesen war.

Die Vorbau-Lenker-Einheit des neuen Canyon Grail hört auf den Namen Canyon GEAR GROOVE CP0039 Gravel Ergo Cockpit. „Sperrig“ zieht sich anscheinend durch die Nomenklatur des neuen Grail. Interessant sind die gegensätzlichen Ansätze von Canyon und von Rose (beim neuen Backroad FF) in Bezug auf das integrierte Cockpit. Wo das Rose Cockpit auf horizontalen Vorbau (erzielt durch negativen Winkel) und einem 20 mm Rise in den Tops des Lenkers setzt, rundet Canyon ihr neues Gravel Ergo Cockpit eher in konstanter Wölbung der Tops nach unten ab. Zumindest konnte man das so bei den ersten Ausführungen der Pros noch vor der offiziellen Vorstellung des Rades erkennen. Die Produktionsvariante setzt jetzt auf normal waagerechte Tops, die aber im Übergang in die Drops trotzdem nochmal leicht nach unten absinken. 69 mm Reach, 115 mm Drop, einen leichten Backsweep von 5° und ein mir fast schon zu prägnanter Flare von 16° runden die technischen Daten des Lenkers ab. Ich habe ihn noch nicht angefasst und gefahren, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass er sich überall angenehm greifen lässt.

Die Größenauswahl ist allerdings völlig ungenügend! Wo Rose beim Backroad FF immerhin 5 Varianten angeboten werden (ebenfalls nur als ungenügend zu bezeichnen), ist man bei Canyon augenscheinlich der Auffassung, dass ein One-Piece-Cockpit zum einen eher breit und im Zweifel eine kurze und auch nur eine einzige Vorbaulänge aufzuweisen braucht. Schmaler als 42 cm gibt es gar nichts. Und länger als 80 mm bei der Länge des Vorbaus gibt es auch nichts. Es gibt auch nur 4 verschiedene Aerocockpits zur Auswahl: 70 mm und 44 cm Breite, 80 mm und 46 cm Breite und bei 42 cm Breite kann man immerhin wählen, ob’s 60 oder 70 mm Länge sein sollen. Das dies einem Profi nicht ausreicht, der länger sitzen will, mehr Druck auf’s Vorderrad bringen möchte oder neidvoll auf ein BMC Kaius (sehr schmaler Lenker) oder jetzt auf ein Rose Backroad FF blickt ist nachvollziehbar. Ich glaube, für seine Pros lässt Canyon da auch noch was springen. Bzw. hat da ohnehin was in Petto, was nicht im normalen Zubehör-Bereich der Canyon Webseite zu finden ist. Anders kann ich es mir kaum vorstellen und würde als Pro da ziemlich auf die Barrikaden gehen. Und so deute ich auch Fotos der Racebikes diverser von Canyon unterstützter Gravel-Pros und Privateers.

Entweder das – oder sie müssen, wie ihr und ich in solchen Fällen dann auch (und wie sehr oft nicht nur bei Canyon zu sehen) auf einen normalen Vorbau und einen normalen Lenker setzen, den man ja glücklicherweise auch problemlos verwenden kann. Ist dann aber vielleicht nicht mehr ganz so schön, nicht mehr ganz so Aero und vor allen Dingen hat man das Gravel Ergo Cockpit ja auch mitbezahlen müssen. Einzeln kostet es übrigens derzeit 349,95 Euro.

Immerhin: möchte man Aerobars benutzen, muss man nicht unbedingt das One Piece Cockpit austauschen. Da wurde nämlich endlich einmal mitgedacht und ihm wurde die sogenannte „Gear Groove“ spendiert. Das ist eine Vertiefung in der Mitte der Vorbausektion bis zur Vorderkante des Lenkers. Dort kann wahlweise entweder eine Computer-Halterung, eine spezielle Handy-Halterung oder – tadaaa – die sogenannte GEAR GROOVE Aero Extension aufgesetzt und festgeschraubt werden. Das ist ein modulares One-Arm Aerobar-System, welches in ähnlicher Form bereits beim Canyon Speedmax eingesetzt wird. Diese lässt sich Canyon aber gut bezahlen. Volle 499,95 Euro werden dafür aufgerufen. Auch hier wieder das Thema der proprietären Lösungen und der Verfügbarkeit. Kauft man sich ein solches Teil direkt von Anfang an, für den Fall der Fälle? Für diesen hohen Preis? Oder riskiert man, es überhaupt nicht mehr kaufen zu können, wenn man sich später dazu entscheidet? Und – wenn man sein Rad wechselt, hat man ein anderweitig nirgendwo verwendbares Aerobarsystem herumliegen. Für das es auch kaum einen Gebraucht-Absatz-Markt geben wird. Spätestens dann nicht, wenn Canyon beim nächsten Grail wieder etwas anderes als eine „Gear Groove“ einfällt…

Vielleicht ist also auch beim neuen Grail v2 ein ganz normaler Lenker doch die vielseitigere, nachhaltigere und preiswertere Wahl (trotz des Mitkaufen müssens des originalen Gravel Ergo Cockpits)…

Kabelführung: Diese ist beim neuen Grail vollintegriert. Fast. Und dieses Fast ist sehr positiv. Während die Kabel zwar durch den eigentlichen Lenker innen hindurchlaufen (schlecht für die Anpassbarkeit und das Wechseln des Lenkers an sich), kommen sie aber doch aus der Basis des Querholms unten in Höhe des Übergangs zum Vorbau wieder zum Vorschein. Von da laufen sie dann optisch und funktionell schön an seiner Unterseite außen vorbei und tauchen dann erst in die spezielle Headset-Topcap ein und laufen von dort durch den Steuersatz in den Rahmen hinein.

Während es zwar schade ist, dass Canyon sein Gear Groove Cockpit nicht mit unten offenen Kabelkanälen ausstattet, ist aber damit immerhin die Reisetauglichkeit gewährt. Man bekommt den Lenker so auch nachträglich demontiert, so dass man ihn für das Verpacken in einen Radkarton oder einen kompakten Radkoffer an die Seite des Steuerrohrs anlegen kann.

Damit ist das Cockpit zwar nicht ideal, aber: wenn es von den Griffpositionen und den wenigen verfügbaren Abmessungs-Varianten her taugt und aufgebaut ist, sind die weiteren Forderungen meines Lastenhefts One-Piece Cockpits (siehe Eingangs des Artikels) weitestgehend erfüllt. Preis-Leistung… geht so gerade noch, wenn man keine Aerobars benötigt. Reisetauglichkeit: erfüllt. Aerobar-Montagemöglichkeit: zwar proprietär, aber mitgedacht und gegeben.

Rahmen und Optik:
Zwar in der Front, am Steuerrohr und in der Gabel eher etwas geradlinig sachlich unterwegs gefallen mir grundsätzlich viele typische Gestaltungselemente der Canyon-Rahmen, die sich auch hier am Grail der 2. Generation wiederfinden. Leicht gesloptes Oberrohr, der Seat-Cluster, integrierte Sattelstützenklemme, das interessante Unterrohr. Auch die verfügbaren Lackierungen. Schlicht, aber wirkungsvoll. Fein.

Rahmen und Funktion + Geometrie:
2x-fähig: super. UDH-Dropout: sehr gut. Ein mittlerweile anscheinend zum guten Ton gehörendes integriertes Stauffach im Rahmen – hier im Unterrohr… nun ja. Ich bin kein Fan davon. Wenn’s wirklich gut gemacht ist, stört es hoffentlich nicht. Wenn es schlecht gemacht ist, ist es eher ein Ärgernis. Die üblichen Montagepunkte für Oberrohrtasche und Flaschenhalter unter dem Unterrohr sind vorhanden. Und sogar drei weitere Bohrungen im vorderen oberen Rahmendreieck. Die sind für die jeweils auf die Rahmengröße angepasste und optional kaufbare „LOAD FidLock QuickLoader“ Tasche vorgesehen. Das Grail v2 ist damit das dritte Rad (von der Erscheinungsreihenfolge das zweite) in diesem Artikel und überhaupt, welches auf mindestens eine speziell angepasste und per Fidlocksystem magnetisch einsetzbare Tasche setzt. Es ist allerdings weder eine Full-Frame- noch eine typische Half-Frame-Bag, sondern leider nur so eine „Zwickel-Tasche“. Sie lässt also viel nutzbaren Raum unter dem Oberrohr ungenutzt. Super schade, dass hier nicht noch etwas weiter hinten eine weitere Öse unter dem Oberrohr vorgesehen wurde. Damit könnte man eigene Taschen ganz ohne Riemen einsetzen. So bleibt es bei einem kleinen „Handschuhfach“, will man diese spezielle Quickloader-Tasche verwenden. Immerhin – damit verbessert man den Luftwiderstand des Rahmens weiter. Um 1,5 Watt, verspricht Canyon. Sagt aber nicht, bei welcher Geschwindigkeit. Ohne Geschwindigkeit sagen aber reine Watt (im Gegensatz zur anteiligen CdA-Verbesserung) leider wenig aus. 1,5 Watt bei 30 km/h wären super. 1,5 Watt bei 45 km/h… ok, werden auch gerne genommen – sind aber nicht ganz so super.

Geometrie: alles im angenehmen Rahmen. Hier sticht nichts besonders heraus. Es sollte sich um ein gut und angenehm agil bis neutral zu fahrendes Rad handeln. Canyon zeigt auf der Grail-Startseite ein Foto eines Testrahmens und hebt deren Geometrie- und Fahrexperimente für das neue Grail v2 hervor, die zu einem etwas längeren Radstand und etwas flacheren Lenkwinkel geführt haben sollen. Am Ende des Tages landen sie aber wie gesagt bei durchaus üblichen Geometriewerten. Wie immer gilt natürlich: man muss sich trotzdem mal drauf setzen und sehen, wie sich die Kombination aller dieser Maße wirklich anfühlt.

Soweit, so gut also. Aber dann der Elefant im Raum: Die Reifenfreiheit…

Reifenfreiheit: Seufz. 42 mm.
Ja, richtig gelesen. Ein Race Gravelbike. Ende 2023 vorgestellt. Gedacht (nicht nur) für die härtesten, Material und Mensch fordernden Gravelrennen. Wo die Teilnehmer (und besonders die Spitzenfahrer:innen) alles tun, um überhaupt, mit möglichst wenigen Reifenpannen und insgesamt an einem Stück ins Ziel zu kommen. Wo sie je nach Rennen versuchen, alles an Reifenbreite in ihre jeweiligen Räder zu quetschen, was nur irgendwie hinein geht. Oder, wenn es zuvor geregnet hat oder Regen während des Rennens angesagt ist, mit der Reifenfreiheit bzw. der Matschfreiheit (Mudclearance) hadern und teilweise auf superschmale 35 mm Gravel- oder gar 33 mm Cross-Reifen zurückgreifen. Nur um in diesem Fall wenigstens eine Schaschlik-Spieß-Breite mehr an Luft zwischen Reifen und Kettenstrebe, Sitzstrebe und oder Sitzrohr zu bekommen. Oder Gabel.

Und Canyon erzählt uns auf der Grail-Startseite: „Im Austausch mit unseren Profis haben sich 40 mm die beste Reifenbreite für eine gute Balance aus Grip und geringem Rollwiderstand für eine Gravel-Rennmaschine herausgestellt. Der Rahmen bietet Platz für bis zu 42 mm breite Reifen„…

Ähm, sorry, nein. Das kann ich kaum glauben. Ja, natürlich gibt es auch in der Gravel-Szene immer noch furchtbar viele Oldschool-Leute. Eine Riesen VO2max zu haben und Treten zu können wie ein junger Gott macht einem halt noch lange nicht zu einem Liebhaber der neuesten Biketechnik oder Aerodynamik- wie auch Rollwiderstandtests. Im Gegenteil lässt es Leute halt auch oft nicht wegen, sondern trotz den eingesetzten Reifen oder was auch immer gewinnen oder wenigstens weit vorn landen.

Auf der einen Seite kann ich mir dann schon vorstellen, dass eine Carolin Schiff – sofern sie gefragt wurde – anführt, dass sie bisher ja ohnehin immer 2x mit der Straßenschaltung von Shimano fährt. Richtig – sie fährt Gravel nicht mit der GRX sondern mit Dura-Ace Di2. Ich habe leider keine Reifenfreiheitswerte für diesen Umwerfer gefunden. Ich habe 37 mm in Erinnerung. Mag mich täuschen. Für meinen Sram Red etap AXS FD sind es 42 mm bei 700C, die er mir ermöglicht. Das hängt natürlich von der Kettenstrebenlänge ab (die beim Grail nicht die allerkürzeste ist). Will man 2x fahren und die Clearance nicht zu sehr ausnutzen, dann sollte man aber eh bei Shimano auf GRX und bei Sram ggfs. auf die Wide Front-Umwerfer setzen. Z.b. bietet der Sram eTap AXS Wide FD Reifenfreiheit für locker 700x45c. Aber gut – sagen wir, Carolin hätte also rein wegen ihrem Front-Umwerfer für maximal 40 mm gestimmt. Auf der anderen Seite habe ich sie nicht nur einmal im gemeinsamen Podcast mit Paul Voss größere Reifenbreite wünschen hören. Oder bedauern, dass sie nur 40 mm in Ihr Rad hineinbekommt…

Ein Peter Stetina vielleicht? Bei ihm kann ich mir gut vorstellen, dass er Old School ist. Und vielleicht immer noch denkt, ein 40 mm oder gar 35 mm Reifen wäre auf Gravel schneller als ein 45 mm Reifen oder gar noch mehr. Nun – am Ende ist es weniger die Breite (und auch nicht die Menge und Größe der Stollen), sondern viel mehr das Reifenmodell und sein Compound und seine Karkasse, was die Geschwindigkeit eines Reifens ausmacht. Und überall, wo ich Off-Road Grip und Traktion brauche (von Komfort muss ich hier gar nicht anfangen), bin ich sicher mit 40 oder gar 45 mm besser aufgestellt.

Und nicht vergessen – wenn 40 mm das Maximale ist, was ich unterbekomme und aufgrund Mudclearance (Rennen wie Midsouth, Unbound und viele andere) davon nach unten abweichen muss, dann hilft mir das auch wenig.

Aber wahrscheinlich sagt sich ein Peter Stetina auch: „Hey, wenn ich 45 oder sogar 50 mm Reifenbreite haben will, nehme ich einfach das Grizl. Das stellt mir Canyon ja eh auch zur Verfügung.“ A pro pos Grizl und Mudclearance. Da hat er sich mal richtig verwachst. Es war im Chequamegon 40 MTB Race. Ich glaube Ende 2022. Da hat er sein Grizl samt Gravelfedergabel mit 2.1 Zoll Maxxis-Reifen aus- und überreizt. Hier könnt ihr seine Gedanken zum Aufbau nachlesen. Null Mudclearance. Nun ja… in der Vornacht des Rennens hat es geregnet. Er ist nicht mal annähernd in Zielnähe gekommen. DNF. Er sollte eigentlich wissen und wünschen, dass er mehr als 40, pardon, 42 mm im Grail geboten bekommen sollte.

Ok, wenn’s die Pros nicht waren, die wirklich auf 40 / 42 mm gedrungen haben (oder wenn, hätte man nicht auf sie hören sollen). Wäre es die Technik? Wären es Kompromisse, die beim Bike- bzw. Hinterbaudesign einzugehen wären?

Hölle, nein. Das neue Canyon Grail hat ja sogar eher weiten Radstand und mit 425 mm nicht lange, aber bei weitem auch nicht super kurze Kettenstreben. Das neue Rose Backroad FF kommt mit 45 mm Reifenfreiheit (drunter wird eigentlich nichts mehr vorgestellt) bei 2x-Fähigkeit und 420 mm Kettenstreben. Arc 8 Eero und Enve Mog bekommen bei gleicher 420 mm Länge und ebenfalls 2x-Fähigkeit gar 50 mm Reifen unter. Und das sogar ohne super-tief nach unten abweichende Kettenstreben etc. (siehe die jeweiligen Besprechungen – alle genannten Räder sind hier im Artikel vertreten). Ja, Canyon selber kann’s doch auch! Das Canyon Grizl tut es dem Arc 8 und Enve Mog gleich (bzw. war sogar vor denen da): 420 mm Kettenstreben, 2x und 50 mm maximale Reifenbreite bei 700c.

Einzig mögliche Erklärung: Produkt-Portfolio-Management. Canyon möchte augenscheinlich dem eigenen Grizl mit den Grail nicht zu nahe kommen. Am Ende des Tages verzichtet man damit auf den einen oder anderen Verkauf des Grail v2, denkt aber, dass Fans der Marke dann sowieso bei Canyon bleiben und halt das Grizl kaufen? Ist es das? Sehr gut möglich. Setzt man beim Grizl nicht auf die Gravel-Federgabel-Modelle ist im Grunde der einzige Unterschied, dass der Rahmen des Grail ein bisschen mehr Aero-optimiert ist und 3 Montagepunkte an der Gabel des Grizl. Dafür hat sich Canyon für die Gabel des Grail aber eine Zusatz-Option ausgedacht. Also kann ich auch an die Gabel des Grail v2 Ladung anbringen, wenn ich möchte. Schutzblechmontage (und speziell verfügbare Schutzblech-Sets) bieten auch beide. Es ist am Ende des Tages wirklich wenig Unterschied. Nun… bis auf die Geometrie.

Ich würde sagen: da ist immer noch mehr als genügend Raum, zwischen beiden Rädern zu wählen. Selbst, wenn sie beide die gleiche Reifenfreiheit hätten. 45 mm beim Grail v2 und 50 mm beim Grizl… wäre immer noch super und auch für einen Fahrrad-Quartett-Spieler genügend Differenz. Aber ich glaube, für das Canyon Produkt Management doch nicht genug? Muss es 40 mm sein? Die offiziell angegebenen 42 mm können wir getrost als Zwischenmaß ansehen, das Canyon angibt, um Ende 2023 nicht gar zu „nackig“ im Reigen der Neuvorstellungen anderer Race-Gravelbikes zu stehen.

Mein Verdikt:
Oh Mann, das waren viel zu viele Worte über die Reifenfreiheit. Aber sie waren nötig. Selbst ich, der Gravelbikes (und mehr noch Race Gravelbikes) eher als Allroad-Bikes versteht und nutzen möchte, finde 40 mm (nun gut, 42 mm) zu einschränkend. Würde ich das Grail v2 tatsächlich auch für Gravel-Rennen kaufen (um damit z.B. in die USA zu fliegen oder Rennen wie The Traka in Spanien und anderswo zu bestreiten), dann ginge unter 45 mm überhaupt nichts.

Mit 45 mm Reifenfreiheit könnte das ein sehr schönes Mehrzweck-Gravelbike sein. Ein unter aerodynamischen Gesichtspunkten entwickelter Rahmen, ganz gut anzusehen, 2x-fähig, sehr schön. Möglichkeit, Taschen anzuschrauben und das auch im Rahmen und wenn gewünscht, mit speziell auf die Rahmengröße angepasster und die Aerodynamik nochmal leicht verbessernder Tasche (wenn auch nur klein) – ebenfalls cool. Ein speziell passendes Schutzblech-Set? Mega – macht nicht nur ein tolles, schnelles Pendler-Rad aus dem Grail v2, sondern auch das ideale Trainingsgerät für das Winterhalbjahr wie auch ein tolles Randonneur- und auch Bikepacking-Rad für die Straße. Dazu trägt bei, dass man auch Aerobars für das integrierte Cockpit bekommt. So steht einer Teilnahme bei einem Transcontinental Race nichts mehr im Wege. Auch dessen berüchtigte Gravel-Parcours bekommt man mit einem solchen Race-Gravelbike bestens gemeistert.

Für mich wäre so ein Rad daher (ihr habt es schon oft in diesem Artikel gelesen oder werdet es noch lesen) das ideale #fastfar Rad. Ja, auch mein ideales Rennrad. Ich würde mir z.B. kein Canyon Endurace kaufen, sondern immer zum Grail v2 greifen. Vorausgesetzt, ich habe mich mal draufgesetzt und mag, wie es sich fährt.

Dann wiederum: wenn ich das ganze Geld dafür ausgebe soll und bei einem Gravelbike doch nur auf 42 mm eingeschränkt bin… Nein danke. Wenn ihr aber ein pures All-Road Bike sucht: Ein super Paket!

