Training

Intervals.icu – Trainingseinblicke auf die elegante Art

Ihr trainiert ambitioniert auf dem Rad und wollt eure Fortschritte verfolgen bzw. eure Trainingsinhalte visualisieren? Vielleicht nur auf Basis von Herzfrequenz-Daten? Vielleicht aber auch – dann wird es noch interessanter – auf Basis eines Leistungsmessers, den ihr auch am Rad (oder wenigstens auf dem Smarttrainer für eure Indoor-Einheiten) habt?

Strava oder Garmin.Connect oder so etwas in der Richtung kennt und nutzt ihr zwar, findet aber, dass die Einblicks- und Auswertungsmöglichkeiten doch sehr stark begrenzt sind?

Von spezieller Trainingsanalysesoftware wie z.B. Golden Cheetah (meine hauptsächlich verwendete Software, frei verfügbar hier) oder WKO5 (hier habe ich mir kürzlich WKO5 angesehen) habt ihr vielleicht schon einmal gehört, scheut aber (noch) den Aufwand der Installation und die Lernkurve, die damit verbunden ist?

Gibt es keinen Mittelweg? Doch, den gibt es! Und er ist nicht nur frei verwendbar, sondern auch wirklich richtig gut gemacht. Und er heisst: Intervals.icu.

 Was ist intervals.icu? (und ein paar Anmerkungen zur Langlebigkeit von Daten in Onlinediensten)

Intervals.icu setzt voraus, dass ihr eure Trainingsfahrten auf Strava hochlädt und synchronisiert sich mit eurem zwingend erforderlichen Strava-Account.

Damit liegen diese Strava-Daten jederzeit aktuell in intervals.icu vor, welches euch dann unterschiedlichste Sichten und Analysen darauf und dazu bereitstellt. Intervalle (daher der Name) werden automatisch detektiert. Leistungshistogramme und Critical-Power-Kurven erstellt, klassische Performance Manager Charts (ein Standardwerkzeug in Trainingsanalyse-Software) und viele andere Dinge, die ich gleich in Beispielen zeigen möchte werden in wirklich sehr gut präsentierter Form visualisiert. Dazu werden nicht nur einfach die Daten aus Strava heraus verwendet, sondern automatisch fehlerhafte Leistungs- oder HF-Ausreisser erkannt und verbessert.

Ihr könnt also sehr viel einfacher, sehr viel eleganter und sehr genauer in die Zeitreihen jeder eurer Trainingsfahrten Einblick nehmen, vergleichen, Durchschnitts-Herzfrequenzen oder Kadenzen oder was auch immer für einen bestimmten Abschnitt oder für automatisch bestimmte Intervalle einsehen als dies in Strava möglich ist.

Und eure Leistungsdauerkurven für einen bestimmten Zeitraum werden nicht durch einen Ausreißer eures Leistungsmessers beeinträchtigt. In Strava mögt ihr zwar schon seit längerem auch eine Art Leistungskurve zur Verfügung haben (benötigt Premium-Account und ist dann unter Training/Leistungskurve zu finden) aber a) benötigt das wie gesagt einen kostenpflichtigen Account bei Strava und b) habt ihr keine Möglichkeit, etwaige Aufzeichnungsfehler, -spitzen oder -lücken in Strava selbst zu editieren. Einerseits aus gutem Grund – es wäre ja noch schöner, wenn sich Leute einfach so einen KOM oder Spitzengeschwindigkeiten „schön-editieren“ könnten – andererseits ist das natürlich auch zum Nachteil all derjenigen, die wissen, dass sie da einen Datenfehler in ihrer Aufzeichnung haben und ihn gerne verbessern würden. Wenn ich mir z.B. in Strava für einen bestimmten Zeitraum meine Leistungskurve anschaue, kann ich nicht sicher sein, ob meine maximale Sprintleistung wirklich von mir jemals getreten wurde, oder ob vielleicht nur ein einziger Ausreißer diese Maximalleistung nach oben verfälscht hat. In meiner eigenen Golden Cheetah Datenbank kann ich mir hingegen dessen sicher sein. Denn ich prüfe dort jede Einheit und sollte sich mal ein Fehler einschleichen, kann ich diesen korrigieren.

Selbiges bietet euch auch Intervals.icu. Viel mehr Möglichkeiten, als sie selbst ein bezahlpflichter Premium-Account von Strava bietet und das alles frei verfügbar. Aber natürlich freut sich David, der Kopf hinter Intervals.icu auch über Paypal-Spenden oder über einen Beitritt zu seinem Patreon.

