Dies ist Teil 2 einer Artikel-Trilogie. Ja richtig, es wird jetzt doch eine dreiteilige Artikelserie, nachdem ich im ersten Teil noch davon ausging, die Inhalte auf zwei Teile aufzuteilen. In diesem ersten Teil schrieb ich zur Motivation, warum ich mir wieder (noch) ein Mountainbike gekauft habe und warum es eine Dropbar, also einen Rennlenker, bekommen sollte.
Geworden ist es dann letztlich ein Canyon Exceed, welches ich mir als Plattform für meinen Aufbau – oder besser gesagt, Umbau – auserkoren hatte. Warum gerade das Canyon Exceed, damit hat der erste Teil dieser Artikelserie geendet.
Kurz wiederholt: im Exceed fand ich die gewünschte Rahmenform mit einer für ein modernes Hardtail sehr konservativen Oberrohrhöhe und damit einem vernünftig nutzbarem Rahmendreieck, eine nahezu vollintegrierte Zugführung durch die Abdeckkappe des Steuersatzes, ein elegantes Rahmendesign inklusive einer internen Sattelstützenklemmung und das alles – das hatte ich noch nicht angesprochen – in einer Vielzahl von unterschiedlichen Ausstattungsvarianten verfügbar. Stichwort hier auch: wirklich verfügbar.
In dem Zusammenhang weniger wichtig waren mir: Rahmenmaterial ggfs. aus Titan oder auch Anbauteile für das Bikepacking wie z.B. Montage-Ösen für eine Top-Tube-Bag, Unterrohr-Flaschenkäfigmontage oder Gepäckträger. Zum einen war dieses Rad zunächst einmal als „Proof of Concept“ und Spaß-Plattform gedacht. D.h. um der Frage nachzugehen: Würde mir ein Hardtail als Zwischending zwischen meinem Gravelbike (mein 22Bikes Drifter) und meinem vollgefederten Mountainbike (mein Rose Thrill Hill) Spaß machen und würde mir es nach wie vor gefallen, wenn ich dann Dropbars montiert habe?
Zwei Fragen, denen ich nachgehen wollte, bevor ich mir dann vielleicht später mal ein Custom-Rahmen aufbauen lasse.
Zum anderen ist es aber auch so, dass ich auch bisher Anbauösen nicht so wirklich vermisst habe bzw. die, die ich an meinem Gravelbike habe, auch nicht als absolut lebensnotwendig erachte. Ja – sie sind ganz praktisch; ich habe welche für Gepäckträger hinten sowie für Unterrohr-Flaschenmontage. Nutze ich auch beide. Aber die Taschenlösungen, die ich verwende, funktionieren ohne diese Anbaumöglichkeiten genauso gut.
Ich habe somit schon zwei wesentliche Themen angesprochen: Ausstattungsvarianten und Proof of Concept.
In diesem Artikel nähern wir uns nun dem konkreten „Wie“. Wie habe ich mein Exceed zum Dropbar-MTB umgebaut? Wie gut funktioniert das mit dem Rennlenker am MTB und was muss man beachten? Wie funktioniert die Lenkgeometrie an einem Fahrrad und was muss ich wissen, wenn ich mit unterschiedlichen Vorbaulängen und Lenkerbreiten sowie -Formen experimentieren möchte.
Wie kann ich bereits im Vorfeld, bevor ich Geld in die Hand nehme oder aufwendige Umbaumaßnahmen starte, herausfinden, ob ich ein gefälliges Lenkverhalten erwarten kann und ob es dafür anderer Vorbaulängen bedarf?
Im dritten und letzten Teil folgt dann, welche Teile ich dafür von der ursprünglichen Ausstattung des gekauften Komplettrades austauschen musste.
Ihr findet in diesem Artikel also den folgenden Inhalt:
- Vorbaulänge und Lenkerbreite: Bikefit und Lenkverhalten
- Bikefit und Lenkerbreite sowie Reach / Backsweep
- Vorbau länger oder kürzer?
- Auswirkungen von Vorbaulänge und Griffbreite auf das Lenkverhalten
- Fazit zum Lenkerumbau
- Bikefit im Vergleich zwischen Flatbar-MTB, Dropbar-MTB und Gravelbike/Rennrad
- Fahrtest-Eindrücke zum Canyon Exceed: Schritt für Schritt von der Flatbar zur finalen Dropbar-Konfiguration
Dann legen wir mal los. Wir werden sehr praktisch, gleichzeitig brauchen wir aber auch ein paar Zahlen und etwas Theorie zum Lenkverhalten eines Rades. Keine Sorge – nicht viel Theorie und diese ist mit sehr anschaulichen Grafiken sowie konkreten Zahlenbeispielen meines Rades versehen.
Vorbaulänge und Lenkerbreite: Bikefit und Lenkverhalten
Das Handling und das Lenkverhalten eines Fahrrades wird durch eine Vielzahl von Geometrie-Entscheidungen beeinflusst und ist in der Tat immer noch nicht vollständig durchdrungen (siehe z.B. „Rätselhafte Stabilität, Artikel in Spektrum.de vom 27.10.2016„). Und das trotz aller physikalischen Grundgleichungen und über Hundertjähriger Erfahrung.