Colnago C68 Gravel

https://www.colnago.com/bike-product/detail/c68-gravel
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 42 mm

Mein Verdikt:
Colnago beschränkt sich in der maximalen Reifenfreiheit bewusst auf 42 mm (W.A.M. = wide as measured) und begründet das einerseits mit der Geometrie und dem Handling, dass man nicht zu sehr weg von einem agilen Verhalten wegdriften lassen möchte. Hebt aber andererseits die vergrößerte Achse zur Gabelkrone Distanz des Rades hervor, die es erlaubt, Gravel-Federgabeln einzusetzen. Was grundsätzlich positiv ist. Und ich selbst propagiere ja, lieber ein sinnvolle Federung einzusetzen, als alles den Reifen überlassen zu wollen. Das bedeutet: auch mit einem 42 mm Reifen könnte ja eine Federgabel Sinn machen. Wenn das Rad sonst nichts hergibt und man es ohnehin schon hat. Besser als nichts. Aber wenn ich ein Rad von vornherein für den Einsatz mit einer Federgabel vorsehe, dann macht die Beschränkung auf 42 mm Reifenbreite wenig Sinn und geht auch nicht mit diverser Lyrik über fein abgestimmte Geometrie überein. Insofern ist hier die Beschränkung auf nur 42 mm ein gewisser Widerspruch für mich.

Aber: ein solches Rad mit einer Federgabel auszustatten, würde ihm wahrscheinlich ohnehin nicht gerecht. Aus einem (hoffentlich) agilen und eleganten Gravelflitzer, der auch wahrscheinlich auch ein prima Allroad- oder im besten Sinne Allround-Rennrad abgibt, würde ein sehr mittelmäßiges, frontgedämpftes Rad werden, dass alle Nase lang auf richtigem Offroad unterbereift wäre.

Was gibt es sonst von der Papierform her zu sagen? Eigentlich sehr wenig. Ein in positivem Sinne unaufgeregtes Gravelbike mit reduziertem, durchaus edlen Design. Vielleicht durch die gewählten Kanten etwas auf der zu modisch modernen Seite – damit aber dann doch wieder typisch Colnago und dem selbst auferlegten Design Brief entsprechend. Da schreiben sie nämlich: „Clean design, integration and modernity are at the core of the project.“ Das haben sie erfüllt. Auch das Thema Integration. Alle Züge sind vollintegriert. Das sind sie aber zu meinem Leidwesen auf die schlechtmöglichste Art und Weise mit dem mitgelieferten One-Piece-Cockpit, dem Colnago CC.01. Dort laufen die Kabel komplett innen und so ist jedwede Anpassung mit höchstem Aufwand verbunden und die Lenkerdemontage für Reisen komplett unmöglich.

Immerhin gibt es hier volle 16 Varianten mit vier verschiedenen Breiten des Lenkers (370, 390, 410 und 430 mm) sowie fünf verschiedenen Längen des Vorbau (90, 100, 110, 120, 130mm). Was sicher daran liegt, dass dieses One-Piece-Cockpit dasselbe ist, das Colnago für das normale C68 Rennrad verwendet. Nichts desto trotz: das ist sehr gut! Da können sich Rose mit dem Lenker für das Backroad FF und Canyon mit dem Cockpit für das Grail v2 mehr als eine gehörige Scheibe von abschneiden!

Aber in der Summe aller Eigenschaften und dem Look… ich tue mir schwer, Begeisterung zu empfinden. 42 mm Reifenbreite ist zudem für ein aktuelles Gravelbike sehr mau. Wenn euch das Fahrverhalten liegt und ihr ein Faible für Colnago habt, kann es aber ein schickes Gravelbike für euch sein. Bzw. eher ein All-Road Bike.

Enve MOG

https://enve.com/products/mog-complete-bike
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Schutzblechmontage möglich
Pro: Gabel mit Montagepunkten
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: 1x und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 950 g für den Rahmen
Max Reifenbreite für 700C: 50 mm

Mein Verdikt:
Das Enve MOG wird zwar nicht als aerodynamisch optimiert beworben, hat aber mit integrierten Zügen, tief angesetzten Sitzstreben und fließenden Rohrübergängen ein passendes und elegantes Äußeres. Und das trotz der sehr auskömmlichen maximalen 50 mm Reifenbreite, die es problemlos unter bekommt. Eine etwas schlankere Gabel und ein etwas weniger gedrungenes Unterrohr und es wäre in meinen Augen noch eleganter. Nun gut – bei 50 mm Reifenfreiheit muss halt der eine oder andere Kompromiss her. Das war es aber auch schon mit den Kompromissen. Sonst ist alles dabei, was man so gerne hätte: T47 Tretlager, UDH Mount für das Ausfallende, Schutzblech- und so ziemlich sonst alles an Montage-Möglichkeiten. Wer mag, findet auch ein Rahmen-internes Fach (Enve nennt es Cargo-Bay) unter dem Unterrohr-Flaschenhalter. Eine runde Sattelstützenaufnahme ist immer willkommen. Kann man doch so jede gewünschte normale Sattelstütze und hier sogar auch eine Dropper-Post verbauen, wer mag. Wie war das noch mit dem Versuch der Kategorisierung? Race oder Adventure Gravelbike? Das Enve MOG deckt beide Bereiche mit Bravour und ab und macht dabei sehr wahrscheinlich in keinem davon Abstriche im Vergleich zu irgendeinem anderen Rad in dieser Liste, egal ob dessen Hersteller da eher das Adjektiv „Race“ oder „Gravel“ dran schreibt oder denkt. Mit Ausnahme von Rädern, die auch Federgabeln unterbekommen.

Die Kabel / Bremsleitungen werden komplett intern geführt. Dafür werden entsprechende Enve Vorbauten benötigt. Diese sind aber ohnehin Teil des Rahmensets. Enve verkauft das MOG als „Chassis“ und versteht darunter das Set aus Rahmen, Gabel, Sattelstütze, Vorbau und Lenker.

Die Geometrie ist spannend und auf der agileren und rennorientierteren Seite. Klasse, dass Enve 50 mm Reifen bei 700c bei sehr kurzen 420 mm Kettenstreben unterbekommt. Und das ohne tiefergezogene oder gebogene Ansätze am Tretlager. Sehr gut finde ich auch, das in der Geometrie-Tabelle die resultierenden Tretlagerhöhen, Überstandshöhen und der Gabelnachlauf jeweils für 35, 40, 44 und 50 mm Reifenbreite angegeben werden. Mir gefällt es. Würde gerne mal eines Probefahren.

Factor OSTRO Gravel

https://factorbikes.com/bikes/ostro-gravel
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 900 g für den Rahmen
Max Reifenbreite für 700C: 45 mm

Mein Verdikt:
Ein komplett auf Aero ausgelegtes Race Gravelbike und dabei trotzdem ein sehr gutes leichtes Rahmengewicht. Ausschauen tut es auch sehr gut und schnell schon im Stand. Das lässt sich Factor auch gut bezahlen – aber die Werte stimmen. Die Geometrie passt auch. Steile Sitz- und Lenkwinkel, bis Größe 54 sehr kurze 420 mm Kettenstreben – so möchte man ein agiles Gravelbike haben. Was sich auch sehr vielversprechend liest: „Wir haben aufgrund dem Fokus des Rades auf Racing einen Nachlaufwert auf der etwas agileren Seite für den Gravel-Einsatz gewählt. Dabei haben wir den Steuerrohrwinkel bei der Auswahl des Gabelnachlaufs priorisiert. Daas führt zu einem sich agil steuernden Gravel-Bike auf 43 mm Reifen wie auch einer genauso zufriedenstellend präzisen All-Road Maschine auf 32 mm Reifen. Ohne Wheel Flop bei langsamen Geschwindigkeiten“.

Genau so will ich’s eigentlich haben. Und genau das ist so schwierig beim Design solcher Räder und vor allen Dingen nahezu nicht übereinbringbar, wenn man die so neumodischen flacheren Steuerrohrwinkel zum Ansatz bringt. Einem Designtrend, der leider bei XC-Mountainbikes wie auch bei vielen Gravelbikes (die mit einigem Abstand hinterher laufen) weit verbreitet ist. Alles muss immer slacker werden, Oberrohre immer länger, Vorbauten kürzer… Alles der Downhill-Kapazität untergeordnet. Dabei leiden aber meist die anderen Fahr- und Handlingqualitäten enorm. Insbesondere, was z.B. den soeben erwähnten low speed Wheel Flop angeht. Von daher: wenn sich das Ostro Gravel auch so fährt, wie sich dieses Zitat liest – wunderbar!

45 mm Reifenbreite gehen für so ein Rad auch wirklich in Ordnung. Das kann ich als Race Gravelbike wie auch als Gravelbike als sinnvolle Größe nachvollziehen. Das heisst ja nicht, dass ich auch jedes Gravelrace damit bestreiten würde. Wie schon an vielen Stellen angeführt: Sehr oft sind 2,25″ Reifen und mindestens eine Frontfederung das weitaus wichtigere Element, um in einem Rennen effektiv schnell zu sein. Wichtiger, als ein aerodynamischer Rahmen alleine.

Das Factor Ostro Gravel wäre mit seiner Auslegung für mich aber auch bzw. eher (wie wirklich jedes andere gute Race Gravelbike) das Rad für auch die Straße! Das All-Road und das #fastfar Bike. Und ich hätte dann auch direkt einen Aerorahmen dazu.

Beim Lenker bzw. beim integrierten One-Piece-Cockpit wird die Sache etwas komplizierter. Zwar kann man das Ostro auch mit einem zweigeteilten, konventionellen Cockpit fahren – sehr viel gewinnt man (in Punkto Reisetauglichkeit) damit aber nicht. Obendrein kauft man das One-Piece-Cockpit wie auch die proprietäre Sattelstütze beim Rahmenset sowieso mit. Dieses Cockpit ist die schon oben im Kapitel zu den Integrierten Cockpits erwähnte Black Inc Integrated Aero Barstem with Extensions.

Diese ist gleichzeitig ein sehr guter wie auch ein typisch problematischer Vertreter ihrer Zunft. Sehr gut ist die Aerobar Integration gelöst. Der erste Pluspunkt ist schon mal, dass diese überhaupt möglich und mitgedacht ist! Der zweite Pluspunkt ist die Art und Weise. Hier sind zwei Löcher in der Basebar angeordnet, die man nahezu nicht sieht bzw. sogar komplett verstecken kann, wenn keine Aerobars montiert sind. Sie sind hinreichend breit auseinander angeordnet. Und sie können super low stack und rein mit 4 Schrauben (ohne weitere Hardware wie Schellen etc.) verwendet werden und lassen doch alle weiteren Optionen offen.

Leider versagt dieses Cockpit komplett in den Forderungen Preis-Leistung und auch der integrierten Kabelführung was das Kriterium der möglichen Demontage des Cockpits ohne Auftrennen der Leitungen angeht. D.h. Verreisen ist mit dem Rad schwerlich möglich. Jedenfalls nicht dann, wenn man es dafür in einen normalen Radkoffer, einen Radkarton oder in eine Tasche für die Zugreise verpacken muss.

Wenn ihr das Rad aber immer nur daheim einsetzt oder es mit dem Auto zu Rennen oder Touren mitnehmen wollt. Oder ihr euch für eine Standort-Reise (z.B. den Flug zu einer Veranstaltungsdestination und wieder zurück) einen besonderen Rad-Transportkoffer oder eine -Tasche mit Volumen für angesetzten Lenker kaufen wollt (z.B. so etwas wie eine Scicon Aerocomfort 3.0), dann könnte das Factor Ostro Gravel etwas für euch sein. Insbesondere, wenn ihr auf einen aerodynamischen Rahmen Wert legt.

Fara F/Gravel

https://faracycling.com/bike-fara-gravel.php
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkte an der Gabel
Pro: Schutzblechmontagemöglichkeit
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 1.050 g für den Rahmen
Max Reifenbreite für 700C: 50 mm

Fara ist ein kleiner, unabhängiger Hersteller aus Norwegen. Schon seit einiger Zeit auf meinem Radar, haben sie nun im vorletzten und besonders letzten Jahr ihr Gravel (und Social Media bzw. Event-Engagement) mit der einen oder anderen Ambassador:in und jetzt auch dem Sponsoring von Events verstärkt. So ist man Partner bei MotherNorth und jetzt auch beim Transcontinental No 10. Hier wird der Gründer Jeff Wegg, der sonst auch andere Rennen mit seinen eigenen Rädern bestreitet, auch selbst am Start stehen. Weiterhin unterstützt Fara auch die Grevet-Serie (Veranstalter von Gravel-Brevets in Deutschland und Österreich). All das um zu sagen, wenn ihr euch im Gravelsektor bewegt, habt ihr mindestens dieses Jahr (und vielleicht zum ersten Mal) etwas von Fara gehört oder gelesen.

Neben ihrem Gravelbike, dem Fara F/Gravel, um das es hier geht, stellen sie auch noch ein Allroad- und ein reines Straßenrennradmodell her.

Wer ein solches Fara mal persönlich in Augenschein und auf eine Probefahrt nehmen möchte, der kann das in Deutschland im Veloroo Cycling Hub Berlin und München tun.

Hier geht es im Folgenden um das Gravelbike. Mit seinem normalen Lenker. Aber auch um das brandneu in der letzten Woche vorgestellte Fara Modular Cockpit. Welches optional mit allen drei Radmodellen von Fara, aber auch Rädern anderer Hersteller, eingesetzt werden kann.

Das Fara F/Gravel war meines Wissens das erste Rad, das integrierte Taschen vorgesehen hatte, die mittels Fidlock-System (weitgehend) Riemenlos befestigt werden. Das meinte ich mit „auf dem Radar haben“. Erste Konzeptskizzen sahen noch gleichermaßen in Teilen wüst und in anderen Teilen schon aus der Perspektive und Geometrie offensichtlich als nicht machbar aus. Es dauerte dann auch eine Weile, bis wir das Rad und die Taschen (sie kommen vom Taschenhersteller Rosswheel) in fertiger Form sehen konnten. Und – nun ja… So ganz überzeugt mich das System nicht. Anders als beim Canyon Grail v2 und nochmals deutlich vollständiger beim neuen Rose Backroad FF, die beide auch auf per Fidlock-System funktionieren, aber auch noch übergreifende Außenlaschen besitzen, die die systembedingten Abstände zwischen Taschenaußenkanten und Rahmen visuell und aerodynamisch abdecken, steht hier alles offen. Und offenbart recht große Abstände zwischen Tasche und Rahmen. Das liegt jetzt an Euch, ob ihr eher solche großen Abstände oder eher Riemen als visuell ästhetischer empfindet. Bei der Satteltasche zeigt sich obendrein, dass hier das Konzept auch dort durchgezogen wurde, wo es noch weniger Sinn macht. An der Wurzel der Satteltasche, dort wo sie an der Sattelstütze anliegt. Hier gibt’s auch ein Fidlock. Für das ein Extra-Band-Connector beigelegt wird…

Ob die Taschen euren Ansprüchen entsprechen oder oder ihr eine Tasche eines anderen Herstellers bevorzugt, kann ich auch nicht sagen. Ich weis aber, dass ich gewisse Vorbehalte dahingehend habe, dass sowohl ich selbst (ungewollt) oder ein Bösewicht (gewollt und während das Rad vor dem Supermarkt steht), einfach mit einem Handgriff die Tasche ausklippst und mitnimmt. Und ich weiss dass mir die großen Lücken zwischen Rahmentasche und Rahmen nicht behagen.

Alles in allem finde ich das System trotzdem positiv. Denn: ihr müsst die Taschen ja nicht mitkaufen und ihr müsst auch keine Fidlock-Monagepunkte in die Schraublöcher einsetzen. Statt dessen kann man sie ja dafür verwenden, andere Customtaschen richtig und näher an den Rohren zu verschrauben.

Mein Verdikt:
Der Rahmen selbst erscheint mir positiv konventionell. Klassische Rundrohr-Sattelstützen-Aufnahme, eine Möglichkeit der Vollintegration der Kabel und Züge über das Steuerlager und vor allen Dingen vergleichsweise straßennahe Sitzrohr- und Steuerrohrwinkel. Das finde ich viel besser als die zahlreichen Versuche anderer Hersteller, dem Trend nach immer mehr „Slack“, also immer flacheren Lenkwinkeln nachzujagen. Im mehr Schlecht als Rechten Versuch, ein Gravelrad mit bewusst begrenzten Reifenbreiten und bewusst ohne Federung (es ist halt kein Mountainbike) etwas mehr Sicherheitsgefühl auf schnellen, ruppigeren Abfahrten zu geben. Mit Nachteilen überall woanders, wo ein Gravelbike ja seine eigenen Qualitäten hat. Nicht falsch verstehen: Geschickt in ein Gesamtkonzept verpackt, kann auch das Sinn machen. Aber halt nicht immer und nicht für jeden.

Vom Rahmendesign her gesehen, bzw. seiner Silhouette… Das ist ja immer recht individuell und subtil. Kleine Unterschiede hinsichtlich Rohrverjüngung hier, Proportion sich treffender Sitzstreben und Sitzrohr da und… ein Rahmen spricht dich super an und der andere lässt dich völlig kalt oder gefällt sogar weniger. Beim Fara F/Gravel ist es für mich leider das letztere. Aber das kann für euch ja anders aussehen.

Das Fara Modular Cockpit:

Brandneu letzte Woche vorgestellt, könnt ihr euch die neue Lenker-Vorbau-Einheit von Fara hier auf der Fara-Webseite anschauen. Mit seinem Y- bzw. V-förmigen Vorbau hat es Ähnlichkeiten zum Aerocockpit des Cervélo S5.

Es wurde (nicht nur) für Ultracycling und Komfort sowie gewisser Anpassparkeit und dem optionalen Einsatz von Aerobars entwickelt. Und es ist nicht für die drei Rad-Plattformen von Fara (Gravel, All-Road und Straße) gedacht, sondern kann auch an jedem anderen Rad mit einem Standard 28.6 mm bzw. 1-1/8″ Gabelschaft verwendet werden.

Mit dem Fara-Rädern kann man es auch mit voller Integration der Züge vom Schalt-/Bremsgriff bis in den Rahmen hinein benutzen. Gleiches gilt für Fahrräder, die das sogenannte Token Cablebox Headset System verwenden. An anderen Rädern kann man aber auch die Züge ganz normal verlaufen lassen. Was unter dem Aspekt Reisetauglichkeit wahrscheinlich die einzig sinnvolle Wahl darstellt.

Ich habe das Fara Modular Cockpit ja schon eingangs im Kapitel zu One-Piece-Cockpits mehrfach erwähnt. Prüfen wir es mal genauer gegen mein Lastenheft ab und schauen es uns im Einzelnen an.

Integrierte Kabelführung gerne, aber offen:
Fail. Nun ja, teilweise. Ich bin ja nicht gezwungen, die Züge schon im Lenker integriert verlaufen zu lassen. Wenn ich das aber möchte, geht das nicht durch unten offene Kabelkanäle, sondern ich muss die Kabel wirklich innen durch den Lenker pfriemeln. Zudem wird es am Übergang zwischen dem Vorbau-Teil und dem Lenkeroberteil sehr kniffelig.

hinreichende Anzahl an Größen-Variationen in Breite und (Vorbau-)Länge:
Sehr gut. Es gibt 4 Breiten zur Auswahl (37, 40, 42 und 44 cm – jeweils an den Hoods gemessen) und das es gibt 3 Vorbauten, die sich in jeweils 2 Positionen mit 10 mm Längendifferenz mit dem Lenkeroberteil verschrauben lassen. Das ergibt 6 Vorbaulängen von 80 bis 130 mm in 10 mm Schritten. Insgesamt sind das also volle 24 individuelle wählbare Varianten. Besser noch – der Käufer hat direkt immer zwei Vorbaulängen in Einem und kann zwischen diesen auch wechseln, wenn ihm danach ist. Vermutlich weniger sinnvoll mitten in einer Ausfahrt. Aber durchaus daheim, wenn man feststellt doch besser 10 mm länger oder kürzer sitzen zu wollen.

Aerobar-Montagemöglichkeit:
Ist gegeben und von Anfang an mitgedacht. Soweit, so gut. Das Kit (für 350 Euro) umfasst die Extensions selbst und die Armrest Cups, die man in links/rechts Ausrichtung um +-30 mm und nach vorn und hinten um +-50 mm anpassen kann. Man kann sie auch leicht horizontal eindrehen (+- 5°).
Die Standard-Bauhöhe über dem Lenker beträgt 10 mm, man kann aber auch 20, 30 oder 40 mm Rise fahren. Hierfür liegt ein Set von 20 und 40 mm Spacern bei. Natürlich sind auch die Polster und die Montageschrauben inkludiert.