Im Grunde unterscheidet intervals.icu damit nicht all zuviel von WKO5. Dieses benötigt anstelle von Strava mindestens mal einen kostenlosen TrainingsPeaks-Account, mit dem sich WKO5 synchronisiert. GoldenCheetah benötigt ein solches externes Datenportal nicht zwingend. Man kann eines Nutzen, muss aber nicht – das finde ich persönlich einen großen Vorteil. Die Daten liegen bei Golden Cheetah lokal vor (oder in meinem Fall in einer Dropbox) und sie können auch direkt einzeln aus einer Datei importiert werden. Wenn man möchte. Wenn man sie aus Strava oder einem anderen Dienst importieren möchte, kann man das seit der aktuellen Version 3.5 auch tun.

Der Vorteil in der lokalen Datenhaltung ist die Sicherheit der Daten und aller vorgenommenen Aktualisierungen daran. Das kann intervals.icu leider nur bedingt bieten. Wie gerade geschildert, kann intervals.icu Ausreißer automatisch erkennen und beheben. Ich kann aber auch direkt eine Tabellensicht öffnen und die Zahlenwerte von Watt, Herzfrequenz oder Kadenz (die üblichen Verdächtigen) editieren. Nur – es gibt keine Möglichkeit, diese Änderungen wieder nach Strava zurück zu spiegeln. Das lässt Strava aus oben erläutertem Grund nicht zu und sieht es nicht vor. Diese Daten liegen also nur bei Intervals.icu und eurem Account dort vor. Und auf die Langzeit-Sicherheit dort (oder bei ähnlichen Online-Diensten) würde ich nie wetten wollen. Meine eigenen Trainingsaufzeichnungen in Golden Cheetah reichen bis 2012 zurück. In dieser Zeitspanne wurden hunderte hoffungsvolle und teilweise richtig gute Online-Dienste gegründet, sind aufgestiegen und auch wieder sang- und klanglos verschwunden. Wurden mangels verfügbarer Zeit eingestellt, waren nicht profitabel, wurden aufgekauft und irgendwo integriert, was auch immer. Und ein Service muss nicht mal aufgegeben werden, dass wichtige Daten verloren gehen, korrumpiert werden oder eine entsprechende Möglichkeit plötzlich zahlungspflichtig wird… Deswegen nutze ich zwar diverse Online-Dienste gerne. Daten, an denen mir wirklich etwas liegt (und das betrifft alle von mir erzeugten Daten, seien es jetzt GPS-Tracks, Trainingsaufzeichungen oder Fotos), liegen deswegen auf jeden Fall auch oder nur bei mir Zuhause (samt zugehörigem Backup-Konzept natürlich). Aber das ist hier ja nur Nebenthema. Ich möchte euch ja kurz Intervals.icu vorstellen. Und zwar als niederschwellig zugängliche Online-Lösung mit hervorragender Grafik und schönen Auswertefunktionen, allerdings ohne direkt eine eigenständige lokale Analysesoftware installieren zu müssen.

David schreibt über seine Motivation selbst „Intervals.icu is a fun side project. I wanted to learn more about cycling training and some new front-end tech. Both boxes ticked!“ 

Ich finde es faszinierend, mit welcher Schnelligkeit und Frequenz David Anpassungen und Ergänzungen vornimmt. Aber – das ist halt alles nicht garantiert und wenn er irgendwann mal keine Zeit oder Lust mehr hat… Aus diesem Grunde spiele ich momentan gerne immer mal wieder ein wenig mit Intervals.icu herum, würde aber nie auf den Gedanken kommen, aufwendig meine Daten dort zu editieren oder ausführliche Notizen dort anzulegen und auf die Langlebigkeit dieses Projekts zu setzen. Die mag gegeben sein, oder auch nicht. Meine Notizen und Datenedits halte ich persönlich lieber lokal in Golden Cheetah.

Muss ich mich mit Trainingslehre und Abkürzungen wie TSS, FTP und CP-Kurve auskennen, um Intervals.icu verwenden zu können?

Ja und nein und – ja, doch.

Aber erstmal zum „nein“. Nein, für den Einstieg braucht ihr das nicht. Denn der wird euch durch intervals.icu wirklich einfach gemacht. Und das ist nicht nur für den Einsteiger von Vorteil. Auch für den vielleicht schon alten Hasen ist es von großer Hilfe, in gut präsentierter Form zu jedem Wert, zu jeder Grafik und jeder Kurve eine Erläuterung zu bekommen, ggfs. direkt einen Verweis auf die zugrundeliegende Veröffentlichung zu erhalten und im Klartext neben einem Diagram erklärt zu bekommen, was man da gerade sieht und was man damit machen kann.