Aber trotzdem können wir natürlich hervorragende Fahrräder bauen und wissen auch um die wesentlichen Parameter, die für gewünschtes Fahr- und Lenkverhalten verantwortlich sind. Dazu zählen vorrangig der Steuerrohrwinkel (Head tube oder Steering tube angle), die Gabelvorbiegung (Rake oder Offsett) und der Nachlauf (Trail). Der Nachlauf ist der Abstand zwischen dem gedachten Punkt, an dem die Achse des Steuerrohrs den Boden schneidet und dem Punkt, an dem der Vorderreifen denselbigen berührt. Er ist also auch von der Reifengröße abhängig (und ändert sich damit bei Gravelbikes teilweise signifikant, wenn man unterschiedliche Laufräder bzw. Reifen aufzieht – von z.B. 28 mm für reinen Straßeneinsatz über 35 mm bei leichtem Gravel bis zu vielleicht 45 mm für gröbere Events). Bei typischen Rennrädern und typischen Mountainbikes bleibt er dagegen sehr konstant. Weil man da eigentlich nie von der gewohnten Reifenbreite (und damit in dem Zusammenhang Reifenhöhe) abweicht.
Die gerade genannten Parameter bleiben bei einem Dropbar-Umbau also konstant. Daneben haben aber auch die Vorbaulänge und die Lenkerbreite ebenfalls Einfluss auf das Handling und wie agil auf der einen Seite oder wie gut geradeauslaufend auf der anderen Seite (positiv gesehen) oder wie nervös oder schwerfällig die Lenkung (negativ gesehen) ist. Sie können Steuerwinkel und Nachlauf nicht komplett kompensieren oder negieren, aber sie können deren Effekte verstärken oder Dämpfen. Also ein nervöses Rad noch nervöser machen oder auch etwas weniger nervös lenkend. Sie haben aber z.B. absolut keinen Einfluss, wenn ihr freihändig fahren würded. Ein da nervöses Rad wird durch keine Lenker-Vorbau-Kombi der Welt zu einem vertrauenerweckenden Geradeauslaufdampfer. Und umgekehrt, aus einem Dampfer macht auch der kürzeste Vorbau kein agiles Slalomwunder.
Aber dennoch sind die Vorbaulänge und Lenkerbreite enorm wichtig. Nicht nur für das Handling, sondern auch für unsere Haltung auf dem Rad, d.h. für das Bikefitting! Und diese beiden Parameter können wir beeinflussen. Oder müssen wir sogar, weil wir am Rennlenker (Dropbar) andere Griffpositionen als am typischen geraden Mountainbike-Lenker, der Flatbar, haben. Sowohl was die Griffbreite angeht, als auch die Griffhöhen und die Kontaktpunktabstände der Hand zum Sattel. Damit beinflussen wir auch die Körperhaltung und sowohl den Komfort, das Bikefitting als ganzes aber halt eben auch den Körperschwerpunkt in Bezug zum Vorderrad. Und damit ebenfalls wieder das Handling.
Folgende Fragen gilt es zu beantworten:
- Mag ich die Körperhaltung und das Lenkverhalten des Rades mit der originalen Flatbar?
- Wenn ja, dann möchte ich diese Eigenschaften auch mit der Dropbar replizieren
- Wenn nein, dann muss ich Anpassungen vornehmen – aber welcher Art?
- Wie breit ist meine Flatbar und wie breit soll meine Dropbar werden?
- Je näher die Griffweiten beieinander sind, desto weniger Gedanken muss ich mir um das Handling machen.
- Muss die Vorbaulänge angepasst werden und wenn ja, in welche Richtung (länger, kürzer) und wieviel?
Das alles berührt wie gesagt die zwei Komponenten Bikefit – also Position auf dem Rad – und Lenkverhalten. Fangen wir mit der ersten Komponente an: Bikefit.
Bikefit und Lenkerbreite sowie Reach / Backsweep
Typische Flatbars an Mountainbikes sind über die Jahre immer breiter geworden. Egal ob für Downhillbikes oder für XC (Cross Country) Bikes. Komisch – unsere Schultern sind im gleichen Zeitraum aber nicht so viel breiter geworden. Meine jedenfalls nicht. Man darf also berechtigterweise fragen, ob das nur ein Trend ist und ob der Trend für jeden sinnvoll ist. Für mich ist er es nicht. Und das erste, was ich damals an meinem Thrill Hill Full Suspension gemacht habe, war, den mitgelieferten Lenker an beiden Seiten um je 20 mm zu kürzen. Dafür sind einige Flatbars (nicht alle) ohnehin vorgesehen.