In den Fotos auf der Webseite sind die Extensions sehr eng zusammenliegend montiert. Ihr könnt sie auch (und das wäre meine bevorzugte Variante) weiter auseinander montieren, indem die Schellen umgedreht auf den Risern montiert werden.

Vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis:
Volle 749 Euro ruft Fara für das Cockpit alleine auf. Möchte man Aerobars haben, kosten die nochmal 350 Euro obendrauf. Hier im Vergleich zu einer konventionellen Kombination aus separatem Vorbau und Lenker einen Mehrwert oder überhaupt Anreiz der Anschaffung zu finden, fällt schwer.

Aus der Webseite geht es nicht eindeutig hervor, durch Nachfragen im Kundenchat wurde es aber bestätigt, dass man für die Option der vollintegrierten Kabelführung nochmals weitere 269 Euro für das „FARA/CeramicSpeed SLT Full Integrated Cable Routing Headset“ ausgeben muss. Immerhin kommt das mit keramischen Lagern (deren Sinnhaftigkeit aber ein gesondertes Thema ist). Hier sprechen wir also von mindestens 1018 Euro für das Nachrüsten dieses Cockpits an einem Fara Rad oder einem Rad mit Token Box System, wenn es ein vollintegriertes Cockpit sein soll. 1368 Euro mit Aerobars… Kein weiterer Kommentar.

Dieser Punkt des Lastenhefts: klar gerissen!

Immerhin, ein positiver Punkt, der viel besser als heutzutage bei Rose (und bei Canyon sowieso) ist: ihr könnt im Konfigurator eures Fara Rades direkt festlegen, ob ihr einen normalen Lenker oder das modular Cockpit haben wollt und ihr könnt auch unabhängig von der Rahmengröße des Rades genau die Variante wählen, die ihr vom Fleck weg haben wollt.

Soweit zum Lastenheft. Wie steht es generell um die Form und die Features des Cockpits?
Optisch – von der visuellen Gefälligkeit und der erwarteten Ergonomie her – schaut für mich der reine Lenkerteil gut aus. Ähnlich wie beim Cockpit des neuen Canyon Grail v2 (und im Gegensatz zum Cockpit des neuen Rose Backroad FF) sinken die Außenbereiche des Basislenkers zu den Bügeln / den Drops hin ab. Sie haben auch einen sehr betonten, ja geradezu extremen Backsweep. Ein solcher wird ab und an (oder fast immer) damit begründet, dass man so eine neutralere Ausrichtung des Handgelenkes erhält. Allein… das passt nicht. Typische Rennradlenker und auch dieses Cockpit sind bei weitem nicht breit genug, als dass ich im Oberlenker so weit auseinander greife, um eine neutrale Handgelenksausrichtung zu erhalten. Im Gegenteil, ich muss mein Handgelenk sogar noch mehr als bei einem komplett geraden Oberlenker einknicken. Möchte ich ein neutrales Handgelenk bei typischen Rennlenkerbreiten, muss der Oberlenker einen Frontsweep aufweisen. Wie es manche Vision-Cockpits aufweisen.

Nun kann diese Lenkerform ja trotzdem als angenehm empfunden werden. Schließlich kann man seine Hände auf dem Oberlenker ganz unterschiedlich ruhen lassen. „Ruhen lassen“ ist dabei ein wichtiges Stichwort. Denn die Griffposition auf den Tops ist zwar nicht unwichtig, aber doch die unwichtigste von allen. Bzw. die, bei der man am wenigsten „Zug“ oder Last in den Lenker einträgt. Meistens fährt man beim entspannten bis semi-zügigen Klettern auf den Tops bzw. auf dem Oberlenker. Wenn man wirklich „am Horn zieht“, dann macht man das in den Hoods.

Dieser sehr betonte Backsweep kann ein weiteres latentes Problem mit sich bringen – eine eher betonte „Ecke“ beim Übergang in die oberen Drops. Ist die zu betont und zu eng, dann schränkt sie die Bewegungsfreiheit der Unterarme ein, wenn man in den Drops greift. Aber hier scheint es noch so zu sein, dass der Übergang auf der Außenseite kaum (wenn überhaupt) schärfer als bei normalen Lenkern ohne ein so betontes Backsweep ist.

Die weiteren Parameter mit 75 mm Reach und 125 mm Drop erscheinen im guten Durchschnitt für einen angenehmen, modernen Rennlenker. Moderate 8° Flare sind ein gutes und glücklicherweise nicht überzogenes Maß.

450 g gibt Fara als Gewicht an. Das ist jetzt keine Offenbarung. Als Beweggrund für die Integration oder gar für das Preisschild kommt es nicht in Frage. Selbst mit Aluminum-Standard-Bauteilen kann man das unterbieten. Beispielsweise wiegt die Kombination eines 100 mm Zipp Service Course Alu-Vorbaus (159 g) und eines Zipp Service Course SL-70 Alu-Lenkers in 40 cm Breite (279 g) nur 438 g. Und kostet 137 Euro in der Summe.

Wird das Fara Modular Cockpit aerodynamischer sein? Mit integrierten Zügen wahrscheinlich ein klein wenig. Obgleich es sicher nicht das aerodynamischste integrierte Cockpit auf dem Markt sein wird. Ich denke, das Hauptargument ist die Ergonomie. Die man sicherlich genauso gut mit einem zweigeteilten Cockpit herstellen kann. Aber – wenn euch der Lenker beim Anfassen so richtig gut gefällt und überzeugt… und ihr die Aerobars schön einfach auf- und abschrauben können wollt (ohne separate Schellen)… Vielleicht ist er es euch ja Wert? Ihr müsst allerdings auch die Formgebung des Y-förmigen Vorbaus mögen. Und zwar so richtig. Über 1000 Euro richtig…

Für mich ist das Fara Modular Cockpit nichts. Die Formgebung des Vorbaus holt mich nicht ab, die integrierte Zugführung ist die schlechtest vorstellbare (komplett innen und recht verwinkelt) und Preis-Leistung ist nicht gegeben.

Giant Revolt

https://www.giant-bicycles.com/de/revolt
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Schutzblechmontage möglich
Pro: Gabel mit Montagepunkten (aber nur zwei anstelle der weitverbreiteten Drei-Punkt-Aufnahmen)
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 45 bzw. 53 mm (je nach Flip Chip Orientierung)

Mein Verdikt:
Das Revolt musste etwas an mir wachsen. Wie das ja so ist mit den subtilen Unterschieden in Fahrradrahmen – da bleibt die Silhouette sehr ähnlich, aber trotzdem funktionieren jetzt plötzlich die Formen, Übergänge, Kanten und Proportionen visuell beim 2022 neu aufgelegten Giant Revolt für mich. Obgleich sie eher extremer geworden sind. Nach wie vor ein signifikant gesloptes Oberrohr (was ich generell immer gut finde – von optimaler Überstandshöhe, visuell und komfortmäßig guter Sattelstützenlänge und vernünftiger Stackhöhe ohne benötigten Spacerturm her) und nochmals dünnere, aber wie zu vor schon tief angesetzte Sitzstreben finden sich da.

Auch die Geometrie-Anpassungen gehen für mich in die richtige Richtung. Und zwar nicht dem leidigen Graveltrend folgend (der sich glücklicherweise eher selten in den von mir hier ausgewählten Gravelbikes findet), mit überbreiten Lenkern und immer flacheren Lenkwinkeln zu versuchen, einem Gravelbike Downhillbike Qualitäten zu verschaffen, sondern durch eine Absenkung des Tretlagers um 10 mm. Diese beträgt jetzt 80mm, was am oberen und agileren und besseren Kurven-Gefühl Ende des Spektrums von Gravelbikes ist. Hier gibt es zwei Schulen: Immer geringer (70 mm und gar weniger) – was ein höher über dem Boden liegendes Tretlager bedeutet. Damit sitzt ihr aber höher, euer Schwerpunkt ist höher, ihr fühlt euch eher auf dem Rad statt in dem Rad. Eigentlich ist das der Agilität und dem Kurvengefühl immer abträglich. Warum macht man das dann überhaupt? Bei Fixed Gear und Bahnfahrrädern macht man das, damit man auch durch enge Kurven pedalieren kann. Weil man es da muss und weil sonst das kurveninnere Pedal aufsetzen kann. Bei Mountainbikes macht man das, um etwas mehr Luft auch wieder für die Pedale und auch für das Kettenblatt zu haben, wenn man über eine Stufe, einen Felsbrocken oder einen dicken Ast rollt und vielleicht sogar noch die Front zusätzlich tief in die Federung eintaucht.

Braucht man das bei einem Gravelbike? Wollt ihr damit schnell #onRoadoffRoadRepeat fahren, eins mit dem Rad sein, gutes Kurvengefühl haben? Oder seht ihr euch damit 100 % euer Zeit in Rock Gardens und über verblockte Trails fahren? Japp – dachte ich mir… Ergo: die Tretlagerabsenkung (Bottom Bracket Drop) sollte eher hoch sein. Bzw. die Tretlagerhöhe eher niedrig (das Maß der Tretlagerhöhe ist eigentlich das relevante Maß die „Bodenfreiheit“, hängt aber von den gefahrenen Reifenbreiten und natürlich Laufradgrößen ab und wird daher seltener angegeben).

D.h. Giant macht es hier für ein Gravelbike richtig. Auch der Steuerwinkel wurde wieder etwas steiler gemacht. Er ist jetzt bei 71,0° für Rahmengröße S und 71.5° für Größe M. Kudos, Giant.

Ein weiteres sehr cooles Detail ist das hintere Flip Chip Ausfallende. Das hat zwei Einstellungen. In der kurzen beträgt die Kettenstrebenlänge 425 mm und die maximale Reifenbreite sind sehr gute 47 mm. Und in der langen wächst die Kettenstrebenlänge um 10 mm auf 435 mm und die maximale Reifenbreite auf (für ein Gravelbike riesige) 53 mm.

Und noch ein interessantes Detail (oder soll man es schon over-engineered nennen?) ist die Sattelstütze bzw. deren Aufnahme. Giant verwendet schon seit vielen Jahren ihre sogenannte D-Fuse Technologie an den Sattelstützen. Das soll durch einen D-förmigen Querschnitt der Sattelstütze mehr Komfort durch besseren Flex ermöglichen. Funktioniert leidlich bis unauffällig – ich hatte eine solche Sattelstütze an meinem alten Giant TCX Pro Advanced Crossbike. Am Ende ist sie aber natürlich proprietär und man kann halt keine x-beliebige andere, runde Sattelstütze einsetzen. Kann man nicht? Doch, kann man jetzt beim Revolt. Giant schreibt: „Das neue Rahmendesign ermöglicht den Wechsel von der patentierten D-Fuse-Sattelstütze auf eine runde 30,9-mm-Standardsattelstütze. So können die Fahrer je nach Fahrstil und Gelände jede Art von Sattelstütze wählen, auch eine Dropper-Sattelstütze.“ Das ist – auch unabhängig von der Dropperpost-Fähigkeit, sehr interessant. Ruft bei mir aber auch Fragezeichen hervor. Wie ist das genau gelöst? Ist da eine Adapterhülse im Rahmen? Oder vermutlich hat man die Wahl aus zwei Klemmkeilen (einen für runde, einen für D-förmige Sattelstützen)? Können die knarzen, rutschen, das Fixieren der Sattelstütze verkomplizieren? Wenn nicht im Neuzustand oder solange ein typischer, oberflächlicher Radmagazin-Test dauert, aber auf lange Sicht oder wenn Staub und Dreck reinkommt? Leider habe ich dazu bisher weder in besagten Radmagazin-Tests noch auf der Giant-Seite Detailinformationen oder Fotos gefunden.

Federgabel optional und nur mit speziellem Rahmen: Seit Herbst 2023 bietet Giant zusätzlich eine Revolt X genannte Rahmenversion in derzeit drei Ausstattungsvarianten an. Dieser Rahmen ist nur noch 1x fähig (warum nur, Giant, warum!?) und er hat eine leicht angepasste Geometrie (und Abmessungen, z.B. in der Steuerrohrlänge), um eine Federgabel mit 40 mm Federweg unterzubekommen. Dazu wurde auch der Steuerwinkel ganz leicht reduziert (aber nur ein halbes Grad, puh) und die zuvor hochgelobte Tretlagerabsenkung ebenfalls vermindert. Und zwar signifikant auf nur noch 68 bzw. 69 mm (je nach Flip Chip Orientierung). Das Revolt X wird so zu einem Mini Mountainbike. Meine Gedanken dazu: wenn ich jetzt für eine 40 mm Federgabel extra einen speziellen Rahmen brauche – warum soll ich mir dieses Rad und nicht ein „richtiges“ Mountainbike kaufen? Bzw. ein ordentliches Dropbar-MTB aufbauen, welches dann direkt auch schnelle und gleichzeitig robuste XC-MTB-Reifen unter bekommt wie auch mit 100 mm Federweg aus dem ohnehin erforderlichen Mehrgewicht einer Federgabel dann wesentlich mehr Komfort und Geländefähigkeiten herausholt?

Das Revolt X ist daher eine Modellversion, deren Kauf man genau abwägen sollte. Aber vielleicht ist das ja genau das Rad, dass euch den richtigen Fahrspaß bringt? Wahrscheinlich sogar mehr als andere Gravelbikes, wenn ihr wirklich fast ständig off-road und in x-beliebigen deutschen Mittelgebirgswäldern unterwegs sein wollt. Und wenn ihr euch dazu kein eigenes Dropbar-MTB aufbauen möchtet oder könnt.

Wenn ihr allerdings ein typisches Gravelbike für #onRoadoffRoadRepeat und als Allrounder auch als Allroad und gar Rennrad-Einsatz haben wollt, dann schaut euch lieber das normale Giant Revolt an. Das ist mit seinen bis zu 53 mm Reifenfreiheit immer noch mehr off-road gängig als manch anderes Gravelbike, wird auch oft als sehr komfortabel beschrieben und hat viele interessante Details. Einziger Nachteil – es ist nicht UDH-Dropout-Kompatibel.

Merida Silex

https://www.merida-bikes.com/de-de/bikefinder/tag/silex-48/
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: Montagepunkte unter dem Oberrohr
Pro: Schutzblechmontage möglich
Pro: Gabel mit Montagepunkten und interner Dynamo-Kabelführung
Pro: 1x und 2x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 45 mm

Mein Verdikt:
Das Rad des aktuellen Weltmeisters Matej Mohorič. Auf diesem Bike hat er im Oktober 2023 in Pieve di Soligo gewonnen. Da war das Rad noch gar nicht offiziell vorgestellt.

Wie verwischt die Grenzen jeglicher Gravelkategorie immer noch sind und wohl zwangsläufig bleiben müssen, zeigt sich in der Bezeichnung, die Merida dem Silex gibt. Für sie ist es ihr Gravel-Adventure-Bike. Wie man sieht, kann man trotzdem eine UCI-Gravelweltmeisterschaft, und zwar eine, die den Namen „Gravel“ verdient hat, damit gewinnen. Warum auch nicht? Drei schön vertieft und bei Nichtgebrauch abgedeckte Montage-Ösen für Gepäck an der Gabel sind weder aerodynamisch noch sonstwie rasantem Vortrieb abträglich. Ebensowenig sind die zwei zusätzlichen Montagepunkte unter dem Unterrohr oder die interne Kabelführung für einen Nabendynamo in der Gabel diesem Anspruch oder einer sauberen und eleganten Optik abträglich. Und in der Glossy-Metallic-Lackierung des Silex 10K Topmodells ist das für mich ein nicht nur optisch sehr ansprechendes Rad. Wer will, kann sogar eine Dropper-Post installieren.

Ok – in der Summe aller Möglichkeiten ist die Klassifikation als „Adventure Gravel“ doch gar nicht verkehrt. Was mit Blick auf das Rennpedigree zeigt: Die Kategorie mag das eine sein – was man damit macht ist wieder ein anderes. Doch obacht – mit 45 mm Reifenbreite sind den wirklichen Abenteuern dann doch eher Grenzen gesetzt. Zumindest wenn man diese wirklich zu 100 % off-road bestreiten will. Da ist man mit mehr Reifenbreite (wenn nicht gar mit einem Mountainbike) dann doch besser aufgestellt. So scheint mir das Merida Silex im besten Sinne ein richtiges Gravel-Bike zu sein. Nicht Race, nicht Adventure, sondern beides. Ein schnittiger Allrounder, wie es ja eigentlich auch die Definition des Gravel-Genres an sich ist.

Die Geometrie hat sich Merida leider bei Mountainbikes abgeschaut. Ein eher steiler Sitzrohrwinkel (top) steht einem längeren Oberrohr und Reach und einem etwas flacheren Lenkwinkel (69.5° und das über alle Rahmengrößen) gegenüber. Das kann funktionieren. Mein Canyon Exceed Hardtail hat jeweils einen halben Grad steileren Sitzrohrwinkel und einen sogar flacheren Lenkwinkel (69 °). Und es fährt und lenkt sich brilliant. Mit Flatbars wie mit Dropbars. Aber – durch die Federgabel und den Sag, den ich damit fahre, steilt sich meine Front da noch etwas auf. Das alles soll nur ein weiteres Mal betonen: man kann schon viel von den Geometrie-Daten ablesen (vor allem wenn man noch auf den Trail etc. schaut), aber am Ende muss man sich doch auf das entsprechende Rad draufsetzen und es Probe fahren. Beim Silex würde ich das bei Gelegenheit gerne mal tun. Shortlist-Material.

Prova Mostro Integrale

https://www.provacycles.com/
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro/Contra: alles an Montagepunkten machbar, was ihr wollt (Custom)
Pro: Montagepunkte an der Gabel
Pro: 1x- und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: keine Angabe

Leider kann ich zum Prova nicht viel an Daten anführen. Das liegt zum einen daran, dass es eine sehr neue Modell-Variante des kleinen, aber sehr feinen Herstellers Prova aus Australien ist und zum zweiten daran, dass auch für die bestehenden Modell-Linien kaum „harte Fakten“ auf der Webseite verfügbar sind. Um nicht zu sagen – diese ist sehr dünn, was den Informationsgehalt angeht. Fairerweise gibt es aber z.B. zu den Geometrien auch wenig zu sagen. Denn hier ist alles Custom! Steuerrohrwinkel, BB Drop usw… was im Rahmen des Einsatzbereiches und der gewünschten Reifenbreite machbar ist, wird gemacht.

Warum führe ich Prova dann hier auf? Ich finde deren Titan-Bikes und Aufbauten traumhaft! Und während ich zwar durchaus gerne ein wirklich gelungenes und heiß gestaltetes Carbon-Aero-Road und Gravelbike hätte – so 100 % „Shut up and take my Money“ sehe ich schon seit Jahren nicht wirklich eines. Das ist die subjektive Haben-Wollen und die objektive Technische Features Seite. Die andere Seite sind die Preise, die Marken wie BMC, Specialized, Trek und andere für ihre Topmodelle haben wollen. Diese stehen seit Jahren und ganz unabhängig von Covid und Co in keinem Verhältnis mehr. Da ist ein Custom-Titan-Rad selbst von den Stars in der Szene – wie No 22 Bicycles, von denen ich ja mein Drifter habe, oder wie Prova hier – ein regelrechtes Schnäppchen! Und es ist individuell und kann genau die richtige Geometrie aufweisen. Viel schwerer als die Topmodelle der genannten Marken muss es auch gar nicht sein. Ist dabei robuster und die Aerodynamik, die wird am Ende doch im überwiegenden Maße von der Fahrer:in und der Position auf dem Rad bestimmt. Und da kommt es auch wieder darauf an, wie gut ihr auf dem Rad sitzen könnt. Beste Vorraussetzungen für ein Custom-Rad.