Als Beispiel hier mal die sehr schöne Art, sich das sogenannte Aerobic Decoupling einer Einheit anzuschauen mit samt bewegbaren Schiebern und Erläuterungstext daneben. Ich kann mich gar nicht oft genug wiederholen, wie elegant und gut auffassbar ich die gewählten Grafiken, Farben, Linienarten und weiteren Diagrammbestandteile finde und wie performant sich das alles bedienen lässt. Hier können sich WKO5 und GoldenCheetah große Scheiben abschneiden!

Und ihr könnt auch auf fast jede Metrik klicken und es erscheint ein erläuterndes Pop-Up Fenster: 

Aber ihr seht vielleicht schon: natürlich, wenn ihr aus all dem wirklich Schlau werden wollt, kommt ihr nicht umhin, den Links mal hierhin und dorthin zu folgen und euch so ganz automatisch und interessensgeführt mit der Materie zu beschäftigen.

Deswegen sei unabhängig zu diesen Onlinequellen eine Buchempfehlung gestattet: „Training and Racing with a Powermeter“ von Hunter Allen und Andrew Coggan im englischen Original seit letztem März in der 3. Ausgabe verfügbar (https://www.amazon.de/Training-Racing-Power-Meter-Hunter/dp/1937715930). Ich habe noch die erste Version und kann dieses Buch als eine sehr gute Einführung nicht nur in das Leistungsmesser-gesteuerte Training sondern in die entsprechenden zugrundeliegenden Konzepte, Begriffserläuterungen und auch einer Einführung, wie man sich passende Trainingspläne zusammenstellen kann, empfehlen. Es gibt auch eine deutsche Übersetzung. Wenn ich das richtig sehe, ist diese aber noch auf dem Stand der Erstausgabe von 2015.

Übersicht einiger besonders interessanter Grafiken und Auswertungen

Nach diesen einführenden Beschreibungen möchte ich einfach ein paar Beispiele für in meinen Augen gelungene Auswerte- und Übersichtsdarstellungen zeigen.

Alles im Überblick inklusive Wochensummen

So ist z.B. direkt die Standard-Kalenderübersicht sehr informativ gestaltet. Das ist die „Activities“ Übersicht in intervals.icu. Ihr seht auf einem Blick alle Einheiten mit ihrer Dauer und Länge. Dazu die wirklich interessierenden und wichtigen Parameter Durchschnitts-HF und -Leistung sowie Trainingsload. Erkannte bzw. von euch angepasste Intervalle sowie in der linken Spalte eine sehr praktische Summierung der wöchentlichen TSS, der verbrauchten kcal (die aus Strava kommen und nur verlässlich sind, wenn ihr mit Powermeter fahrt), der Höhenmeter und vor allem sehr interessant auch die Summierung der „Time in Zones“, also der in den jeweiligen Trainingszonen verbrachten Zeit.

Detailansicht und Intervall-Erkennung

Klickt man auf eine dieser Einheiten, öffnet sich die Detailansicht dieser Einheit. Mit einer sehr gefälligen und gut erkennbaren Darstellung der Zeitreihen, die man auch nach Herzenslust editieren kann. Weitere Charts hinzunehmen, wegschalten, Metriken ergänzen usw. Vergleiche ich die Möglichkeiten von WKO5, Golden Cheetah und Intervals.icu sind für mich die Kurven von ihren Werten und vom Inhalt her hier am einfachsten und klarsten zu erfassen. Besonders die 30s Power Kurve zeigt mit ihren gut gewählten Farben (was Farbe, Helligkeit und Sättigung sowie Strichstärken angeht) eindeutig, in welcher Zone ich wann und wie unterwegs war.

Oben drüber seht ihr die automatisch erkannten Intervalle, die hervorgehoben und gelabelt sind. In der Abbildung handelt es sich um eine Trainingseinheit, in der ich eine extensive (also unterhalb FTP) Dauereinheit gefahren bin. Im Sweetspot-Bereich. Und zwar nicht als eine Reihe von Intervallen, sondern Ziel war, das solange mit meinen Zielbereich zu fahren, wie es nur eben ging. Ihr seht, dass die automatisch erkannten Intervalle das nur so mittelmäßig abbilden. Einerseits zeigen sie natürlich die Wahrheit auf (nach rd. 16 min war halt tatsächlich eine Ampel rot, nach einer Stunde musste ich halt durch Halver fahren und da paar mal abbiegen oder auch mal hinter einem Auto warten), andererseits sieht man ja mit dem Auge, dass da ein großes und ganzes Intervall dahintersteckt und mich persönlich interessiert halt das Gesamt-Intervall, auch wenn es ein paar kurze Bereiche hat, wo ich die Leistung rausnehmen musste. Aber nichts einfacher als das. Man packt mit der Maus einfach die Seite eines Intervalls an und zieht es bis zum nächsten. Diese schnappen dann zu einem großen Intervall zusammen. Das sieht dann z.B. so aus:

Ihr seht, ich bin da 1,5 h mit im Schnitt 238 Watt gefahren, bevor ich es habe gut sein lassen und dann in Zone 2 weitergefahren bin. Diese Anpassung merkt sich intervals.icu. Solche Daten und Anpassungen sind natürlich komplett inkompatibel mit Strava und können daher auch nicht zurücksynchronisiert werden. Sie bleiben mit eurem intervals.icu Konto verknüpft.

Indoor- vs. Outdoor-FTP

Die folgenden zwei Grafiken habe ich mal als Beispiel genutzt, um euch die Möglichkeit der Notiz-Eingabe zu zeigen und auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass man in intervals.icu separate Indoor- und Outdoor-FTP Werte eingeben kann, die dann automatisch auf entsprechende Einheiten angewendet werden. Das ist wichtig, wenn – und das ist nach allem, was ich in den letzten Jahren in Erfahrung bringen konnte, eher die Regel als die Ausnahme – eure Indoor-FTP von eurer Outdoor-FTP signifikant abweicht. Bei mir sind das rund 15 Watt, die ich dafür immer ansetze. Das ist aus zweierlei Gründen wichtig: Zum einen, damit euer Performance-Manager stimmt, der die Trainingsbelastung ausweist. Ihr könnt euch vorstellen, dass es ein Unterschied ist, ob ihr bei einer FTP von 200 Watt die ganze Zeit mit 200 Watt oder halt nur mit der Hälfte, mit 100 Watt fährt. Entsprechend weniger wurdet ihr belastet, entsprechend weniger ist der Trainingsstress. Wie korrekt kann also euer Trainingsstress sein, wenn ihr draußen viel leistungsfähiger als drinnen seid, sagen wir einfach mal 20 Watt höher, ihr aber eure Draußen-Fahrten an eurer Indoor-FTP bemisst? Ihr würdet ja viel zu hohen Stress aufzeichnen, in Realität aber viel entspannter unterwegs sein. Deswegen: wie Intervals.icu es anbietet, ist es richtig.

In der folgenden Abbildung seht ihr eine Indoor-Einheit mit 4 vollen Sweetspot-Intervallen und einem fünften mit reduzierter Leistung. Mit meiner damaligen Outdoor-FTP von Anfang Juni (268 Watt) hätte diese Einheit einen Trainingsload (TSS) von 115 erzeugt. Insgesamt hätte die relative Intensität 75 % betragen (100 % wäre, wenn ich die gesamte Zeit meine FTP-Leistung getreten hätte).

In der Tat war die Einheit aber etwas intensiver, weil ich sie innen absolviert habe. Mein indoor-FTP (ich bestimme diese regelmäßig mit Ramp-Tests in Trainerroad) betrug zur selben Zeit 253 Watt. Richtigerweise muss also ein Trainingsload von 129 TSS und eine relative Intensität von 80 % verbucht werden und in meinen Belastungshistorie eingehen:

Anhand der Intervall-Markierungen seht ihr auch, dass je nach Maßstab (Indoor- oder Outdoor-FTP) die einzelnen Intervalle mit 85 oder 90 % meiner Schwellenleistung gefahren wurden. 90 % ist richtiger. Aber unabhängig von 85 oder 90 % – beide Intensitäten decken den angestrebten Sweetspot-Bereich ab. Innen natürlich aber trotzdem noch unter anderen Randbedingungen. Wie deutlich höherer Belastung des kardiovaskluären Systems, dass viel höherer Kühllast unterliegt und höhere Herzfrequenzen erzeugt. Und natürlich werden auf einem stationären Indoor-Trainer auch leicht andere Aktivierungsmuster der Muskelfasern wie auch teilweise andere Muskeln (Halteapparat etc.) angesprochen. Bei allem Wert von Indoor-Training (Wiederholbarkeit, genaues Einhalten auch komplexer und kurzer Intervalle, kein ungewollter Leerlauf) ist es doch kein vollständiger Ersatz, sondern immer nur Ergänzung für „the real deal“, das Fahren draußen. Nicht nur wegen des Erlebnisses. Nein, auch wegen des Trainingsstimulus. Und dabei habe ich von Fahrtechnik noch gar nicht angefangen zu reden. Doch das hier alles nur am Rande. 