Prova ist aber nicht einfach nur irgendein Custom-Hersteller, den ich hier beispielhaft aufführe. Nein – es ist ganz bewusst Prova und kein anderer. Es gäbe in England ja z.B. auch noch Sturdy, die ganz ähnliche Expertise und Experimentierfreudigkeit im Bereich individuellen 3D-gedruckten Designs aufweisen. Die in Teilen auch supergeniale Designs machen (auch Kurbeln, Kettenblätter) wo mir aber andere Detaillösung gar nicht gefallen. Am wenigsten deren integrierte Lenker-Einheit und der Vorbaukopf. Und es gibt viele weitere kleine Hersteller bis One-Man-Shows, die feine Einzelstücke bauen. Aber eben nur das – immer nur Einzelstücke. So kann man zwar Expertise in tollem Finish entwickeln, aber keine Modell-Linie schaffen, die iterativ immer besser wird, bis wirklich alles passt. Ich habe da mehr Vertrauen in Custom-Rahmenbauer, die wirkliche Modell-Linien haben und diese auch in einiger Stückzahl produzieren und damit (auch aus dem Kundenfeedback) lernen können. So wie Prova. Gut – am Ende ist es leider immer noch ein Wagnis, wenn man ein solches Rad vorher nicht Probefahren kann. Einzige mir sinnvoll erscheinende Lösung: man muss ein Rad von der Stange finden, dessen Geometrie und Fahrverhalten einem 100 % zusagt. Und genau diese Geometrie (angepasst nur in nicht das Fahrverhalten beeinflussenden Details wie Überstandshöhe etc.) lässt man sich dann aufbauen.

Ok, zum Mostro Integrale… Was ist es? Eine Kombination zweier Modell-Linien von Prova. Das normale Mostro ist deren Gravelbike. Mit 50 mm Reifenfreiheit. Anscheinend leider nur für 1x-Antriebe gedacht. Mit einem typischen Rahmengewicht von 1500 – 1600 g. Das Integrale ist Provas Interpretation eines Rennrades mit komplett integrierter Zugführung und super sauberer Ästhetik. Mit einem speziellem Steuerrohr mit 3D-gedrucktem oberen Bereich. Speziell auf das ENVE-integrated Stem System ausgelegt. Es hat auch einen integrierten Seat-Mast. Und 3D gedruckte Ausfallenden. Das Mostro Integrale verbindet beide Konzepte. Ist 1x und 2x fähig, hat UDH-kompatible Dropouts und sieht toll aus. Der Integrierte Sitzdom… muss man schauen, ob das ok ist. Vielleicht kann man sich auch ein normales Sitzrohr verbauen lassen. Zur Reifenfreiheit habe ich noch nichts gefunden. Ich würde mal sagen, 45 mm sollten mindestens problemlos drin sein. Im Hinblick auf die integrierte Zugführung gilt alles, was auch für z.B. das Enve MOG gilt. Durch die Vollintegration ist die selbst bei der Verwendung von separaten Vorbau und Lenker (das bietet Enve parallel zu einteiligen Lenker-Vorbau-Kombinationen an) erforderliche Zugführung im Vorbau selbst ein Problem für die Reisetauglichkeit. Immerhin kann damit im Prinzip jeder gewünschte Lenker verbaut werden. In der Praxis muss es aber mindestens ein Lenker sein, der die Züge / Bremsleitungen ebenfalls innen führt und ein Loch da vorsieht, wo sie dann in den Vorbau laufen müssen. Aber wenigsten bekommt man so Clip-On Aerobars montiert.

Mein Verdikt:
Schon super, super schick. Aber leider mit Problemen bei der Reisetauglichkeit. Also immer mit dem Auto oder mit Scicon Aerocomvort 3.0 Road Bike Travel Bag oder dem Evoc Road Bike Bag Pro verreisen? Blöd nur, dass das für typische Reisen zu einem Bikepacking-Event Startort oder von einem Zielort meistens nicht in Frage kommt. Und diese Taschen außerdem sündteuer sind. Vielleicht doch lieber auf einen anderen Hersteller von Custombikes oder einem angepassten Mostro ausweichen. Bzw. Prova herausfordern: mach‘ mir bitte so einen coolen Steuerrohr- und Vorbau-Übergang, aber mit reisetauglichem Zugriff auf die Bremsleitungen (d.h. Lenker-Demontage jederzeit möglich).

Rose Backroad FF

https://www.rosebikes.de/fahrräder/gravel/race/backroad-ff
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkte für Clip-In-Rahmentasche
Pro: Aerodynamisch optimierte und exakt passende Halbrahmen- und Oberrohrtaschen (Fidlock-Montage) verfügbar
Pro: 1x und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 45 mm

Das Rose Backroad FF wurde ganz frisch letzte Woche (Anfang März 2024) vorgestellt. Gleichzeitig eröffnet Rose für sich damit eine „Race“ Kategorie in ihrem Gravelangebot. Das bisherige Backroad (in Carbon wie auch in Aluminium-Variante) bleibt weiterhin erhältlich. Und zwar in der „Adventure“ Kategorie, oder – mit Schutzblechen und Beleuchtung – in der „Everyday“ Kategorie.

Das neue Backroad FF soll also ein auf „Fast Forward“, d.h. auf performance-orientiertes Graveln ausgerichtetes Rad sein. Und damit u.a. attraktiv für reine Gravel-Racer, Privateers und Pros und solche, die es werden wollen. Oder für Leute, die einfach Spaß an einem agilen Gravelbike haben, damit auch schnell und behende über Asphalt bis zu Gravel sein wollen und vielleicht nicht alles das brauchen, was das normale Backroad so mitbringt.

Aber… wo liegen denn die Unterschiede und sind sie überhaupt relevant, signifikant oder wenigstens interessant?

Gewicht: Nicht das wesentlichste Kriterium. Aber hier könnte man ja vermuten, dass mit dem Verzicht auf diverse Montagepunkte (und der nötigen strukturellen Robustheit, die z.B. an der Gabel dafür beim normalen Backroad erwartet werden könnte) und der Ausrichtung auf Performance da ordentlich was am Carbon-Layup angepasst wurde. Das scheint allerdings nicht im Design-Brief des Backroad FF gestanden zu haben. Dennoch: Im Vergleich wird für das neue Backroad FF ein Gesamtgewicht von 8,0 kg in der Sram Force XPLR Ausstattung und in Rahmengröße M angegeben. Beim normalen Backroad sind es 8,2 kg in gleicher Größe und Ausstattung. Immerhin 200 g gespart. Aber – daran würde ich die Entscheidung zwischen beiden Rädern absolut nicht festmachen. Zumal beider Räder Gewichte absolut konkurrenzfähig sind.

Rahmenform (Ästhetik und Aerodynamik): Auch hier: so mit halb-geschlossenen Augen und von der Silhouette her, tun sich nur geringe Unterschiede auf. Beide mit einer ähnlichen „Rose“ Designsprache, beide mit ungefähr in gleicher Höhe (tiefer) angesetzter Sitzstreben. Wobei das Backroad FF nicht mehr das beim Backroad als Komfort-fördernd ausgewiesene Cut-Out im Sitzrohr und damit eine längere potenzielle Flex-Strecke für die Sattelstütze aufweist. Und trotz dem Mehr an Montagepunkten, so z.B. an der Gabel, würde ich dem normalen Backroad keinesfalls fehlende Eleganz vorwerfen. In meinen Augen muss es da nicht ein neuer Rahmen und Verzicht auf 3 schön abgedeckte Löcher in der Gabel sein, um ein schickes Rad zu erhalten. Für mich persönlich herrscht hier ziemlicher Gleichstand. Aber ganz ohne Frage kommt das neue Backroad FF hier noch ein Stückchen eleganter als das bisherige Backroad daher.

Ist der neue Rahmen wenigstens wesentlich Aerodynamischer und bietet demnach handfeste Vorteile? Das soll so sein, es wird von Rose aber nicht beziffert. Meine Lesart dazu: Rose soll mittlerweile eine Person eingestellt haben, die sich Vollzeit um Aerodynamik-Optimierungen und entsprechende numerische Analysen kümmert und entsprechende Erkenntnisse sollen beim Rahmendesign eingeflossen sein. Ohne konkrete Angaben dazu dürfen wir aber erwarten, dass die Aerodynamik des Rahmens wenigstens nicht schlechter und im besten Fall ein klein wenig besser geworden ist. So oder so scheinen aber keine Größenordnungen erreicht worden zu sein, dass Rose daraus ein Verkaufsargument herstellen konnte oder wollte? Aber: jedes bisschen ist hier willkommen.

Kabelführung: vollintegriert. Und zwar sehr schön vertieft und doch offen durch die Unterseite des Lenkers geführt, so dass Montagemöglichkeiten (z.B. Lenkerwechsel) auch ohne Lösen z.B. der Bremsleitungen ermöglicht sind. Für mich ist hier der Gewinn immer Dreierlei: Cleane Optik, optimale Aerodynamik und keine störenden Kabel beim Anbringen diverser Taschen.

Rahmenform (Geometrie): Hier wird’s endlich interessant! Die zwei wesentlichsten Aspekte sind hier eher kurze Kettenstreben (nur 420 mm und damit 7 mm kürzer als beim normalen Backroad) und ein recht steiler Sitzrohrwinkel von 75,5 bzw. 75 Grad (in Größen S und M). Das ist vergleichsweise steil – nicht nur im Vergleich zu vielen anderen Gravelbikes, sondern auch zu vielen anderen Rennrädern. Nicht hingegen zu Mountainbikes, wo man das häufiger findet. Mit diesem etwas steileren Sitzwinkel bringt man das Fahrergewicht ein kleines bisschen nach vorn, was zu einer ausgewogeneren Gewichtsverteilung und potenziell etwas mehr Druck auf das Vorderrad und damit besseren Kurvengrip führt. Was gut ist. Ich sage potenziell, weil das immer noch vom Gesamt-Fit von Euch auf dem Rad abhängt und welche Sattelstütze (mit oder ohne Setback) ihr wählt, wo ihr den Sattel auf dieser Sattelstütze positioniert und wie lang ihr den Vorbau wählt.

Ich sage: dieser 75 Grad Sitzrohrwinkel ist tatsächlich die bessere Wahl, weil er euch mehr Optionen gibt. Zeitfahrräder haben einen nochmals steileren Sitzrohrwinkel. Warum? Damit kann man die Fahrer:in um das Tretlager als Drehpunkt nach vorne Rotieren, was sowohl den Hüftwinkel öffnet wie auch generell mehr Kraft beim Pedalieren ermöglichen kann. Verständlich, das man auch auf Rennrädern (nicht zuletzt im Profi-Peloton) sehr oft Sattelstützen mit 0 Setback (also komplett gerade, kein Versatz nach hinten) findet, wo zusätzlich noch die Sättel soweit nach vorn geschoben sind, wie es die Sattelstreben nur irgendwie zulassen (was mechanisch wie auch optisch nicht optimal ist). Mit einem etwas steileren Sitzrohr habt ihr da bessere Möglichkeiten. Ihr kommt damit entweder noch etwas weiter nach vorn oder ihr könnt jetzt doch wieder eine Sattelstütze mit Setback benutzen, die latent besser dämpfen kann (wenn sie so ausgelegt ist) und somit den Komfort steigert. Das Gegenteil ist aber auch der Fall: wenn euer Bikefit euch jetzt schon mit Setback-Sattelstütze und Sattel soweit als möglich zurückgeschoben so gerade noch passt, werdet ihr mit dem Backroad FF nicht glücklich werden.

Stack und Reach: Hier müsst ihr aufpassen. Rein nominell ist der Reach beim Backroad FF (für Größe S und 53) um 7 mm ggü. dem Backroad gewachsen und der Stack um 13 mm geschrumpft. Deutlich sportlicher und schlechter für euren Rücken, richtig? Falsch!

Beim Reach denkt an das soeben besprochene, steilere Sitzrohr. Der Reach wird vom Tretlager aus gemessen. Mit dem steileren Sitzrohr rückt ihr näher an das Tretlager. Ein einfacher Trigonometrievergleich zwischen 75 und 74 ° Sitzrohrwinkeln bei Sitzrohrhöhe von 500 mm ergibt: 138 zu 129 mm horizontale Differenz. Bedeutet: Anstelle 7 mm gestreckter zu sitzen, ist der gleiche Lenker beim Backroad FF sogar 2 mm näher an euch.

Beim Stack muss man das spezielle Design des neuen One-Piece-Cockpits des Backroad FF berücksichtigen. Das kommt mit eingebautem „Rise“ von „ca. 20 mm“. Sprich: wenn ihr das nicht in die Ecke werft (beide verfügbare FF Modelle sind damit ausgestattet) und einen normalen Lenker installiert, wächst der effektive Stack um diese 20 mm und ist damit… in der Tat ebenfalls höher als beim normalen Backroad. Vom konventionellen (und nicht ganz richtigen und zu sehr vereinfachten) Standpunkt aus ist also die Backroad FF Geometrie komfortabler als die des normalen Backroad ausgelegt! (Warum nicht ganz richtig: nun – ein tieferer Lenker ist nicht automatisch komfortabler oder besser. Das hängt vom Gesamtfitting ab und es kann sehr gut passieren, dass euch ein guter Fitter den Lenker tiefer setzt und ihr dadurch in den Schultern wesentlich entspannter fahren könnt).

Damit will ich euch nur die Sorge nehmen (und euch auch andere, oberflächliche Testberichte kritischer lesen lassen), dass das Backroad FF nichts für euch sondern nur für „Fitfucker“ etwas sein könnte. Mitnichten.

Aber: ob und wie abseits vom reinen Fit das Backroad FF auf Straße und Trail liegt, dass ist nochmal eine andere Geschichte. Hierzu müsst ihr euch (und ich mich) tatsächlich drauf setzen und es Probe fahren. Ich kann mir gut vorstellen, dass es mir gefällt. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es am Ende zwischen Backroad und Backroad FF gar nicht so einen großen Unterschied macht.

Lenker: Wo wir gerade beim Lenker sind. Rose nennt ihn „Gravel Race Cockpit“. Es ist ein neues Design und integriert Vorbau und Lenker in einer Einheit. Das kennen wir nun schon seit einigen Jahren von vielen Herstellern und es hat Vor- und Nachteile. Vorteile können (nicht müssen) in verbesserter Aerodynamik und in Gewicht liegen. Durchaus auch im optischen Erscheinungsbild. Ich habe hierzu bereits ausführlich ein ganzes Kapitel zum Thema integrierte Cockpits an den Anfang dieses Artikels gestellt. Nicht zuletzt durch das neue Rose Gravel Race Cockpit motiviert.

Welches mir optisch durchaus gefällt. Für mich überwiegen aber leider die Nachteile. Obgleich es einiges – leider nicht alles – richtig macht. Es bleibt ein weiteres proprietäres Bauteil im ewig proprietärer werdenden Rad-Design. Das hat seinen Preis. Nicht nur im monetären Sinn für den Kunden. Auch als Risiko-Position für den Produzenten (stets wachsende Einzelteil-Zahlen in der Lagerhaltung mit allen logistischen Problemen die in Zukauf, Produktion und Anlieferung, Einbau, Austausch etc. damit multipliziert werden). Sie schränken zum Nachteil des Kunden immer die Anpassbarkeit des Rades ein. Das man im Konfigurator bei den meisten Versenderrädern schon seit Jahren die Lenkerbreite nicht mehr passend für sich auswählen kann – unschön, aber geschenkt. Passt die Breite nicht oder habe ich eine Lieblingslenkerform, tausche ich daheim eben den Lenker aus. Bei einem OnePiece-Cockpit geht das nicht. Aber – das habe ich alles ja schon weiter oben dargelegt.

Wollt oder müsst ihr das Rose Gravel Race Cockpit nachkaufen (weil ihr eine andere Größe als von Rose für eure Rahmengröße vorgesehen benötigt oder weil ihr einen Crash hattet) kostet es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels (März 2024) 349,00 Euro. Es gibt es in 5 verschiedenen Varianten, was am Ende des Tages ziemlich schlecht ist. Immerhin scheint es sofort verfügbar, dass ist gut. Es gibt aber tatsächlich nur zwei Breiten zur Auswahl (38 und 40 cm) und für erstere nur 90 und 100 mm Vorbaulänge und für zweitere nur 100, 110 und 120 mm Vorbaulänge. 110 mm und 38 mm Breite (könnte mir vorstellen, dass ich die haben wollte): gibt’s nicht. Oder 90 mm und 40 cm (oder andere Breiten und und): Fehlanzeige?

Gut – irgendwo muss man auch die Kirche im Dorf lassen und kann nicht erwarten, dass ein Hersteller jetzt gleich 20 verschiedene Varianten eines solchen integrierten Cockpits auflegt. Kann man nicht? Kann man doch! Siehe die Besprechungen des Colnago C68 Gravel (16 Varianten des integrierten Cockpits) oder des brandneu vorgestellten Fara Modular Cockpits (24 Varianten) hier in diesem Artikel.

Für jetzt muss man einfach konstatieren, dass es in vielen Fällen (ironischerweise ja meist für die Vorzeige-Athleten, Ambassadoren und Profi-Sportler) dann einfach zu einem normalen Vorbau und einem normalen Lenker gewechselt werden kann und muss, wenn die gewünschte Kombination aus Vorbaulänge und Lenkerbreite nicht verfügbar ist. Oder wenn der Rise des Rose Cockpits zu hoch ist. Oder wenn Aerobars verbaut werden sollen. Gott sei Dank geht das auch beim Backroad FF immer noch.

Es ist aber doch so Schade und sinnleer, wenn durch fehlende Größen-Vielfalt und auch durch weitere Design-Einschränkungen die ganze Mühe und bei vielen Rädern dann auch ein gehöriger Anteil der versprochenen Aerodynamik-Gewinne und des optischen Gesamteindrucks und ein gehöriger Batzen Geld sich einfach so in Luft auflöst, weil man den Lenker mitkauft und dann in die Ecke legt.

Und damit kommen wir zu einem zweiten wichtigen Punkt, der mir bei dem Rose Gravel Race Cockpit fehlt: Aerobar-Integration! Ich kann es ein klein wenig Nachvollziehen, dass ein Rennrad-Produkt-Designer nicht an so etwas denkt. Aber selbst da ist es unverständlich für mich. Man verschenkt hier einiges an Potenzial und wenn es eine Marke sein sollte, die in der Vergangenheit oder aktuell Profi-Teams ausstattet, sollte man wissen, dass es sowas wie Bergzeitfahren im Giro, Auftakt Zeitfahren mit Verbot des Einsatzes von TT-Rädern oder gesponsorte (Tri-)Athleten mit Bedarf für Aero-Rennräder und Aufliegern gibt. Aber gut – für diese eher geringe Anzahl an Einsätzen kann man sich ja noch mit 3D-gedruckten Befestigungen behelfen (und tut dies auch). Andere Hersteller hingegen, z.B. Cube oder Factor, statten ihre Aerocockpits mit verdeckten Montagelöchern für Aerobar-Riser aus. Das ist die ebenso einfache wie ideale Lösung!

Im Gravelbereich gibt es aber absolut keine Entschuldigung. Klar steht es jedem Hersteller frei, seine Produkte im Spannungsfeld zwischen Design- und Produktionsaufwand und erwartetem Verkaufspotenzial so oder so zu auszustatten. Aber gerade im Gravelbereich nicht mal die Option anzubieten, ist für mich persönlich schon ein absoluter Negativ-Punkt! Hier sollte es jeder Product-Owner wissen! Eine Entscheidung muss also bewusst „gegen“ Aerobars getroffen werden. Und wurde es beim Backroad FF leider.

Nochmal kurz zum Rise des Cockpits. „Ca. 20 mm“ schreibt Rose in den Specs. Hmm. Vom Bikefitting-Standpunkt ist es ziemlich egal, wie man die Höhe der Kontaktpunkte Tops, Hoods und Drops erzielt. Ein höherer Stack des Rahmens, ein steilerer Vorbau, mehr Spacer unter dem Vorbau und ja, auch ein Rise in den „Querbügeln“ des Lenkers – alles gleichwertig aber sicher nicht gleich vielseitig und gleichermaßen einfach adaptierbar. Immerhin kann man es meistens kombinieren, wenn der Hersteller seinen Rahmen und die Lenker-Vorbaueinheit nicht allzu proprietär konstruiert (Canyon kann das „hervorragend“). Noch höher sollte so beim Rose Backroad FF wenige Probleme bereiten. Spacer wird es hoffentlich geben. Tiefer (bei anderen Rädern würde einfach ein oder zwei Spacer entfernt werden) geht hingegen nicht. Der Lenker kommt „slammed“ und mit seinen fixen 20 mm Rise daher. Gut – außer für Profis wird man wohl kaum versucht sein, noch viel tiefer mit dem Lenker kommen zu wollen… dennoch.

Was aber auch unschön ist: durch den Rise links und rechts des Vorbaus geht nutzbarer Lenkergriff-Bereich verloren. Schon von „üblichen“ Lenker-Vorbaueinheiten ist die Formgebung sehr frei und Dinge wie Leuchten, eine Klingel (nicht lachen) oder ein zusätzliches Garmin Etrex oder Smartphone (Adventure-Races, anyone?) kann man dort nur mit O-Ringen oder ähnlichen Spanngurten befestigen (wenn man’s nicht gleich lieber an die Aerobars montiert – oh, warte…). Durch den Rise wird es aber noch mal schwieriger. Und selbst, wenn ich zur Abwechslung einfach mal nur die Hände etwas enger links und rechts neben dem Vorbau ruhen lassen wollte, bin ich eingeschränkt.

Was bleibt? Aerovorteil? Nein. Specialized hat es mal bei der vorletzten Generation des Venge propagiert: einen (im Stand des Rades) waagerechten Vorbau, der demzufolge nur seine Front dem Wind preisgibt. Nicht weitere Fläche des ansteigenden Vorbaus exponiert. Nur – diese Fläche für ein ansteigendes Bauteil muss ja doch irgendwo landen. Beim Lenker des Venge mag das in der Gesamtbilanz hingehauen haben, weil die Tops dessen Aerolenkers wirklich extrem flach geformt waren. Wesentlich flacher als die des Rose Gravel Race Cockpit. Das ist doch ein sehr kompaktes Profil und wird sich schwer tun, einen solchen Vorteil auszuspielen.

Am Ende also vorrangig ein optisches Design-Element? Ich denke schon. Und – im Grunde gefällt mir der Lenker optisch sehr gut. Er müsste halt im Mindesten noch Aerobar-Montagemöglichkeiten vorsehen. Ohne diese ist er für mich persönlich ein NoGo. Ich gehe sogar soweit: solche integrierten Cockpits sind für mich Negativ-Punkte an einem Rad, wenn sie keine solche Option bieten. Das ist seit Jahren buchstäblich mein erster Punkt, den ich abprüfe: „Aha, integriertes Cockpit. Soweit schaut’s ganz echt aus. Hat der Hersteller eine Option vorgesehen, Aerobars zu verwenden?“ Wenn ich solches Rad sehe, dann will ich, dass mir das Cockpit sowohl vom Handling wie auch seinen Optionen gefällt. Tut es dies nicht und ich bin gezwungen, auf ein zweigeteiltes Cockpit auszuweichen, dann fühle ich mich um einen kleinen Teil der Entwicklungsarbeit und der möglichen Gesamtperformance eines solchen Rades betrogen.

Von den übrigen Daten schaut das ROSE Gravel Race Cockpit hingegen sehr gefällig aus: Kein überbetonter Flare (wobei die ca 15° auch nicht gerade gering sind). Ein moderater Drop von 98 mm und Reach von 73 mm sind im Rahmen dessen, was man auch bei vielen sogenannter „Ergo“ Rennlenkern seit Jahren kaufen kann und was in meinen Augen hervorragend funktioniert.

Weitere Rahmendetails wie abgedeckte Achsen-Löcher:

Diesen Aspekt habe ich bereits in meinen Eindrücken zum Rose XLite 04 angesprochen, welches ich im letzten Herbst im Rahmen der Gravelgames einem Kurztest unterziehen konnte (Gravel Games 2023 Bike-Tests (3T Exploro, Salsa Cutthroat, Trek Supercaliber Gen2, Rose XLite 4, Sram GX Eagle Transmission). Und, wenn ihr die alphabetisch sortierten Besprechungen der anderen Räder dieses Artikels schon gelesen habt, habe ich die folgenden Punkte auch schon für das dadurch noch benachteiligtere BMC Kaius 01 aufgeführt.

Da gibt es ein weiteres kleines Detail, welches sicher den einen oder anderen anspricht, welches aber auch niemand vermissen würde, wenn es nicht da wäre. Und welches einige Sondereinsatzfälle, die mir besonders wichtig sind, erschwert bzw. unmöglich macht. Und das sind die rechtsseitig geschlossenen Achsaufnahmen. Immerhin – anders als noch beim XLite – ist wenigstens die Hinterachse beim Backroad FF auch rechts offen. An der Gabel jedoch nicht. Die ist komplett außen geschlossen. Das ist nett und bringt vielleicht 0,03 Watt Aerogewinn. Aber wenn ihr mal in einer Sonderlage seit und eine neue Steckachse braucht – vielleicht irgendwo eine herbekommt (ihr habt sie nicht eingepackt und steht jetzt an eurer Urlaubsdestination) aber die Länge ist ein Ticken zu lang… Passt dann entweder genau oder gar nicht. Oder ihr wollt hinten (oder vorn) für das Bikepacking eine spezielle Steckachse für einen Gepäckträger wie von Old Man Mountain oder von Tailfin einsetzen. Geht nicht. Also – hinten geht’s jetzt glücklicherweise beim Backroad FF. Aber nur, weil eine prominente Bikepacking-Figur, die auch Tailfin-Produkte einsetzt, weiss, wofür man solche Achsen halt noch gebrauchen kann. Selbst an regelrechten Straßen-Rennmaschinen, wenn man mit ihnen ein Transcontinental Race bestreiten möchte. Im Instagram-Stream dieser Person seht ihr derzeit auch noch ein Backroad FF mit einer abgeschlossenen rechten Hinterachs-Seite. Hätte sie nicht interveniert, wäre auch am Backroad FF also Pustekuchen mit der Verwendung von einer Vielzahl an klugen und soliden Bikepacking-Lösungen.

Was total unnötig ist. Gründe habe ich ja schon aufgeführt. Ein weiterer wäre, wenn manchmal will das Hinterrad bzw. die Achse nicht so will, wie man selber gerne möchte und sie sich schwer in die ersten Gewindegänge des rechten Ausfallendes einführen lassen will… Bei normalen Ausfallenden steckt man dann einfach einen Inbus-Schlüssel oder besser noch Kuli von außen durch und führt die Steckachse so direkt in die Gewindeaufnahme.

Hier haben wir also ein weiteres gutes Beispiel vorliegen wo sich ein Designer rein vom Optik- oder vielleicht Coolness-Faktor leiten lässt, ohne sich irgendwelcher Konsequenzen abseits vom puren Mainstream bewusst zu sein. Eigentlich was Feines für das Auge und für 0,0x Watt Aerovorteil, denkt sich der Designer. Aber letztlich bringt es überhaupt nichts, aber hat Potenzial, mindestens 5 % der Anwender vor Probleme zu stellen, die es ohne dieses Detail nicht gäbe. Und hier im Falle des Backroad FF, d.h. eines Gravelbikes, sicherlich noch einen höheren Prozentanteil. Wie gesagt, glücklicherweise ist der Kelch der abgedeckten Hinterradachse am Backroad FF vorbeigegangen. Aber selbst für die Gabel gäbe es Einsatzmöglichkeiten. Z.B. in Form des neuen Old Man Mountain Axle Packs oder eines regelrechten Racks, wie z.B. dem Old Man Mountain Divide Und ja – das Backroad FF will ja ein Race Gravelbike sein und hat z.B. an der Gabel eben gerade keine Befestigungsösen etc. Alles gut. Aber manchmal will man ja mit genau einem solchen Rad so eine Option wahrnehmen. Vielleicht sogar geraden weil man keine Befestigungsösen an der Gabel hat, einmal im Jahr aber doch gerne etwas Gepäck dort anbringen möchte. Geht halt am Backroad FF nicht.

Seufz: das ist jetzt etwas lang geworden. Im Grunde und insgesamt ist das Rose Backroad FF ja ein sehr schönes und gelungenes Rad (wie ich zumindest von der Papierform und ohne es bisher selbst gefahren habe, finde. Live gesehen habe ich es aber auf der Cyclingworld in Düsseldorf schon). Aber ihr seht wie viele kleine aber wichtige Details ich hier dem Designer und den Entscheidern (und den Testfahrern) nicht nur von Rose, sondern auch von anderen Herstellern mit auf den zukünftigen Weg geben möchte. Aber gleichzeitig auch euch als Lesern dieser Bike-Ratings.

Taschen und Fidlocksystem:
Das Fidlock-Taschensystem finde ich sehr ansprechend. Es sorgt für einen cleanen Look und, wichtiger noch: dadurch dass die Taschen exakt mit dem Rahmen abschließen, sind sie nicht nur besonders aerodynamisch (in der Tat, die Halbrahmentasche soll das Rad noch einen Ticken aerodynamischer als den nackten Rahmen machen, was nachvollziehbar ist), nein, sie sind damit auch automatisch schmal genug, um nicht störend aufzufallen oder für Berührungen und Reibungs-Irritationen der Knie oder Oberschenkel zu sorgen. Auch das neue Canyon Grail kommt ja mit Rahmengrößen-angepassten und ebenfalls per Fidlock-Magnet-System einklickbaren Rahmentaschen. Da ist es aber tatsächlich nur der vordere Zwickel hinter dem Steuerrohr, der genutzt wird. Da finde ich die Taschenvarianten von Rose deutlich praxistauglicher bemessen.

Ich konnte die Taschen (mindestens mal die Oberrohrtasche ist derzeit noch im Prototypenstatus) im Rahmen der Cyclingworld Europe in Augenschein nehmen. Sie machen einen gut verarbeiteten und praxistauglichen Eindruck. Was ich allerdings nicht erwartet habe, wie „Fake“ ihr Volumen von der Seite in der Tat ausschaut! Das Rose Backroad FF ist mittlerweile das dritte Serien-Rad, welches auf Taschenbefestigung mittels Fidlock-Magnetsystem setzt. Canyon mit dem Grail v2 habe ich gerade erwähnt. Die Besprechung zum Fara F/Gravel habt ihr bestimmt ebenfalls schon gelesen. Wenn nicht, scrollt mal hoch zu ihm. Das F/Gravel war das erste Serienrad mit diesen Fidlock-Montagepunkten. Und das zeigt ganz offen, welche Bauhöhe damit einhergeht. Ich habe es nicht gemessen, aber ich war erstaunt, dass es locker etwas über einen Zentimeter ist, den die Taschenaußenseiten (Ober- und Unterseiten) vom eigentlichen Rahmen entfernt ist. Ihr seht es an den folgenden zwei Fotos (für die Oberrohrtasche – aber bei der Rahmentasche ist es ähnlich).

Was also von der Seite nach einer halbwegs ordentlich großen Tasche aussieht und wo man denkt, dass die Laschen nur dafür da sind, um den direkten Übergang zum Rahmen aerodynamisch wie optisch perfekt abzudecken… weit gefehlt. Diese Laschen überdecken richtig Distanz! Ohne diese würde die Oberrohrtasche wie auf Stelzen gesetzt ausschauen. Das hat meine Begeisterung über diese Taschen doch etwas gedämpft, muss ich sagen.

Auch sehe ich keinen Vorteil in der Fidlock-Montage an sich. Eher einen Nachteil. Die Tasche fällt zwar nicht einfach runter und wird schon sicher sitzen. Aber dennoch – einmal (vielleicht in der Nacht) mit dem Rad (vielleicht beim Hike-A-Bike) ungelenk hantiert und sie liegt vielleicht im Graben? Viel eher jedoch: vor dem Supermarkt geparkt reicht ein Handgriff eines bösen Buben und schwupps ist die Oberrohr und Rahmentasche samt Inhalt im Sekundenbruchteil geklaut.

Ich weiss nicht, wie ihr es seht – aber ich verschraube meine Taschen lieber (oder mache sie mit Riemen fest) und habe sie dafür eng am Rahmen anliegen und auch wirkliches Volumen bis an den Rahmen heran. Etwas, was man sicher auch mit dem Fidlocksystem machen kann. Einfach anstelle der Fidlock-Stutzen normale Schrauben einsetzen und normale Taschen von den bekannten Herstellern für die Schraubmontage verwenden. Im Fall einer Oberrohrtasche wird dies (z.B. für eine Tailfin Tasche) keinesfalls weniger aerodynamisch sein. Bei der Rahmentasche kann man ja trotzdem die von Rose hernehmen, wenn es auf absolute Aerodynamik ankommt.

Mein Verdikt: Mit dem Rose Backroad FF eröffnet Rose das spezielle Gravel Race Segement für sich. Mit einem Rahmendesign sehr nahe am bekannten XLite für die Straße schaut es auch sehr ansprechend aus. Auf den ersten Blick aber gar nicht so viel anders als das bisherige Backroad, welches nun die „Adventure“ und „Everyday“ Gravel Kategorie bildet. Das hat 47 mm nominelle Reifenfreiheit (2 mm mehr als das FF), Montagepunkte an der Gabel und für optionale Schutzbleche.

Ist das genügend Unterschied? Gefühlt findet sich bei diversen Herstellern Modell-Vielfalt mit teilweise noch geringeren Unterschieden. Solange es der Hersteller rechtfertigen kann (d.h. Umsatz und Gewinnmarge über die Modellpalette passen) kann es dem Kunden nur von Vorteil sein. Ich frage mich dennoch, ob wir nicht über kurz oder lang auch einen Nachfolger des bisherigen Backroad sehen werden (müssen). Der dann mit gewachsener Reifenfreiheit (mindestens 50, idealerweise 57 mm) und optionaler Federgabel noch mehr in die Adventure-Richtung gehen wird. Dann würde auch eine genügende Differenzierung zwischen Backroad und Backroad FF gegeben sein, die ich derzeit (trotz der angepassten Geometrie des FF) nicht in sehe.

Wenn es ein Rose Gravelbike werden soll, kauft also, was euch nach dem Draufsetzen und Probefahren besser liegt, wäre meine derzeitige Empfehlung.
Ich würde es genauso machen. Denn ich finde beide Räder gut. Und ich würde an beiden Rädern ein zweigeteiltes Cockpit fahren.

Das – und noch viel mehr – müsste ich aber beim Backroad FF nachrüsten, weil es derzeit nur in zwei Versionen angeboten wird. Beide mit dem One-Piece-Cockpit, beide nur Sram, beide nur 1x, beide nur als XPLR (einmal als Sram Rival XPLR und einmal als Sram Force XPLR). Das wird für viele potenzielle Kunden abschreckend sein, die beim normalen Backroad eine viel größere Ausstattungsvielfalt und die Wahl zwischen 1x und 2x Systemen finden. Also – deutlich Raum nach oben beim Backroad FF. Der aber laut Rose noch in diesem Jahr mit weiteren Ausstattungsvarianten gefüllt werden soll.

P.S.: Neue Laufräder!
Einen sehr coolen Aspekt habe ich noch gar nicht angesprochen, weil er auch nicht direkt mit dem Backroad FF als solches zu tun hat. Sehr wohl aber mit der Ausstattung. Gleichzeitig mit dem FF führt Rose nämlich den ROSE GC50 28″/700C Carbon Gravel-Laufradsatz ein. Und der greift (wie ganz langsam auch diverse andere Hersteller) endlich den von mir schon seit langem geforderten Ansatz auf, dass ein Gravel-Aero-Laufrad (oder abseits von Gravel jedes Aero-Laufrad für den Einsatz von modernen Reifenbreiten jenseits von 30 mm – egal ob für Profi-Straßenrennsport-Peloton, für lange Brevets oder für Bikepacking) die nötigen Außenbreiten mitbringen muss! 40 mm Außenweite (und 50 mm Höhe) weisst die Felge für das Vorderrad auf. Now we are talking. Ich fahre schon seit 2 Jahren meine Nextie Premium AGX, die vorne und hinten 40 mm breit und 45 mm hoch sind. Und sie sind super! Hinten greift der Rose Laufradsatz auf nur 32 mm Außenbreite zurück, bleibt aber bei der 27 mm Maulweite. Ich hätte die Breite für Hinten zwar nicht gar so sehr reduziert, aber insgesamt macht es aufgrund der dort vorherrschenden Anströmungssituation Sinn und trägt zur Gewichtsersparnis des Laufradsatzes bei. Es steht zwar leider nicht direkt in den Spezifikationen (und auch einen Querschnitt der Felgen vermisse ich), aber die Felgen sollen hooked sein. Sehr gut. Derzeit sind sie noch nicht verfügbar (5 Wochen steht auf der Webseite) und derzeit gibt es auch nur eine Version für Sram XDR Freilaufkörper.

Santa Cruz Stigmata

https://www.santacruzbicycles.com/de-DE/bikes/stigmata
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Contra: keine Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montage-Punkte für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro: Schutzblechmontagemöglichkeit
Pro: 1x und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 1,87 kg
Max Reifenbreite für 700C: 50 mm

Mein Verdikt:
Das neue Santa Cruz Stigmata wurde ebenfalls im vergangenen Jahr erstmals vorgestellt. Von den technischen Daten eher etwas von einem Race Gravelbike, so wie es Canyon mit seinem neuen Grail v2 oder Rose mit dem brandneuen Backroad FF versteht, abweichend, dadurch aber um so eher wirklich als pure Rennmaschine wie auch als Advennture-Gravelbike gleichermaßen zu gebrauchen. Hier paart sich nämlich praxistaugliche Reifenfreiheit (bis zu 50 mm, wenn gewünscht – ansonsten halt mit entsprechend guter Mudclearance beim Einsatz schmalerer Reifen) mit einer ganz leicht angepassten Geometrie, die auch 40 mm Federweg bietende Gravel-Federgabel für den Einbau zulassen. Eine Konfiguration, mit der man das US-amerikanische Ausnahme MTB- und Gravel-Talent Keegan Swenson (er fährt für Santa Cruz) nicht selten sieht.

Der Rahmen selbst gefällt mir in seiner konventionellen, aber nicht langweiligen Formgebung. Erfrischend, wie viele Standardbauteile verwendet werden – was heutzutage immer seltener wird. So findet sich eine normale Sattelstützenklemme, eine sinnvolle Front-Umwerferklemme zur Montage, wenn gewünscht, und ein ganz normales Cockpit bestehend aus normalem Vorbau und normalem Lenker am Stigmata. Einzige „Extravaganz“ ist eine sogenannte „Glove-Box“ im Unterrohr. Also eine Art Handschuhfach unterhalb des Flaschenhalters. Ich bin Zwiegespalten. Wenn so etwas gut gemacht ist, kann es ein netter Zusatzstauraum sein. Wenn es weniger gut gemacht ist, hadert man mit dem Verschluss, dem Deckel oder dem endlosen Klappern dieser Teile oder des Inhalts, den man solche Stauräume anvertraut. Mir fehlt definitiv nichts, wenn ein Rad kein solches Fach aufweist.

Wer mag, kann sogar einen Dropperpost am Stigmata montieren.

Die Zugführung ist komplett klassisch gelöst. D.h. mit Einlässen am Unterrohr, kurz hinter dem Steuerrohr. Das macht allein schon von dem Einsatz einer Federgabel her Sinn, die es auch als Ausstattungsvariante fertig zu kaufen gibt. Und ist sicher die unproblematischste Art, wenn es um das Verreisen mit dem Rad und das Verpacken in Koffern oder Kartons geht. Beim Einsatz einer drahtlosen Schaltung von Sram, wo es tatsächlich auch nur die Hydraulik-Leitungen für Vorder- und Hinterrad-Bremse sind, um die es hier geht, mehr als verschmerzbar. Und selbst bei Shimanos aktueller Di2 kann man mittlerweile ja zumindest für die Schalt-/Bremsgriffe optional ebenfalls auf kabellose Installation zurückgreifen.

Von den technischen Daten, dem Aussehen und den verfügbaren Ausstattungsvarianten ein sehr gelungenes und durch das Sram UDH-Ausfallende zukunftssicheres Gravelbike.

Specialized Diverge STR

https://www.specialized.com/de/de/diverge-str
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkte für Oberrohrtasche
Pro: Montagepunkte Gabel
Contra: nur 1x-fähig
Contra: kein UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 2.850 g (S-Works, Größe 56)
Max Reifenbreite für 700C: 47 mm

Das normale Diverge hatte ich schon im ersten Artikel 2018 besprochen. Da hatte es noch kein Staufach im Rahmen, sondern eine sogenannte Swat-Box, die in den Zwickel zwischen Unterrohr und Sitzrohr gesteckt wurde. Es hatte da noch maximal 42 mm Reifenfreiheit für 700C (jetzt hat es 47 mm) und es hatte auch schon das Highlight-Feature: die Future-Shock im oberen Gabelschaft. Diese ist vergleichbar mit einem gefederten Vorbau (wer näheres dazu und ausführliche Tests mit objektiven Vergleichsdaten erfahren möchte – bitte sehr, ganz frisch: Gefederter Vorbau oder Frontfederung? Komforteindruck, Vergleichsmessungen, Einsatzgebiete.). Wie Vecnum, Redshift und Co wird hier also nur der Lenker gefedert. 20 mm Federweg werden geboten. Das ist im Rahmen der Mitbewerber und mehr macht an dieser Stelle Konzeptbedingt auch keinen Sinn. Dabei ist die Future-Shock das komplexeste System solcher „Lenker-Federungen“. Sie kann sehr gut funktionieren, setzt aber für Anpassungen einen aufwendigeren Eingriff und Austausch von Federn unterschiedlicher Härten im Gabelschaft voraus. Ebenfalls kann man am „Spacer-Stack“ nichts ändern. Die Bauhöhe ist fix, eher hoch, und kann auch nicht vergrößert oder verkleinert werden. Das muss dann über Vorbauten unterschiedlicher Winkel oder Lenker mit Rise geschehen. Was aber sehr gut möglich ist, denn von der Vorbauklemmung an ist das ein ganz normaler Gabelschaft. Vorteile sind: die Future-Shock federt nicht nur, sie dämpft auch. Und ich kann sie mit einem kleinen Drehknauf oberhalb des Vorbaus öffnen oder schließen.