Ihr habt vielleicht noch eine weitere FTP-Angabe in diesen Abbildungen erspäht. Oben links steht jeweils ein „eFTP“ bezeichneter Wert. Führt ihr die Maus darüber (nicht in meinem Blogbeitrag, sondern wenn ihr live in intervals.icu seid), seht ihr die Erläuterung. Das ist die Estimated ftp, die invervals.icu automatisch aus euren entsprechenden Einheiten extrahiert und festhält, wenn es einen neuen Höchstwert ermittelt. Das ist einerseits ganz praktisch, andererseits mit Vorsicht zu genießen.

Wo kommen „meine“ 254 Watt in den beiden Beispiel-Abbildungen her? Nicht aus einem speziellen Test, sondern aus einer 5,5 Stunden Fahrt, wo ich nach 3 Stunden Fahrtdauer ein Strava-Segment angegangen bin. Und das auch nicht als FTP-Test gepaced habe, sondern einfach reingefahren und gegen Ende in der Steigung immer schneller wurde. Für 23 Minuten kamen so im Schnitt 263 Watt heraus und daraus hat intervals.icu 254 Watt eFTP gemacht. Besser als nichts, aber für draußen zu gering und die nahe Übereinstimmung mit meiner Indoor-FTP ist auch nur zufällig. 

Performance Manager / Fitness Übersicht

Intervals.icu bietet auch eine sehr schöne „Fitness Übersicht“ bzw. einen schönen Performance-Manager. Dieser zeigt euch den Verlauf der Trainingsbelastung und anderer Parameter über verschiedene, einstellbare Zeitspannen. Auch hier können wieder verschiedene Kurven hinzu und weg-geschaltet werden. Ich habe z.b. Ramprate als gleitendes Mittel und als Wochen-Treppenkurve dargestellt. Und dazu noch die Arbeitsleistung der einzelnen Einheiten als Säulen (Work). So sehe ich nämlich in dieser Übersicht auch sehr schön die einzelnen Einheiten und wie sie zu der Fitnesskurve in Relation stehen bzw. zu dieser beigetragen haben.

Hier seht ihr im oberen Bereich die akute und chronische Trainingsbelastung, manchmal, und so auch hier, als Ermüdung (fatigue) und Fitness bezeichnet. Und darunter die Differenz aus beiden, die dann Form genannt wird. Nun ist das keine reine Lehre und jeder reagiert anders – aber trotzdem können die farbig unterlegten Bänder ein sehr guter erster Anhalt sein. Ist die Kurve im blauen Bereich, seid ihr wahrscheinlich frisch und gut erholt. Fertig für ein Rennen oder gut erholt nach einer leichten Woche, die auf einen Belastungsblock von 3, 4 oder 5 Wochen folgen sollte. Steigt die Kurve noch weiter an, seid ihr im Transitionbereich. Also tiefe Entlastung am Ende einer Saison oder Teilsaison. Oder einfach ein Zeichen, dass ihr viel zu lange schon nicht mehr sinnvoll auf’s Rad gekommen seid und euch im De-Trainingsbereich und Formverlust befindet. Oder – ihr seht das bei mir im Bereich März – ihr erholt euch gerade von den Strapazen eines Bikepacking-Rennens quer durch Marokko und müsst erst mal eure Großzehensehne ausheilen lassen… Die Graue Zone ist der mittlere Bereich – sozusagen Erhaltungs-Training. Und drunter wird’s dann interessant. Grün wäre ein optimaler Trainingsreiz und rot dann ein – je nach Verständnis, Individuum und auch Tiefe des Abtauchens der Kurve in diesen roten Bereich unterschiedlich zu sehender – hoher bis sehr hoher Trainingsreiz, der aber auch schon risikobehaftet sein könnte. Jedenfalls, wenn man zu tief und zu lange darin verharrt.

In Golden Cheetah sieht dieselbe Sicht so aus. Man braucht dazu sogar zwei verschiedene Charts. Einmal der klassische Performane-Manager bzw. die Trainingload-Seite von Golden Cheetah:

Und dann die standardmäßig nicht verfügbare Sicht mit den Trainings-Wirksamkeits-Bändern. Diese muss man sich erst in den Optionen von Golden Cheetah herunterladen:

Ich mag die Klarheit der Darstellung in intervals.icu etwas mehr als die etwas altbacken 90er Jahre Style-Grafiken von Golden Cheetah, muss ich sagen.