Beim Ende 2022 vorgestellten Diverge STR geht Specialized noch weiter und spendiert ihm auch eine Future-Shock für hinten. Damit ist der Fahrer theoretisch (nun ja – bis auf die Pedale und das ist schon wesentlich) vom Rad bzw. vom Untergrund leicht entkoppelt. Nur der Fahrer, wohlgemerkt. Nicht das Rad. Und das nennt Specialized „Suspend the Rider“. Daher das STR im Namen.

Hier sind wir quasi wieder an die Anfangsjahre des Mountainbikes zurück gekehrt. Das war zunächst auch komplett starr und man merkte schnell – das ist alles zu ruppig hier. Genauso, wie man es jetzt bei Gravelbikes merkt, wenn man eben nicht mehr nur sorgfältig ausgewählte smoothe Waldwege, gute Gravelroads und einen Mix aus Asphalt und lehmig dämpfenden Trails ohne Wurzeln und Steinen fährt. Sondern einfach offroad drauflos pedaliert. Daher verpasste man den frühen MTBs auch schnell gefederte Vorbauten oder experimentierte mit Elastomer-Elementen allerorten. Man hat aber auch sehr schnell gemerkt, dass einer solchen Federung sehr enge Grenzen gesetzt sind und dass es nicht nur darauf ankommt, Vibrationen an Händen und Po etwas zu reduzieren, sondern aktiv das ganze Rad zu federn und zu dämpfen. Mit genügend wirksamen Federweg. So dass idealerweise nur die Laufräder die ungefederte Masse darstellen und optimal Kurvengrip und Traktion bereitstellen können. Sowie auch die Reifen selbst geschont werden.

Nun wiegt das alles und ist komplex. Verständlich, dass man versucht ist, für ein Gravelbike darauf (auf die Vollfederung oder wenigstens eine Federgabel) zu verzichten, aber doch etwas mehr Komfort an den Kontaktstellen Hand und Po bereitzustellen. Aber wenn ich mir Specializeds Lösung anschaue, dann ist die schon sehr komplex. Um nicht zu sagen: overengineered. Und zum Nulltarif in Sachen Gewicht bekommt man es auch nicht. Ich würde an diesem Punkt schon sagen: lohnt sich absolut nicht.

Aber schauen wir uns erst mal die Future-Shock für hinten an. Die Sattelstütze ist superlang und erst ganz weit unten, etwa auf der Höhe des Flaschenhalters am Sitzrohr, eingespannt. Bzw. nicht die Sattelstütze. Ein Zwischenrohr, Frame Post genannt, das in das Sitzrohr eintaucht. Von da aus kann es unter dem Fahrergewicht flexen. Das Sitzrohr ist weit genug, um dem Raum zu geben. Oben ist eine Gummimanschette, damit da kein Dreck und Schmodder eindringen kann. Damit man jetzt nicht ziel- und haltlos umherwippt, greift eine sogenannte „Tendon“ den Frame Post da, wo sich sonst das Oberrohr mit dem Sitzrohr treffen würde. Diese Tendon verbindet den Frame Post mit einem kleinen Dämpferbein, das in das Oberrohr eingebaut ist.

Das alleine sieht schon… interessant aus, um es neutral zu formulieren. Ganz objektiv hat hier das Oberohr quasi eine Lücke und ein bewegliches und schmales Element – welches ich mir an vielen anderen Stellen eines Rades wesentlich besser platziert denken kann.

Nun ist diese Federung so effektiv und so vom Fahrergewicht abhängig, dass man wie auch bei einer richtigen Hinterbaufederung Effekte wie Sag erfährt. Das soll so – ist aber für eine Sattelstützenlösung ungleich nachteiliger, als wenn es gleich den ganzen Hinterbau betrifft. Sag bedeutet: Wenn ihr euch auf das Diverge STR draufsetzt, biegt sich die Sattelstützen-Frame Post Combo nach hinten unten. Eure Sitzposition und die Sattelneigung ändern sich. Das müsst ihr anpassen. Auch die „Härte“ der Federung müsst ihr anpassen. Wie macht ihr das? Es gibt 4 Frameposts zur Auswahl und diese haben je zwei „Härten“, je nachdem, in welcher Dreh-Ausrichtung sie in den Rahmen gesteckt werden. Hier könnt ihr es in einem Video von Specialized erklärt sehen. Das allein ist schon sehr aufwendig. Und ihr müsst das im Prinzip nicht nur dann machen, wenn ihr das Rad einmal auf euch einstellt, sondern auch, wenn ihr euer Gewicht wesentlich ändert – also z.B. mal mit, mal ohne Trink- und Tagesrucksack unterwegs seid. Oder mehr noch: wenn ihr eine große Bikepacking-Seatpack montieren wollt.

Viel relevanter ist jedoch: dieses Wippen, die ständige Änderung des Neigungswinkels des Sattels, das habt ihr auch beim Pedalieren ständig. Es wird mal weniger, mal mehr auffallen und es hängt dann von euch ab, ob und wie störend ihr das empfindet. Je „weicher“ die Federung eingestellt ist, umso stärker wird dieser Effekt merkbar sein und um so eher stören. Besonders vermutlich beim Pedalieren in der Ebene auf gutem Untergrund. Zwar kann man die Dämpfung mit einem kleinen Drehknauf während dem Fahren beeinflussen… aber ich könnte mir vorstellen dass das mehr stört, als ein offenes Federelement eines Full Suspension MTB mit guter Hinterbaukinematik. Und – wenn ihr wegen dieser Effekte eher auf einen „harten“ Framepost ausweicht… warum dann den ganzen Aufwand treiben, mit bezahlen und sein Gewicht mit auf den Trail nehmen?

Mein Verdikt:

Lohnt sich das ganze überhaupt?

Gewichtsmäßig: Nein.
Satte 2.850 g wiegt der Rahmen des Diverge STR inklusive der beiden Future Shocks vorn und hinten (2.980 g gar in der weißen Lackierung). Und das ist schon das absolut leichteste und beste Carbon, das Specialized verbaut und für gewöhnlich nur seinen sündteuren S-Works Rahmen zugesteht. Fact 11r ist hierfür die aktuelle Nomenklatur bei Specialized. Immerhin, für das Diverge STR und nur für dieses, wird der Fact11r Rahmen für alle Ausstattungsvarianten benutzt. Auch ein Diverge STR Expert oder Comp hat also im Prinzip einen S-Works Rahmen verbaut. Ich vermute mal, das macht Specialized deswegen, um hier nicht die 3 kg für das Rahmenset-Gewicht zu reissen und damit die „Basis-Ausstattungen“ über 10 kg Gesamtgewicht enden zu lassen.
2.850 g, das ist 1.520 g schwerer als das Rahmenset z.B. eines Canyon Grail v2 CFR. D.h. der Rahmen inklusive Future Shock vorn und hinten ist 2,3 mal so schwer wie das eines Top of the Line Rigid Gravelbike-Rahmensets. Für diese 1.520 g bekomme ich locker die gesamte Hardware eines Full Suspension Bikes. 1.349 g wiegt eine Rockshox SID SL 100 mm Federgabel. 430 g ist ein gutes Gabelgewicht für eine High-Performance Gravelgabel. Das macht 919 g Mehrgewicht für eine XC-Federgabel. 1.520 g – 919 g = 601 g. Volle 601 g stehen also noch für die Hinterbau-Dämpfung zur Verfügung. Ein typisches XC Federelement wiegt um die 230 g. Da ist also noch eine Menge Luft! Immerhin ist im Gewicht des Diverge STR Rahmensets zwangsläufig auch die Gabelstütze enthalten. Macht die Menge Luft aber nur etwas kleiner.

Platzmäßig? Nein.
Oft möchte (vermutlich viele von Euch als Leser:Innen dieser Seite) man ja mit seinem Gravelbike Bikepacken. Lassen wir einen Moment außen vor, dass für off-road Bikepacking Mountain-Bikes oft das angebrachtere Instrument sind. Gerne ist es dabei sogar so rau, dass man gar ein Fully in Erwägung zieht. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass bei denen im Rahmen wenig Platz verbleibt. Weswegen man dann doch vielleicht zu einem Hardtail greift. Oder gar zu seinem Gravelbike. Nun ist aber schon das normale Diverge mit einem eher kleinen Rahmendreieck versehen. Lasst euch da von den Fotos auf den Specialized Webseiten und bei Tests nicht täuschen. Das sieht immer so ganz normal und das Rahmendreieck eigentlich angenehm proportioniert aus. Bis man realisiert, dass hier eine Rahmengröße von 56 oder gar noch größer fotografiert wurde (die normalerweise nicht so angenehm proportioniert sind). Steht man dann in Realität vor einem Diverge in der eigenen Größe (bei mir wäre es 52), realisiert man erst, wie klein das Rahmendreieck im Vergleich zu anderen Rädern derselben Größe ist. Das Diverge STR knappst hiervon nochmal ein weiteres Stückchen im Bereich des Seat-Clusters ab, wo die Sitzstreben schon weit vor dem Sitzrohr in das Oberrohr laufen müssen, um der Futureshock Raum zu geben.

Aerodynamisch? Ok. Zumindest für die Gabel, ja. Wenn der Vergleich eine typische Teleskopfedergabel ist. Das ist aber ja nicht das Verkaufs- und Daseins-Argument für das Diverge STR. Die Front-Future Shock gibt’s ja schließlich auch beim normalen Diverge. Und Vergleichbares könnte ich mir (dann in Form eines gefederten Vorbaus) an ziemlich jedes Gravelbike selbst nachträglich montieren. Beim STR geht’s ja um den Hinterbau. Und da erkenne ich keine nennenswerten Aerodynamik-Vorteile gegenüber anderen Hinterbau z.B. eines vollgefederten Mountainbikes.

Specializeds Hauptargument: Der Hinterbau bleibt starr „für knackige Kraftübertragungen“ (Zitat deutsche Specialized Webseite). Nun ja. Das müsst ihr entscheiden, ob ihr ein XC Race oder Marathon-Fully schon mal als zu ineffizient empfunden habt. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein gefederter Hinterbau im Kopf bei manchen einfach etwas anrichtet – selbst wenn er dazu führt, dass sie in Anstiegen sogar effizienter, mit mehr Traktion, unterwegs sind. Aber die können ihn ja gerne auch blockieren. Die wenigsten unter uns werden spätestens da Nachteile in der Kraftübertragung oder Effizienz erfahren. Und es hängt natürlich von der Kinematik des Hinterbaus des jeweiligen Fullies ab. Da gibt es Unterschiede. Mein Rose Thrill Hill fahre ich in den seltensten Fällen im Lockout. Ich verspüre da selbst beim Pedalieren in der Ebene oder auf Asphalt nicht den Bedarf dafür. Und selbst wenn ich so etwas wollte – ein starres Rad, aber einen gefederten Sattel – auch dafür gibt es sehr gute Konzepte in Form von gefederten Sattelstützen. Ohne all diese überkomplizierten Bauteile und Sonderlösungen des Diverge STR. Und sogar mit weniger Gewicht. Und für sehr viel weniger Geld. Und ganz wichtig: wenn ihr auch bei einem Fully mal aus dem Sattel geht, seid ihr und das Rad immer noch gefedert. Ein Diverge STR hoppst dann einfach ohne Traktion über den (dort wahrscheinlich sehr rauhen) Untergrund. Wie jedes andere Gravelbike auch.

Also: wenn das der einzige Vorteil ist, den Specialized anführen kann, dann konstatiere ich mindestens mal für mich persönlich: Absolut nicht wünschenswert und absolut nicht alle anderen Nachteile und Einschränkungen Wert, die diese Future-Shock für hinten mit sich bringt. Komplett over-engineered. Einerseits Kudos für Specialized. Wohl kaum ein anderer (großer) Hersteller würde seinen Entwicklern nicht nur den entsprechenden Freiraum geben, sondern so ein Konzept sogar bis zur Marktreife bringen und verkaufen. Aber die anderen Hersteller haben auch guten Grund dafür, warum sie so etwas nicht machen. Denn hier sehe ich absolut kein Mehrwert für den Käufer gegeben.

Definitiv kein Rad für mich. Und – ich wage es zu behaupten: kein Rad für Euch.

Tannenwald Traumfänger

https://www.tannenwald-bikes.de/m-o-d-e-l-l-e/gravel/traumfaenger/
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro/Contra: alles an Montagepunkten machbar, was ihr wollt (Custom)
Pro: Montagepunkte an der Gabel
Pro: 1x- und 2x-fähig
Pro: UDH/T-Type Dropout möglich
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 45 mm

Tannenwald ist eine kleine Manufaktur für Stahl- und Titanräder in der Südpfalz. Ihre Stahlrahmen werden in Dresden und ihre Titanrahmen in Bozen in Südtirol gefertigt. Das Traumfänger ist ihr Titan Gravelrad, dass sie in 3 Standard-Geometrien und auf Wunsch auch komplett Custom anfertigen. Das erscheint mir sehr interessant. Könnt ihr doch auf Tannenwalds Erfahrung oder jedenfalls Interpretation von verschiedenen Eigenschaften zurückgreifen. So kommt die „Touring“ genannte Geometrie mit Lenkwinkeln um die 72° (schön steil), aber moderaten Oberohrlängen und mit 430 mm immer noch als kurz bezeichenbaren Kettenstreben. Die „Long Travel“ Geomentrie hat flachere (aber immer noch als agil zu bezeichnende) Lenkwinkel von um die 70° und besonders langem Radstand. Und schließlich eine Geometrie, die „Performance“ genannt wird und in der Mitte liegt. Diese hat auch die tiefste Tretlagerabsenkung mit immerhin 75 mm ab Größe S. Wer mag, kann sich auch eine Pinion-Getriebe Rahmenversion bauen lassen.

Von Tannenwald erhoffe ich mir das, was ich schon zum Custom-Hersteller Prova geschrieben habe: Eine kleine Manufaktur, die auf jeglichen (sinnvollen) Kundenwunsch eingehen kann, aber dennoch „Serien“ Know How innerhalb ihrer Modell-Linien aufbauen und diese somit immer weiter verfeinern kann. Und deren Produktions-Zeiten sich hoffentlich im Rahmen halten (wenn man nicht sogar schon mit als Standard vorgehaltenen Größen genau das richtige für sich findet).

Tannenwald waren auch auf der kürzlich stattgefundenen Cyclingword Europe in Düsseldorf vertreten und haben da nicht nur ein sehr schönes Traumfänger mit UDH-Dropout und Sram Eagle Transmission sondern auch ein schönes Waldläufer gezeigt. Waldläufer heisst deren Stahl-Gravel-Modelllinie. Ebenfalls sehr schick. Als Gabel wurde bei beiden die neue Gera EDG Fork des Herstellers Dedacciai verbaut. Die man übrigens an zahlreichen Gravelbikes der unterschiedlichsten Hersteller findet. Die Gera EDG ist eine moderne Gravel-Carbon-Gabel von Deda Elementi / Dedacciai, auch erst frisch in diesem Frühjahr 2024 vorgestellt. Sie bietet eine Reifenfreiheit von 45 mm (29”) oder 50mm (27.5”), ist geeignet für 180 mm Bremsscheiben, hat interne Kabelkanäle für Bremsleitung und Dynamo und bietet einen sogenannten D-Steerer Gabelschaft für vollintegrierte Kabelführung.

Mein Verdikt:
Sehr interessante und schicke Räder. Alle nötigen Features sind vorhanden oder möglich. Shortlist-Material.

Triton bzw. Tritao Aveiro 3D

https://tritonbikes.com
Pro: 12 mm Steckachsen vorne + hinten
Pro: Montagepunkt für Unter-Unterrohrflaschenhalter
Pro/Contra: keine Montagepunkte für Oberrohrtasche, aber alles machbar
Pro/Contra: Gepäckträger- und Schutzblechmontage-Optionen custom bestellbar
Pro: Montagepunkte an der Gabel
Pro: interne Dynamokabel-Führung in der Gabel
Pro/Contra: nur 1x-fähig (aber custom-option für 2x mit reduzierter Reifenfreiheit)
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): keine Angabe
Max Reifenbreite für 700C: 58 mm bzw. 29×2.25”

Triton baut Custom Bikes aus Titan. Schon seit vielen Jahren. Aufgrund des Ukraine-Krieges haben sie Anfang 2023 ihren Sitz von Russland nach Portugal verlegt. Und sind gerade im Begriff, ihre Marke in „Tritao“ (Portugiesisch für Dreizack) zu ändern. Das erste Rad, welches von dort aus das Licht der Welt erblickt hat, ist das Aveiro 3D.

3D ist hier Programm. Erstmals setzt Tritao nämlich auf sehr viele 3D-gedruckte Teile. Dieser Trend hat schon vor wenigen Jahren gestartet und ist mittlerweile überall zu finden. Kaum ein Hersteller von Titan- oder Stahlrahmen – egal ob Custom, Klein- oder Großserie – hat heute nicht mindestens einen Rahmenbestandteil aus (meist zugekaufter) 3D-Fertigung verbaut. Das sind oft Ausfallenden, gerne aber auch Tretlager-Cluster / Chainstay Yokes (die Tretlager-Hülle mit angesetzten Übergängen für die Kettenstreben), Seat-Cluster usw. Beim Tritao Aveiro 3D sind es die Ausfallenden und das Chainstay Yoke.

Mein Verdikt:
Das Aveiro 3D ist alleine durch die massive Reifenfreiheit eigentlich kein „Race Gravelbike“. Oder doch? Durch den interessanten Tretlagerbereich und die beiderseits tief abgesenkten Kettenstreben können diese mit 430 mm immer noch halbwegs kurz gehalten werden (ok – sie sind 1 mm länger als die meines Canyon Exceed Hardtails). Und in der Standard-Ausstattung sind Montagepunkte sehr reduziert und dezent angeordnet. Dieses Rad mag zwar von den Reifen her als „Monstergravel“ durchgehen, steht aber super-elegant da! Auch die Gabel mit ihren leicht gekrümmten Gabelholmen gefällt mir sehr! Es ist die Gera Curvy Fork aus Carbon des Herstellers Dedacciai.

Ich bin hin- und hergerissen. Auf der einen Seite weiss ich, dass ich bei dieser Reifenbreite bzw. dem entsprechenden Einsatzbereich wirklich nicht auf mindestens mal eine richtige Frontfederung verzichten möchte. Und dass das Fahrverhalten wirklich leiden wird, wenn man dieses Rad als All-Road bzw. #Fastfar Bike für Straße und leichten Gravel einsetzen will und passenderweise mit 32 bis maximal 38 mm Reifenbreite (W.A.M.) fahren will (mehr braucht es für solche Einsatzfälle nicht und wäre nur Übergewicht und Aerodynamik-Malus). Aber es sieht halt trotzdem super-elegant aus und kann von euch als Monstergravel mit allen Bikepacking-Ösen spezifiziert werden oder wirklich das elegante Gravelbike mit moderat breiten (ab 45 mm aufwärts würde ich sagen) Reifen sein.

Ich würde sogar soweit gehen: Ein solches Rad, welches zwar keine Federung hat) ist alleine durch seine mögliche Reifenbreite und die enorme Matsch-Freiheit, die damit einhergeht, deutlich besser für den tatsächlichen Einsatz als „Race Gravelbike“ geeignet, als ein auf 42 mm begrenztes Canyon Grail v2. Selbst, wenn dort das Rahmenset etwas aerodynamischer sein dürfte.

Geometrie… man müsste es mal probefahren (was immer das Problem bei Custom-Rahmen bzw. Made-to-Order Rahmen ist). Aber: Mir gefällt es sehr.

Und zum Abschluss…

Canyon Exceed CF Dropbar Edition

https://torstenfrank.wordpress.com/2023/04/25/dropbar-mtb-teil-5-der-konkrete-aufbau-teileliste-und-das-finale-ergebnis/
Contra: Boost MTB Naben und Steckachsen
Contra: Nur 1x-fähig
Pro: vollwertiges Rahmendreieck mit Platz für zwei Trinkflaschen
Pro: UDH/T-Type Dropout
Gewicht (Rahmen + Gabel) (g): 1.312 g Rahmen + 1.322 g RockShox SID SL Ultimate Race Day Federgabel
Max Reifenbreite für 700C: 2.35″

Tadaaa – ein Dropbar-MTB. Passt hier eigentlich nicht rein. Und trotzdem möchte ich mir mal den Spaß machen, mein eigens zu einem Dropbar-Mountainbike konvertiertes Hardtail im gleichen Pro/Contra Stil unter all die reinen Gravelbikes zu mischen. Die ja ganz bewusst und immer noch als agile, behende All-Round Spaßmacher für den Mix aus Straße und Graveluntergründen gedacht sind. „Mix“ ist hier das Stichwort. Was aber, wenn sich dieser Mix mehr und mehr zu reinem „Gravel“ verschiebt? Man also fast nur noch off-road unterwegs ist? Dann brauchen wir (dann möchte ich) eine andere Kategorie an Rädern. Selbst ein „Adventure Gravelbike“ kann hier, je nach Auslegung, immer noch zu underbiked sein. Und eine richtige Federung ist dann Gold wert. Bühne frei für das Monstergravel. Oder das Fast-Far-MTB. Oder das Gravelbike des Jahres 2025. Mehr zur Motivation und auch zu vergleichbaren Rädern findet ihr in diesem Artikel: Dropbar-MTB, Teil 1: Warum Gravel immer mehr zu (MTB-)Offroad wird und welches Rad ich mir dafür gebaut habe

Ein Canyon Exceed Hardtail MTB mit Rennlenker
Mein Canyon Exceed Dropbar-MTB.

Im Kontext der üblichen „Rennställe“ von Roadies und Gravelbikern sind MTB-Boost-Naben und Steckachsen natürlich ein Nachteil. Sie sorgen für große Reifenfreiheit, benötigen aber auch Kompromisse in Sachen Kettenlinie, Kurbelweiten und Q-Faktoren. Auch kann man mal nicht eben ein Straßenlaufradsatz einwechseln oder im Bedarfsfalle als Ersatz aus dem Regal oder von einem der vielen anderen Teilnehmer bei einem Event abgreifen. Was sich aber als Nachteil aufhebt und zum Vorteil wird, wenn man eher MTBler ist und daher anstelle dem einen oder anderen Straßen- und Gravellaufradsatz eher diverse MTB-Laufräder zu Hause hat. Oder Bikepacking- oder MTB-Events besucht, wo viele Leute eher MTB-Laufradsätze zum Borgen dabei haben.

1x only. Das ist schon schade. Man muss schon tüfteln, um eine gute Kettenlinie, einen guten Q-Faktor und genügend Schaltungs-Bandbreite unter einen Hut zu bekommen. Ich habe mich (mein Fitnessgrad, meine Vorlieben, meine Topographie von Flach bis super hügelig) auf vorn 36 und hinten 12-fach 10-51 eingeschossen. Ja, da ist eine kleine Lücke irgendwo im unteren Bereich der Kassette. Ja, das 10er Ritzel wird häufig gebraucht und ist leider nicht super effizient. Und ja – auf abfallenden Bahntrassen oder langen Gefällen fehlt definitiv die Möglichkeit, wie bei meiner Red etap AXS (an meinem Drifter) einfach auf das große (46T) Kettenblatt zu schalten. Aber dennoch fluche ich nicht, weil ich ins Leere trete (was beim 34er und definitiv 32er Kettenblatt alle Nase lang der Fall ist) und kann sowohl lange Tagesetappen über Asphalt wie auch steile Anstiege im Wald sehr angenehm bewältigen.

Null Anbauteile bzw. Montage-Ösen: Kann ich sehr gut mit Leben. Die einzige Stelle, wo sie mir fehlen, wäre die Unterseite des Unterrohrs vor dem Tretlager. Auch da kann man natürlich mit Riemen oder Kabelbindern arbeiten; das ist dort aber besonders frickelig. An allen anderen Stellen… Ich vermisse nichts. Es ist ein Carbon-Rahmen, d.h. er hat ein eher flaches Oberrohr. Da „steht“ eine Oberrohrtasche sowieso schon mal viel besser als auf einem Rundrohr. Und spätestens seit Tailfin seine absolut tilt-freien Oberrohrtaschen auf dem Markt hat, braucht man Verschraubungen dort nicht mehr wirklich. Auch so braucht man keine, stets störende, Lasche um das Steuerrohr. Schön ist eine solche Verschraubung natürlich dennoch – kann man dann doch komplett auf Riemen verzichten.
Für „Hinten“ wird sowieso oft entweder eine Seatpack eingesetzt (braucht nichts an Montage-Ösen) oder in meinem Fall die Tailfin Aeropack. An meinem Drifter schraube ich den Stützbogen in die Rack-Eyelets über den Ausfallenden. An meinem Exceed nutze ich die geniale Universal Thru-Axle und die Schnellverschlüsse am Stützbogen. Super.
An der Gabel… nun, es ist bewusst eine Federgabel. Wenn ich daran etwas montieren möchte, nutze ich entweder die Tailfin SFM Mounts, Kabelbinder oder könnte eines der vielen anderen angebotenen Systeme nutzen. Z.b. das kürzlich vorgestellte Old Man Mountain Axle Pack.

Reifenfreiheit: Genial! 29er ist schon längst das neue 650B. Und die schnellsten Reifen abseits von Slicks findet ihr nicht im Gravelreifen-Segment, sondern bei den CrossCountry-MTB Reifen. Siehe hier: Was ist schneller: Dropbar-MTB gegen Gravelbike – Der Reifen macht’s!

Federgabel: Und zwar eine richtige. Mit 100 mm Federweg. Und nicht all den ganzen Aufwand für fast genau das gleiche Gewicht und doch nur maximal 40 mm Federweg. Oh hell yeah! :)

Mein Verdikt:
Was für eine geile Spaßmaschine! Auch auf der Straße fährt und lenkt sich das Canyon Exceed super. Mindestens genauso geil wie mein No 22 Drifter. Ja klar – mit guten Slicks ist das Drifter am Ende auf gutem Untergrund schneller und rollt auch noch angenehmer und leise. Keine Frage. Wie viel schneller habe ich ja ganz genau quantifiziert und euch am Anfang des Artikels schon geschildert. Ihr findet es auch im verlinkten „Was ist schneller“ Artikel. Der Punkt ist aber: Auch mit dem Exceed fühle ich mich auf Asphalt wohl und bin objektiv schneller als unoptimierte Gravelbikes. Und sobald es wirklich auf „Gravel“ bzw. off-road geht, ist es kein Vergleich mehr. Gewinn auf allen Fronten für das Dropbar MTB. Das Dropbar MTB ist daher für mich das optimale Race Gravelbike, wenn wirklich auf Gravel Rennen gefahren werden soll. Mindestens mal auf allen Kursen, wo sich heutige Pros den Kopf zerbrechen, ob 45 mm Reifenbreite nicht das Minimum ist, mit dem sie an den Start gehen wollen. Und auf Bikepacking-Gravelraces sowieso. Absolute Nachbau-Empfehlung!

Wichtig ist aber die Geometrie! Leider geht bei XC-Bikes auch der Trend zu immer flacheren Steuerwinkeln und auch längeren Federwegen. Ich kann nur sagen, dass mir z.B. das neue Trek Supercaliber vom Fahr- und Lenkverhalten überhaupt nicht gefällt. Also Augen auf bei der MTB-Wahl für die Konversion. Meine 5-teilige Artikel-Reihe dazu gibt euch alles Know How dafür an die Hand.

Fazit und meine aktuelle Shortlist

Ihr habt nun meine ganz frische, aktualisierte Übersicht zu insgesamt 16 aktuellen und sicherlich maßgeblichen Gravelbike-Neuerscheinungen der letzten Monate vorliegen. Mit einem gerüttelten Maß an Blick auf Details und Zusammenhänge. Nicht nur auf die einzelnen Räder an sich, sondern auch im Quervergleich über alle Marken und Modelle hinweg.

All diese zusammengetragenen Informationen und ihren Kontext zusammengefasst, wie sieht mein Fazit daraus aus? Welches sind meine Favoriten aus diesem aktuellen Artikel und dann noch mal insgesamt derzeit?

Schaue ich auf die (ja von vornherein schon bewusst ausgewählten) 16 Räder (15 ohne mein Exceed Dropbar MTB) dieses Artikels, dann sind daraus 9 Räder für mich selbst interessant:

  • Arc 8 Eero
    • hat aber leider kein UDH
  • Enve MOG
    • finde ich noch einen Ticken cooler als das Arc 8 Eero, aber die Vollintegration ist sehr nachteilig. Ob man da doch irgendwie mit den Kabeln abseits des Enve Vorbaus in das Steuerrohr kommt – auf gefällige Weise?
  • Giant Revolt
    • gefällt mir sehr – aber leider kein UDH. Wenn man da irgendwie UDH realisieren könnte, wäre es sehr weit vorn bei mir
  • Merida Silex
    • kein UDH
  • Prova Mostro Integrale
    • Wasch mich, aber mach mich nicht nass… ;-) Hier gehört die Vollintegration genau zu den Details, deren Summe mich begeistert… Aber ich weiss, dass ich für ein Gravel- bzw. Allroad-Fastfar-Rad damit nicht leben, lies: verreisen, möchte
  • Rose Backroad FF
    • dann aber mit zweiteiliger Vorbau-Lenker Combo anstelle des Rose Gravel Race Cockpit
  • Santa Cruz Stigmata
  • Tannenwald Traumfänger
  • Tritao Aveiro 3D

Bei fünfen davon ist dann doch noch irgend ein störendes Detail. Es bleiben vier Räder ohne Wenn und Aber übrig.

Vermischt mit bzw. in Abwägung der Räder, die ich im letzten Teil der Serie bereits in meiner Shortlist hatte, hier also…

…meine neue, aktuelle Shortlist 2024:

  • Rose Backroad FF
  • Santa Cruz Stigmata
  • Tannenwald Traumfänger
  • Tritao Aveiro 3D
  • Prova Mostro Integrale
  • Scott Addict Gravel (kein UDH)
  • Ribble Gravel SL (kein UDH)
  • Arc 8 Eero (kein UDH)
  • Merida Silex (kein UDH)
  • Rose Backroad 2020 (kein UDH)
  • Trek Checkpoint SLR (kein UDH, Trek arbeitet aber dran)
  • Canyon Grizl CF (kein UDH)
  • Veloheld IconX Ti (kein UDH)

Ihr seht, für ein Gravelbike erachte ich hier ein UDH Dropout als sehr wesentlich. Wir werden sehen, ob Sram mit der kommenden neuen Red etap AXS auch für Road auf UDH bzw. auf ein T-Type Schaltwerk setzt. Wenn es so ist, werkeln sicher schon alle namhaften Radhersteller auch an Rennrädern, die UDH ermöglichen. Und selbst, wenn nicht – ein UDH-Schaltauge ist einfach praktisch. Genauso, wie im Bedarfsfall doch mal auf 1x und da dann evtl. auf eine Sram Transmission-Schaltung zu wechseln. Z.B. für das once-in-a-lifetime Gravel-Bikepacking Abenteuer. Oder das jährliche Gravel-Bikepacking Abenteuer…

Einige andere Räder habe ich aus „Altersgründen“ aus meiner Shortlist fallen lassen. Oder weil die Luft für sie zu dünn in meiner Shortlist wurde. Z.B. ein Ridley Kanzo Fast oder Adventure. Oder die (schon als Klassiker zu bezeichnenden und immer noch gut verkauften) Open U.P. bzw. Upper. Ein Cervélo Aspero konnte ich vor zwei Jahren auf den Gravelgames probefahren und es fühlte sich auf Anhieb brilliant an. Bietet aber nur für maximal 40 mm Reifen Platz. Mein geliebtes No 22 Drifter ist immer noch geil. Aktuelle Räder werden aber mit einem neuen Vorbau für vollintegrierte Kabelführung geliefert und sind auf ihn angepasst. Er gefällt mir in seinem superkantigen Design aber überhaupt nicht.

Das führt zu meiner gezeigten Shortlist. Schau an – tatsächlich ist das neue Backroad FF ganz weit oben. Aber auch jedes andere der gelisteten Räder, solange es UDH-kompatibel ist, hätte das Zeug, mein nächstes Gravelbike zu werden, müsste ich Ersatz für mein Drifter finden.

Und damit sind wir am Ende dieses Artikels angelangt. Je nach dem, was das Jahr an Neuerscheinungen im Gravelsektor bringt, werden sicher wieder diverse Aktualisierungen dieses Artikels folgen und wenn ihr bestimmte Fragen oder Interesse an meiner Meinung zu einem bestimmten Rad habt, dann wie immer gerne in die Kommentare damit.

Vielleicht findet ihr das jeweilige Rad ja auch schon von mir in den Vorgänger-Artikeln besprochen? Hier eine Referenz der Räder aus den beiden vorangegangenen Teilen der Serie. Auf eine Auflistung der Räder des ersten Teils verzichte ich. Denn dort hatte ich ganze 56 Gravelbikes aufgeführt, zum Teil auch sehr viel kompakter vorgestellt und viele davon gibt es nicht mehr auf dem Markt oder sie haben den gleichen Namen, sind aber mittlerweile ein ganz anderes Rad. Trotzdem lohnt ein Blick auch in den ersten Teil sehr. Alleine schon aufgrund der Einleitung in das Thema.

Hier die Räder aus Teil 2 (geschrieben und aktualisiert vom 15. Juli 2019 – 11.05.2021):
3T Explore RaceMax, BMC URS, Cannondale Topstone Carbon, Canyon Grizl, Cervélo Áspero, Open WI.DE., Ribble Gravel SL, Ridley Kanzo Fast, Rose Backroad 2020, Veloheld IconX Ti.

Und hier die Räder aus Teil 3 (veröffentlicht 15. Juli 2022):
Basso Tera Gravel, BMC URS LT One, Focus Atlas, Lauf Seigla, Orbea Terra, Ridley Kanzo Adventure, Rondo RATT, Rondo MYLC, Scott Addict Gravel, Specialized Crux / Aethos, Trek Checkpoint SLR (Inkl. Info zum SL + ALR), Wilier Rave SLR

Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und wünsche euch wie immer viele schöne Stunden auf euren aktuellen und auch auf zukünftigen Rädern, nach denen Ihr vielleicht gerade stöbert.

26 Kommentare

  1. Sehr informativer Überblick. Allerdings gehe ich nicht mit, dass Backroad und Backroad FF relativ ähnlich wären. Bin das FF letzte Woche ausgiebig Probe gefahren. Vor allem der kurze Radstand und der steile Lenkwinkel sorgen für wirklich sehr unterschiedliche Fahreigenschaften. Das Backroad ist ein klassisches Langstreckenrad mit grosser Laufruhe, das FF fährt sich aber super agil und ist deutlich wendiger. Beinahe Cyclocross-Feeling. Im Antritt fühlt es sich ausserdem subjektiv steifer an, vor allem im Wiegetritt, aber das kann auch am Laufradsatz liegen.

    1. Hallo Alex,

      vielen Dank. Vielen Dank auch für deine Eindrücke zum Backroad vs Backroad FF. Das ist bestimmt hilfreich für die weiteren Leser. :)

      Wenn ich von „relativ Ähnlich“ spreche, dann hauptsächlich optisch und hier: „so mit halb-geschlossenen Augen und von der Silhouette her“. Bzw. von dem was das eine eher zum „Race Gravel“ und das andere her zum „Adventure Gravel“ von der reinen Ausstattung her machen sollte. Bei der Geomtrie – voll d’accord. Deswegen gehe ich ja auch sehr darauf ein.

      Wie fandest du den Bikefit bei beiden – unabhängig vom Fahreindruck? Fandest du dich auf einem von beiden deutlich gestreckter oder deutlich kompakter (vorrausgesetzt, beide waren mit vergleichbaren Vorbaulängen und Lenkerbreiten ausgestattet)? Oder waren sie dort ähnlich? Rein von den Bikefit-relevanten Maßen sollten sie das ja.

      1. hallo Torsten,

        bikefit finde ich schwierig zu vergleichen, da ich verschiedene Grössen gefahren bin. Zentral wollte ich mir das Cockpit ansehen. Hat mir persönlich gut gepasst, würde aber auch auf Vorbau/Lenker umbauen. Das wird auf viele ambitionierte Racer:innen zutreffen, man wird das FF-Cockpit sicher des öfteren auf Kleinanzeigen finden. Keine Ahnung was das soll ehrlich gesagt. Der Wochenendfahrer wird sich eher das Backroad holen wegen der Vielseitigkeit (Anbaupunkte), der ernsthafte Rennfahrer wird ein speziell den Bedürfnissen entsprechendes Cockpit fahren. Immerhin sind die Kabel/Leitungen nicht mehr vollständig intern, hier ist Rose definitiv auf Bedürfnisse der Endverbraucher:innen eingegangen. Danke! Spannend, ob es das FF als Rahmenset geben wird. Früher hiess es bei Rose, der Einzelverkauf von Frames sei rechtlich nicht möglich, das scheint gekippt zu sein. Gerade für Racer:innen wird das attraktiv sein, also ja der Hauptzielgruppe des Rades. Insgesamt meiner Meinung nach trotz den Fehltritten mit proprietärem Zubehör/Anbauteilen – das komplettetes Gravel-Race-Bike auf dem Markt. Tolle Geometrie, Aerodynamische Details, fairer Preis, aufsehenserregender Laufradsatz. Da ist Rose wirklich ein Coup gelungen.

      2. „Früher hiess es bei Rose, der Einzelverkauf von Frames sei rechtlich nicht möglich“ Da würde mich aber ein Erklärungsversuch interessieren, wenn es jemals so war. Ich glaube, das kann man getrost als hahnebüchen verbuchen.

        Ja, ich denke auch, da hat Rose was Feines mit dem FF hingestellt. Das mit dem Lenker und der bewussten Entscheidung gegen Aerobars ist zwar Megaschade. Aber der Rest scheint zu stimmen.

  2. Hallo Torsten,

    wie immer grandios recherchiert und zusammengefasst! Das Veloheld IconX Ti soll laut „Schicke Mütze“ und auch laut Veloheld selbst in diesem Jahr noch ein Update bekommen. Das Stahlmodell ist ja kürzlich etwas modifiziert worden (z.B. mit Montagepunkten für Oberrohrtaschen und etwas nach unten verlegten Flaschenhalterösen im Rahmendreieck um den Platz besser zu nutzen).

    Wenn jetzt noch ein UDH dazukäme hätte ich wohl endlich meinen Traumkandidaten gefunden. (Wobei, Das Tritao Aveiro – hot! Aber mir vielleicht auch ein bisschen zu brachial)

    Danke auf jeden Fall mal wieder für Dein ergänztes Kompendium!

    Viele Grüße,

    Markus

  3. Hallo Torsten,

    Zitat Rose von Ende 2023: „Einzelne Rahmen und Gabeln dürfen wir aus zollrechtlichen Gründen nicht anbieten/verkaufen.“ ;)

    1. Soso, der böse Zoll. Echt schlimm, dass der Firmen in ihren Verkaufsentscheidungen und Geschäftstätigkeiten so knebelt… ;-)

      Für Leser, die sich bisher noch nicht mit Direktimport auseinandersetzen mussten: Der Einfuhrzoll für Fahrräder beträgt 14%, der Einfuhrzoll für Fahrradteile, dazu zählt ein Rahmen, sogar nur 4,7%.

      D.h. das Einführen von im Ausland produzierten Rahmen ist sogar preiswerter.

      Und selbstverständlich wird kein Zoll der Welt einem Gewerbe verbieten, welche Teile es in welchem Aggregations-Zustand es weiterverkauft.

      Es kann jedoch – und vielleicht war das der Hintergrund – zu einer Situation kommen, wo der eine (die Firma) den anderen (den Zoll) übervorteilen möchte. Wenn die Firma angibt, Einzelteile zu importieren, das aber am Ende doch fast fertige Kompletträder sind (und nur in zwei verschiedenen Kartons ankommen)… dann ja… dazu kann man Gerichtsurteile finden. Falls sich Rose in so etwas verwickelt sah, hat man vielleicht Lehrgeld bezahlen müssen und hat von Einzelrahmen lieber die Finger gelassen.