Aber bei aller Klarheit und Übersichtlichkeit – noch genauer Hineindrillen und auch eigene Formeln hinterlegen – das geht halt dann doch nur in Golden Cheetah. Und am Beispiel des Atlas Mountain Race (AMR) kann ich auch nochmal auf den Nachteil von intervals.icu hinweisen, dass dieses natürlich auf die Synchronisation mit Strava angewiesen ist. Gerade die Daten des AMR habe ich im Hinblick auf die aufgewendete Arbeit editiert, indem ich die Schiebestrecken mit einem einfachen Modell in den geleisteten KiloJoule berücksichtigt und addiert habe. Meine GoldenCheetah Daten sind hier viel aussagekräftiger, als es die Strava-Daten sein können. Das ist aber sicher ein Sonderfall.

Aerobes Decoupling

Nochmal zum Aeroben Decoupling, welches ich ja Eingangs bereits als Beispiel der Eleganz der Grafiken und der jeweils zur Verfügung gestellten Erläuterungen benutzt habe. Das ist ein relativ interessantes Konzept, welches hier in Intervals.icu auch wirklich einmal so gut benutzbar implementiert wurde, dass sich weiteres Experimentieren damit lohnt (was ich noch nicht gemacht habe). Hintergrund: Gerade für Langstreckenfahrer ist die aerobe Leistungsfähigkeit auf Dauer ein wichtiger Parameter. Wesentlich wichtiger als einfach nur eine hohe FTP (die aber natürlich hilft) oder Sprintfähigkeiten (die in Kriterien für das Lückenschließen oder für Zielsprints wichtig sind) zu besitzen. Wie gut es um die Basisausdauer bestellt ist, zeigt u.a. die Reaktion der Herzfrequenz auf längere Dauereinheiten, in der die Belastung nicht wesentlich fluktuiert. Sondern gleich gehalten wird. Sportler mit besonders gut ausgeprägter Basisausdauer (die auch das Fundament für alle weiteren, auch hochintensiven Einheiten darstellt) können lange mit gleicher Leistung fahren, ohne dass sich ihre Herzfrequenz ändert. Bei allen anderen stellt sich ab einem gewissen Punkt eine sogenannte Drift ein. Ihr leistet nicht mehr, und trotzdem wird es für euch anstrengender, muss euer kardiovaskuläres System mehr leisten, steigt langsam die Herzfrequenz. Das ist das sogenannte Aerobic Decoupling, das man zu quantifizieren versucht. Grob gesagt: ihr seid umso fitter, je längere Einheiten ihr fahren könnt, ohne dass eine HF-Drift einsetzt. Problem: die Herzfrequenz reagiert halt auch auf so viele andere Dinge. Auf euren Ermüdungszustand (dann ist das aber auch eine gute Information), auf das Wetter, auf die Höhe usw. Ihr braucht euch jetzt nicht über eine riesige HF-Drift wundern oder ärgern, wenn ihr die für eine Fahrt auf das Stilfser Joch feststellt. Alleine die Höhenzunahme sorgt dafür, dass ihr trotz gleichbleibendem Output (Leistung auf dem Pedal) mehr Anstrengung (zunehmend weniger dichte Luft, schnellere Atmung, höhere HF) investieren müsst. Gleiches gälte, wenn ihr in der Morgenfrische startet und dann in einen schwül-heissen Tag hineinradelt. Und was ist, wenn anfangs das Trikot geflattert hat, bzw. ich euch länger oder kürzer warm gefahren habt oder anderweitig die Leistung doch reduziert habt. Oder bereits früh gegen Ende die Leistung herausgenommen habt? 

Ihr seht, mit einer einfachen Berechnung einer einzigen Maßzahl „aerobe Entkopplung“ in Prozent über die gesamte Einheit ist es nicht getan. Hier in Intervals.icu habt ihr die Möglichkeit, auf einfachste Art mit Schiebereglern den Anfang und das Ende des Bereiches, der zur Ermittlung Gültigkeit haben soll zu bestimmen. Und ihr seht sofort die Aufteilung der HF-Bereiche und Trendgeraden für die daraus resultierende erste und zweite Hälfte der Einheit:

Dazu könnt ihr euch auch eine Dauerkurve der gleitenden Aerobic Decoupling-Kurve anschauen. Hier mal anhand einer anderen Einheit, der mit der 1,5 h langen Sweetspot-Leistung, ansehen:

Time in Zones und Power Curve

Eine andere schöne Darstellung hat wieder mit den „Time in Zones“ zu tun. Das ist jetzt nicht außergewöhnlich oder nirgendwo anders zu finden – schön gemacht finde ich es aber doch. Auch, dass ganz separat nochmal der für mich (höhere VLa max, die es durch Sweetspot zu reduzieren gilt) sehr interessante Sweetspot-Bereich ausgewiesen ist. So kann man für jede Trainingseinheit eine schöne Übersicht der Mean-Max- oder Critical Power Curve, des Leistungshistogramms (Säulendarstellung der Zeit in Leistungsklassen) und der Zeit in den einzelnen Trainingszonen erhalten:

Auch hier habe ich wieder das Beispiel der extensiven Sweetspot-Dauereinheit gewählt. Und man sieht auf einen Blick, dass ich im Verlauf der gesamten Einheit 46 Minuten in Zone 3, also Tempo-Bereich, und 58 Minuten in Zone 4, also dem Schwellenbereich, definiert zwischen 91 und 105 % der FTP, verbracht habe. Der Sweetspot-Bereich ist in Intervals.icu zwischen 84 und 97 % der FTP definiert und ist unten als SS nochmal separat ausgewiesen. Im Beispiel waren es 1 Stunde und 15 Minuten.


Zusammenfassung

Intervals.icu ist in meinen Augen eine lohnenswerte Ergänzung zu Strava, wenn man etwas genauer in seine Trainingsdaten Einblick nehmen will und erste oder weitere Schritte hin zu informierten Trainingsentscheidungen und -Auswertungen unternehmen möchte. Es setzt einen aktiven und gepflegten Strava-Account voraus. Dieser muss jedoch kein bezahlpflichtiger sein. Es bietet in meinen Augen sehr gefällige und gut dargestellte Auswerte- und Übersichts-Grafiken dar, die zudem auch elegant anpassbar und bedienbar sind. Darüber hinaus sind alle Parameter und Grafiken sehr gut erklärt bzw. mit weiterführenden Links für Grundlagen-Informationen versehen. Als solches kann Intervals.icu sogar für Nutzer von Analysesoftware wie WKO5 oder Golden Cheetah für die eine oder andere Darstellung oder den schnellen Blick auf das aerobe Decoupling von Interesse sein. 

Die Reaktionsgeschwindigkeit des Autors David Tinker und die Abfolge von Anpassungen und Nutzer-Anfragen-Implementierungen ist teilweise phänomenal. Der Vorteil des niedrigschwelligen Zugangs (online, kostenlos, einfach mit dem Strava-Account verknüpfen) ist gleichzeitig auch ein Nachteil: niemand weiss, wie lange und intensiv dieses Produkt gepflegt wird und wie es um die Sicherheit und Langlebigkeit von vielleicht mit hohem Aufwand eingegebenen Notizen und Intervall-Anpassungen bestellt ist. Aber das Gute – all dies braucht es gar nicht, um sofort und aus dem Stand hohen Nutzen aus intervals.icu ziehen zu können. Deswegen: Reinschauen lohnt sich auf jeden Fall.

10 Kommentare

  1. Das war sehr interessant. Ich habe mich direkt angemeldet und bin von dem Front End begeistert. So clean und übersichtlich stelle ich das vor. Besonders die Erklärungen zu einzelnen Grafiken oder Kennzahlen und weiterführende Links sind außergewöhnlich. Bei Golden Cheetah (auch meine Analyse Software Nummer 1) merkt man m.E. dass der Fokus der involvierten Programmierer auf der Kernfunktion, nicht aber bei der UX liegt. GC mit einem Intervalls Front End, dass wäre es! Eine Schwierigkeit die mit solchen Strava-nutzenden-Diensten passieren kann, ist, dass Strava die jeweilige Nutzung der Daten nicht mehr genehmigt. Das würde nicht zum ersten Mal passieren. Ich werde das Projekt auf jeden Fall weiter verfolgen. Danke für den Tipp

  2. Danke für den Tip! Hatte bis jetzt StravistiX (ein Browser Plugin) für diesen Zweck im Einsatz. Leider scheint Strava die Daten das Plugin nicht mehr uneingeschränkt zu liefern..

  3. Danke für den sehr interessanten und ausführlichen Artikel – auch generell Kompliment zum gelungenen Blog! Darf man wissen, mit welchen Sensoren Du Dich ausgestattet hast bzw. welche „Hardware“ Du verwendest? Also Fitnessarmband, Brustgürtel, sonstige Sensoren etc.? Hier ist ja die Datenqualität oft recht unterschiedlich. Vermutlich steht das auch irgendwo auf dem Blog – ich werde auf jeden Fall man danach suchen.