      Dann lag es aber in der Ursache darin begründet, dass man 14 % Zoll umgehen wollte und lieber 4,7 % bezahlen wollte. Für Kompletträder. Das ist natürlich nicht rechtens.

      Heisst aber auch: das im Ausland hergestellte Rahmenset landet hier in D deutlich preiswerter als ein komplettes Fahrrad (der Zoll wertet ein Fahrrad auch als komplett, wenn neben Rahmen+Gabel auch noch mindestens zwei weitere Teile aus der Riege: Lenker, Antriebsstrang oder Bremsen im Karton dabei sind:

      https://www.customssupport.de/de/einblicke/einhaltung-der-zollvorschriften-wenn-fahrradteile-zu-nicht-montierten-fahrraedern-werden

      Langer Rede kurzer Sinn: Ein Hersteller kann und darf sehr wohl Rahmensets verkaufen. Und er spart sogar Einfuhrzoll und das nicht zu knapp!

      1. Ich habe jahrelang Fahrradteile für einen namhaften dt. Hersteller eingekauft und importiert. Damals (ich weiß nicht wie der aktuelle Stand ist) wurde beim Import aus bestimmten Ländern (u.a. China) für Rahmen, die nicht für die Herstellung eines Komplettrades verwendet wurden, ein Antidumpingzoll fällig (ich meine um die 48% rum). Konkret ging es wohl um den Anteil des Bauteils an der gesamten Wertschöpfung, der ein bestimmten Maß nicht überschreiten durfte. Der Anteil der Rahmenkosten an einem Komplettrad ist natürlich um Welten geringer als einem Frameset Produkt.

        Insofern ist die Aussage von Rose schon nachvollziehbar und erklärt generell, warum Rahmensets im Vergleich zu Kompletträdern verhältnismäßig teuer sind. Natürlich war es nicht verboten, sondern nur teuer und mit etwas Aufwand verbunden. Wir mussten uns z.B schon im Vorfeld überlegen, wieviel Frames wir als Rahmenset verkaufen und diese entsprechend verzollen. Mal eben einen Rahmen aus dem Regal ziehen und einzeln verkaufen, obwohl der für ein Komplettrad vorgesehen war, ging nicht. Zumindest nicht wenn man bei einer Zollprüfung keinen Ärger möchte.

      2. Hey, vielen Dank mit deinem Einblick aus der Praxis.
        Ich kann mir super vorstellen, dass hier die Verordnungslage sehr komplex ist. Weil – das haben wir (nicht nur in Deutschland) in so vielen Fällen. Selbst, wenn etwas keinen Strafzöllen, sondern sogar Förderung unterliegt, ist es manchmal so verworren oder mit so vielen Randbedingungen versehen, dass sich eine Sache beim Willen nicht nur nicht lohnt, sondern aktiv Geld verbrennt.

        Ob das für Rose und den Entscheid, Rahmensets für bestimmte Räder zu verkaufen, auch der Fall ist, sei dahin gestellt. Sie verkaufen ja durchaus für bestimmte Modelle Rahmensets. Ganz unabhängig von sämtlichen Aspekten wie Zoll oder was auch immer steht es ja jedem Hersteller frei, für sich zu entscheiden ob er das will oder nicht. Muss sich ja schließlich lohnen. Im Endeffekt muss man genügend Rahmen geordert haben und sich überlegen, in welcher Gesamtkonstellation an Ausstattungslinien man den höchsten Schnittpunkt aus Umsatz und Gewinn erhoffen kann.

        Jetzt kann man streiten, ob ein kleiner (oder auch ein größerer) Teil solcher Überlegungen mit dem Thema Einfuhrzoll zu tun hatte und ob es „einfacher“ ist, dass einem Kunden „zu verkaufen“, der doch gerne ein Rahmenset hätte. Oder ihm einfach zu sagen, was wirklich der Grund ist: Nö, lohnt für uns gerade nicht. Bzw. haben wir für Modell x einfach nicht vorgesehen. Denn so oder so: Natürlich muss die Entscheidung im vorhinein bewusst fallen: Ja, wir verkaufen Rahmensets. Und setzen die in den Shop als Rahmenset. Niemand erwartet, dass ein Hersteller einfach so Rahmen aus der Produktionslinie für Kompletträder abzwackt.

        Anti-Dumping Zölle. Ich wollte dieses Fass nicht auch noch aufmachen.
        Beim Einkauf hattest du ja dann sicher mit allen entsprechenden Verordnungen zu tun. Der gilt nämlich nicht nur für Fahrradteile, sondern auch für komplette Fahrräder. Und Unternehmen können sich auch von diesem Antidumpingzoll unter bestimmten Vorraussetzungen freistellen lassen. Und ist es nicht sogar so, dass der Auslöser für diese schon (fragt Google und liest 1993!) bestehenden Antidumpingzölle von in der Tat 48,5% „nur“ der ist, dass Teile für den Export billiger verkauft werden, als es der Selbstkosten oder örtliche Marktpreis ergeben würde? Mithin: 48,5 % von Fast Nix zwar der Marge weh tut, aber eigentlich weniger schlimm ist, als es sich anhört. Wenn das überhaupt eine Firma wirklich bezahlt. Denn entweder kann sie sich befreien (siehe Verordnungen) oder sie sucht sich eine andere Quelle für die Teile. Oder alle anderen Firmen müssen denselben Antidumpingzoll bezahlen und alles ist eh schon eingepreist.

        (War das bei dem Unternehmen, in dem du gearbeitet hast, auch so? Oder konnte man die nötigen anderen Dinge nicht nachweisen und hat am Ende trotzdem in China oder wo auch immer gekauft – weil es sich am Ende doch gelohnt hat?)

        Deswegen erneut:
        – Im Zweifel für den Angeklagten (in dem Fall Rose) und ein Fitzelchen des Entscheides, ob für ein Modell oder nicht auch ein Rahmenset als Verkaufsoption angeboten wird, ist mittelbar durch eine Kalkulationskette mit dem Aspekt Einfuhrzoll verbunden. Das man dann auf den Gedanken kommen kann, dass als „Ausrede“ und den Zoll als externen Sündenbock zu wählen… ist ein klein wenig Nachvollziehbar. Vor allem, weil man den Kunden ja nicht jedesmal die ganzen Hintergründe erklären will. Versteht weder das Verkaufspersonal noch die meisten Kunden. Wollen die auch gar nicht Hören.
        – Im Endeffekt ist es aber trotzdem nur das: eine Ausrede. Würde man mir das im Laden verkaufen wollen, würde ich doch mehr als Sparsam schauen und im Besten Falle nur die Verkaufsperson als inkompetent und im schlechtesten Fall als Lügner ansehen. Wenn der Entscheid zum aktuellen Zeitpunkt lautet: Nö – wir verkaufen kein Rahmenset, dann ist das vollkommen ok und mir vollkommen egal, aus welchen Gründen.

      3. Ich denke nicht das die Zollthematik entscheidend ist oder war, ob man jetzt Framesets anbietet oder nicht, aber man bezog diese Überlegungen natürlich mit ein, es erzeugte ja einen tatsächlichen Aufwand in der Beschaffung und Logistik. Wenn ich es richtig mitbekommen habe damals, war die reelle Nachfrage einfach zu gering, als das sich das wirtschaftlich gelohnt. Man darf ja nicht von den Rufen im Internet auf die tatsächliche Nachfrage schließen :-) Für die wichtigsten Produkte haben wir es trotzdem gemacht, aber in der Regel nicht direkt zum Launch eines Modells. Ein anderer Punkt war, das die Produktionskapazität meist schon gut damit ausgelastet war, die Rahmen für die Kompletträder zu produzieren, das hatte natürlich Vorrang. Ist aber alles schon ein paar Jahre her und was einen einzelnen Hersteller nun dazu bringt, Frames einzeln anzubieten oder nicht kann vielfältige Gründe haben. Ob und wie er das nun kommuniziert, naja…

      4. Genau. Ist ja auch vollkommen verständlich, dass sich das nicht immer für einen Hersteller lohnt. Oder mit Kalkulationsrisiko verbunden ist. Und das kann ja auch für unterschiedliche Modelle unterschiedlich ausfallen. Am Ende alles Fair Game. :)

  4. Einen Schaltaugenstandard zu haben den UDH bietet ist sicherlich gut aber den gäbe es auch mit Syntace’s x12 Standard. Bei letzterem muss man bloß eine kleine Schraube als Ersatzteil (auf Reisen) mitführen statt dem relativ schweren kompletten Schaltauge. Ist wahrscheinlich auch schonender für das Schaltwerk wegen der Sollbruchstelle des x12 Systems.

    1. Hah, ja. „Standards“ in der Radbranche. Ein Treppenwitz… ;-)

      Syntace x12 sieht/sah man gar nicht mal so selten. Mein No 22 Drifter hat sogar genau eine solche Steckachse und ein entsprechendes Dropout. Sieht gut aus, funktioniert tadellos. Mir war aber gar nicht bewusst, dass das dazugehörige „Schaltauge“ einen Standard darstellen sollte. Habe daher gerade mal gegooglet und auf Anhieb alleine für Liteville-Rahmen mindestens 5 verschiedene X12 Hanger gefunden. Alle unterschiedlich geformt… Also zumindest mit dem „oh, ich habe Syntace X-12 – gib mir bitte den Hanger dafür, es gibt ja nur einen einzigen und der passt immer“. Scheint es nicht gut bestellt. Aber du sagst, das seien nochmal zwei getrennte Teile? Der Hanger und die Schraube, die ihn hält? Auch nicht schlecht.

      Aber wie man z.B. am Beispiel Drifter sieht: das wurde auch wieder fallen gelassen. Zugunsten von 3d gedruckten Ausfallenden und UDH-Kompatibilität im aktuellen Modell.

  5. ja es gibt verschiedene Versionen. Aber die bekommt man alle im Onlinehandel was ja nicht der Fall ist bei Hängern die speziell nur für ein Rad designt wurden. 

    Ich denke dass das Syntace X12 dem UDH überlegen ist weil: sehr steif (ob es wirklich steifer ist als UDH weiß ich nicht), Sollbruchstelle in der Schraube die den Hänger am Dropout befestigt bricht bevor sich die Schaltung verbiegt, die Schraube ist das einzige Ersatzteile das man auf Fahrradtour mitführen muss und wiegt deutlich weniger als ein UDH Hänger. UDH ist außerdem nicht ideal für die Konstruktion von dropouts aus Metall (die werden mit UDH deutlich globiger und schwerer als sie eigentlich sein müssten).

    UDH ist halt ein Standard der sich durchgesetzt hat. Kunden sind damit vertraut und verbinden damit zurecht gute Ersatzteilverfügbarkeit (und SRAM Transmission Kompatibilität wenn man das braucht). Aber die Syntace Lösung ist denke ich technisch der bessere Standard (wenn SRAM Transmission keine Rolle spielt), vor allem für gewichtsbewusste Radtouristen.

    Zu dem X12 System gehört der Hänger, die Schraube und ein Dropout das speziell für solche x12 Hänger gemacht ist. Solche Dropouts kann man aber auch als „Standardteil“ zb bei Paragonmachineworks kaufen. Ich dachte es gab eine Webseite dazu die das ganze gut illustriert. Die Tatsache, dass ich diese Webseite oder dieses PDF gerade nicht finde scheint mir als ein Beweis dafür, dass Syntace eben ein Haufen Ingenieure ist und nicht besonderen Werte auf die Vermarktung legt :)

    1. Hmm, ich könnte jetzt auch nicht sagen, welches System grundlegend steifer ist. Und doch halt sowieso nicht zu steif sein darf, weil es ja immer noch den Rahmen schützen soll. Ich habe tatsächlich (wie ich’s immer mache), beim Kauf meines Drifter Rahmens ein Ersatzschaltauge mitbestellt und habe es auch bei einem Bikepacking-Rennen immer dabei (ohne da jetzt nur die Schraube mitzuführen). Genauso habe ich bei meinem Canyon Exceed auch einen zweiten UDH direkt zugekauft. Universelle Verfügbarkeit hin oder her – idealerweise habe ich den natürlich direkt daheim. Bzw. auch den im Reparaturset, wenn ich mit dem Exceed Bikepacke.

      Das ein UDH-komplatibles Dropout aus Metall klobiger und schwerer als eines für ein proprietäres oder für ein Syntace X-12 ausfallen muss, erschließt sich mir nicht. Sehe da auch kein Beispiel für. Im Gegenteil, das Syntace System braucht ja noch genügend „Fleisch“ hinter der Achse, um die Schraube aufzunehmen. Kann man super schick integrieren – gefällt mir ja auch an meinem Drifter sehr. Aber ich sehe da keinen Vorteil für eines von beiden Systemen. Können beide sehr schön und weniger schön ausgeführt werden.

      Jupp, Paragon Dropouts sind weit verbreitet. Es gibt sehr viele Rahmenbauer, die gerade Dropouts von solchen „Schmieden“ zukaufen. Ganz unabhängig von der Art des Schaltauges bzw. gar des Antriebssystems. Wie ich es auch beim Triton Aveiro 3D anmerke, ist der Anteil solcher Zukäufe heutzutage dank 3D-Druck sogar noch höher. Nicht nur Dropouts (dann als UDH, Sliding, mit Flip-Chips, whatever) sondern auch Chainstay-Yokes, Seatcluster und mehr) werden dann gerne zugekauft. Auch die ebenfalls im Artikel erwähnten Tannenwald-Räder – hier werden mindestens die Dropouts zugekauft. Andere Hersteller arbeiten mit einem 3D-Druck Spezialisten zusammen oder – das sind die wenigsten – bauen sich diese Expertise in House auf (ggfs. mit einen externen Partner zusammen).

  6. Und doch halt sowieso nicht zu steif sein darf, weil es ja immer noch den Rahmen schützen soll.

    Das Syntace dropout kann sehr steif sein, weil die Funktion des rahmenschutzes durch die Schraube mit Sollbruchstelle übernommen wird: im Falle einer seitlichen Krafteinwirkung auf das Schaltwerk bricht die Schraube an der Sollbruchstelle statt dass sich das Schaltauge verbiegt wie bei gewöhnlichen Schaltaugen üblich.

    Das ein UDH-komplatibles Dropout aus Metall klobiger und schwerer als eines für ein proprietäres oder für ein Syntace X-12 ausfallen muss, erschließt sich mir nicht. Sehe da auch kein Beispiel für. Im Gegenteil, das Syntace System braucht ja noch genügend „Fleisch“ hinter der Achse, um die Schraube aufzunehmen.

    Da hast du Recht. Mein Vergleich war zwischen UDH und anderen gewöhnlichen Schaltaugen. Das hatte ich vergessen zu erwähnen. Das UDH Gesamtsystem aus Schaltauge und Dropout wiegt ein bisschen weniger wie das Syntace System. Hier https://forum.customframeforum.com/t/udh-standard-or-scam/442/44 gibt es einen Gewichtsvergleich und ein paar Infos (Rest des Threads) zu den Umständen die ein UDH Schaltauge für einen aus Metall gebauten Rahmen macht. Aber wenn man das Ersatzschaltauge mit einrechnet ist es gewichtstechnisch wieder vorteilhaft for das Syntace System:)

    Ich würde einen sonst perfekten Rahmen aber auch mit UDH nehmen.

    Btw, hast du eine Meinung zu dem letzten/jüngsten Kommentar hier https://torstenfrank.wordpress.com/2021/03/04/taschen-setup-fur-bikepacking-von-der-gesamtschau-zum-schwerpunkt-heck-lade-systeme-seatpacks-saddle-bags-panniers-racks-tailfin-und-co/#comments ? Mich würde deine Meinung sehr interessieren.

  7. Das Forum ist tatsächlich ganz cool, vielleicht das beste / nerdigste Forum das es gibt. Gibt es erst seit ein paar Jahren und ist von Daniel, einem Ingenieure bei Neuhaus Metalworks gegründet worden.

    Zwei weitere Foren die ganz gut sind, die auch etwas „unterm Radar“ laufen sind:

    https://www.velocipedesalon.com/forum/forumdisplay.php?f=55&s=9f69bee95144b5558b400bfd7e55e000 (Fokus auf Schweißtechnik, Rahmenbau etc)

    https://forums.thepaceline.net/ (Fokus auf Rennrad, etwas old school).

    1. Vielen Dank, da schaue ich auch mal rein :)

      Das zuvor genannte Forum gibt’s schon seit paar Jahren? Ah – dann bezieht sich der Header mit de Community Update und „6 Monaten“ wohl auf einen Foren-Software-Refresh? Oder steht schon seit Jahren mit dem gleichen Text da… ;-)

  8. Hallo Torsten,

    vielen Dank für die spannenden Artikel. Ich habe zwei Fragen:

    Hattest du schon die Möglichkeit die Lauf Grit Gabel zu testen?

    Und … Ich plane in diesem Jahr mir ein Titan-Bike aufzubauen – es soll ein Custom Bike werden, für schnelle Feierabend Runden auch über Feldwege etc. Man sollte auch 200km schnell, aber trotzdem komfortabel fahren können. Gesetzt ist 40mm oder mehr Reifenfreiheit, elektrische Schaltung und ein zeitloses Design. Das Bikepacking steht nicht im Vordergrund. Es ist schwierig einen guten Überblick zu bekommen, aber Firmen wie Baum, Sturdy, prova, 22bicycles und firefly sprechen mich vom Design her an. Nun zur eigentlichen Frage: Würdest du den Drifter für diese Zwecke empfehlen? Oder würde dein Aufbau aktuell ganz anders aussehen (Modell, Ausstattung…)?

    Beste Grüße – Dennis

    1. Hallo Dennis,

      Danke ganz meinerseits.

      Nein – leider konnte ich noch keine Lauf Grit Gabel testen. Ich würde sehr gerne mal. Manche mögen sie, manche mögen sie überhaupt nicht, weil die Dämpfung fehlt. Aus letzterem Grunde sind diese Gabeln auch ganz bewusst im Federweg beschränkt. Bis zu 30 mm liefert die aktuelle Lauf Grit 3rd Gen.

      Mehr zu Aufbau, Für und Wider habe ich im Abschnitt „Ungedämpfte Blattfedergabel – die Lauf Grit Familie“ dieses Artikels (https://torstenfrank.wordpress.com/2022/07/15/hoher-schneller-breiter-ein-blick-auf-aktuelle-graveltrends-gravelbikes-und-federungssysteme/) geschrieben.

      Übrigens scheint diese Lauf Grit im Windkanal recht gut abzuschneiden. Jedenfalls im Vergleich zur Starrgabel des Felt Gravelbikes. Ob die Lauf nun besonders gut oder die Felt-Gabel besonders schlecht ist, sei dahingestellt und ist nicht bekannt. Bin schon gespannt, wenn das dazugehörige Video (Dylan Johnsonn war mal wieder mit Silca’s Josh Poertner im Windkanal) rauskommt.

      Zum Titan-Bike: klar – mein Drifter passt genau in dein Lastenheft. Würde ich es mir aktuell nochmal neu kaufen? Nein, etwas weiter oben bei „meine neue, aktuelle Shortlist 2024“ erwähnt, gefallen mir die neuen, kantigen vollintegrierten Vorbauten nicht so. Ich würde daher ein Prova Mostro Integrale ganz oben sehen (wenn ich eine Vorbaukappe wählen könnte, die die Zugführung durch diese und nicht komplett durch den Vorbau gewähren kann).

      Ausstattung wäre aber exakt so, wie ich sie derzeit fahre: 2x Sram Red etap AXS (schon gespannt, wie die neue Version wirklich final aussehen wird), superweite Aero-Gravelfelgen, 35 mm Slicks für Straße und leichte, unbefestigte Wege.

  9. Hallo Torsten,

    vielen Dank für die super schnelle Antwort.

    Auf das Video bin ich auch gespannt und das Prova Mostro Integrale ist schon wirklich schick. Rein theoretisch dürfte der Vorbau ja nicht das größte Problem darstellen – zumindest kann ich mir vorstellen, dass man auch bei den anderen Schmieden auf Kundenwünsche eingeht. Superweite Aero Gravelfelgen scheint es nach deiner Forderung ja auch nach und nach zu geben ;-) – die Scope Artech 4.A sehen spannend und leider auch teuer aus. Ich muss mich da auf jeden Fall noch etwas mehr einlesen (aber es macht ja auch Spass…)

    Vielen Dank und beste Grüße

    Dennis

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