    1. Hallo Oliver, vielen Dank.
      Ja – such doch mal. Vielleicht sollte ich mal einen Oster-Ei-Such-Wettbewerb ausloben… ;-)

      Ich habe einen Wahoo-Tickr HF-Brustgurt. Und dann an jedem Rad Leistungsmesser. Warum gerade welche an welchem Rad wäre fast einen Artikel für sich selbst wert. Aber alle, die ich habe, funktionieren tadellos, fire and forget und sind verlässlich. Was man noch vor wenigen Jahren nicht vom gesamten Markt behaupten konnte. Und wahrscheinlich immer noch nicht so wirklich kann.

      Am Drifter habe ich den Quarg Powermeter, den ich schon am Vorgängerrad in Form der Quarg DZero Kurbel hatte. In der red etap AXS ist er jetzt direkt in der Kurbelblatt-Einheit integriert.

      Am Rose Thrill Hill habe ich den Powerw2max NG MTB. Bewusst der NG und nicht NGEco. Ein völlig problemloser und guter Powermeter, mit dessen Vorgänger ich vor einigen Jahren schon gute Erfahrungen gemacht hatte. Praktisch: gibt’s in zig verschiedenen Versionen. Z.B. auch in der von mir benötigten als Spider für Shimano Direct Mount.

      Und am Canyon, welches schon seit Monaten sein Dasein auf dem Smarttrainer fristet, habe ich die Powertap P1 Pedale. Wieder: Zum Kaufdatum damals die für mich besten Pedale: Garmin hatte sich immer noch in ihren Vector-Varianten verirrt und kämpfte mit losen Batteriedeckeln, Fehlmessungen bei falschen Anzugsmomenten und genereller Unzuverlässigkeit. Sowie war gerade erst dabei, diesen störenden Zusatzpod loszuwerden, der auch Restriktionen bei der Kettenstrebenfreiheit etc. mit sich brachte. Favero hatte noch den Vorgänger vom Assioma. Den hatte ich, der war auch ganz nett, aber hakelig beim ein- und ausklicken sowie ebenfalls anfällig bei ungenauem Drehmoment in der Montage. Die P1 Pedale hingegen: Dranschrauben, fertig. Anzugsmoment egal. Sehr praktische Dinger, auch für Radwechsel. Z.B. wenn’s mal das Bahnrad sein soll. Oder das gemietete Rad auf Mallorca.

      Mit den Leistungsmessern habe ich dann alles, was ich brauche: Drehmoment, Leistung, Kadenz. Geschwindigkeit kommt über GPS-Messung. Herzfrequenz vom Gurt (außer, wenn ich ein Bikepackingrennen bestreite – dann will ich mit dem nicht rund um die Uhr zu tun haben).

  4. Hallo torsten,
    Ich bin gerade über deinen Erfahrungsbericht gestolpert und finde die Zusammenfassung genial.
    Ausser Radfahren (MTB und Renner) betreibe ich noch etliche andere Sportarten (Langlauf, Badminton, Skiroller). Inwieweit kann ich hier ebenfalls über Strava, meine Daten übermitteln und mir die korrekten Werte für fatique udgl. anzeigen lassen? Oder ist das Programm ausschl. für das Radfahren am Renner konzipiert?
    Danke dir,
    Thomas

    1. Hallo Thomas, probier’s einfach aus. Intervals.icu kann auch mit Pace für Laufen und Schwimmen umgehen. Ist also Multisportfähig – zumindest was Ausdauersportarten angeht. Ob Badminton irgendwie sinnvoll da unterzubringen ist, müsstest du sehen. Da kommt auch hinzu, wie sinnvoll oder nicht es ist, einen Stress-Score daraus abzuleiten.

      1. hallo Torsten,
        hab eh auch gleich eine Registrierung gemacht. die 1300 Datensätze brauchten eine weile um eingespielt zu werden. es wird alles korrekt angezeigt.
        wie man die HF-Bereiche definiert,weiß ich noch nicht.
        ansonsten macht die Software einen guten Eindruck.
        muss mich noch einlesen

  5. Sehr guter Beitrag. Habe aufgrund dessen Intervall.icu auch direkt ausprobiert. Leider werden keine Daten von meinem Wahoo Kickr übertragen, obwohl die indoorfahrten alle in Garmin Connect sind und Intervall.icu mit Garmin connect verbunden ist

    1. Hallo Andreas, d.h. du synchronisierst Intervals.icu nicht über Strava, sondern nutzt Garmin.Connect direkt? Tjoa – kann da mangels eigener Nutzung da nichts zu beitragen, woran es da bei Garmin.Connect und Intervals.icu im Allgemeinen und bei dir im Speziellen liegen könnte. Aber schau doch da einfach mal in’s Forum. Gerade der Autor da ist super schnell, was Trouble-Shooting oder gar ganz neue Features angeht.

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