An meinem Canyon Exceed habe ich das nicht gemacht, da ich den Lenker ja eh ausgetauscht habe. Aber: das Exceed macht auch als Flatbar MTB einen Riesen Spaß und fährt sich super. Würde ich es so belassen, hätte ich auch dort den Lenker seitlich eingekürzt. Im Original ist er 760 mm breit. Es ist ein NEWMEN Evolution SL 318.10 Aluminium Riserbar 31,8 x 760 mm 8°. 8° bedeutet, dass der Lenker einen sogenannten Backsweep von 8° aufweist. Was das mit der Position der Hände in Bezug zum Vorbau macht, sehen wir gleich. Nun sind solche Lenker rund und man kann sie folglich in der Vorbauklemmung drehen. Wenn man möchte, kann man den Lenker also so rotieren, dass die 8° nicht nach hinten, sondern komplett nach oben weisen. Aus einem Backsweep hätte man dann einen Rise gemacht. Und natürlich kann man jegliche Zwischenposition wählen.
Für mein Fahrgefühl und für den folgenden Vergleich hat sich der volle Backsweep ohne jeden Rise-Anteil als am Besten herausgestellt.
Exakt diesen Lenker mit diesen Dimensionen seht ihr gleich in den folgenden CAD-Zeichnungen. Mit den angedeuteten Griffen und da die Mitte als Kontaktpunkt gewählt, ergibt sich eine Griffweite von 642 mm.
Im Vergleich dazu ist der neue Rennlenker darüber gezeichnet. Ich bin kein Freund von überbreiten Gravellenkern mit Riesenflare. Der Lenker muss zur Statur und zu den gewünschten Haltungen auf dem Rad passen und nicht zur Länge der Lenker-Rolltasche, die man da vielleicht dranhängen möchte (was sowieso eine schlechte Idee ist). Er soll (und kann ohnehin nur in begrenztem Maße) auch nicht irgendwelche Nervösigkeiten des Lenkverhaltens kompensieren und so durch viel Breite viel Sicherheit im Downhill bieten – das muss die Grundcharakteristik des Rades bereitstellen. Siehe die gerade geschilderten Aspekte zu Steuerwinkel, Trail und Co und das Gesamtbild der Radgeometrie. Ergo habe ich einen Lenker mit nur moderatem Flare und passender Breite gesucht und gefunden: den Zipp Service Course 70 XPLR in 420 mm Breite (Achse zu Achse der Drops oben). Er hat einen sehr moderaten Flare von nur 5 Grad, was ich sehr schätze, weil damit auch die Hoods in vernünftigem Winkel montierbar sind. Die unteren Drops sind dann nochmal weitere 11 Grad nach außen gerichtet (von Zipp als Outsweep bezeichnet). Darauf könnte ich zwar verzichten, aber hier jetzt nicht zuviel zur Lenker-Selektion im Detail. Wichtig sind die Breite und die Position der Hoods, also der Schalt-/Bremsgriffe.
Wenn wir also nur die Griffweiten betrachten würden, stünde es also 642 mm für die Flatbar und 420 mm für die Dropbar. Das sehen wir in der folgenden CAD-Zeichnung.
Ihr seht die exakten Dimension meiner beiden Lenker. Die originale Newmen-Flatbar in Orange und mein ausgewählter Rennlenker, der Zipp Service Course 70 XPLR in Grüngelb. Weiss ist der 80 mm lange Vorbau und die nach oben reichende rote Linie mit dem roten Doppelkreis stellt den Abstand zum Sitzmittelpunkt auf meinem Sattel dar. Ebenfalls in der korrekten Dimension.
Schon ohne jedes weitere Maß sehen wir, dass nicht nur die Griffweite enger wird, sondern die Hoods am Rennlenker natürlich weiter vorne als die Griffe des Flatbars sind. Vorausgesendet: sie sind 10,2 cm weiter vorne.
Vorbau länger oder kürzer?
Muss das jetzt, ganz unabhängig von den möglichen Auswirkungen auf das Lenkverhalten, allein schon aus Gründen des Bikefittings, in der Vorbaulänge berücksichtigt werden?
Oberflächlich und aus dem ersten Impuls heraus könnte man ja folgern: „Ui! Auf den Hoods bin ich 10,2 cm länger bzw. greife weiter – dann muss ja mein Vorbau auch 10,2 cm kürzer werden, um das zu kompensieren!?“. Geht das überhaupt? Da bleibt ja gar nichts mehr über! Schon gar nicht, wenn der Vorbau bei modernen MTBs heute mit bei mir 80 mm eher schon lang ist.
Der zweite Impuls wäre dann aus der aber erst gleich behandelten Steuercharakteristik hinaus: „Oh, meine Griffweite wird enger, damit auch das Lenkverhalten nervöser. Um das auszugleichen, muss der Vorbau doch eigentlich sogar länger werden!?“
Wie passt das zusammen? Geht das überhaupt?
Zum Ersten: Glückwunsch, wenn der zweite Impuls bei euch schon genau so war, dann habt ihr nämlich schon die grundlegenden Lenkzusammenhänge im Kopf, die ich gleich im Anschluss erst erläutere.
Und zum Zweiten: Ja, das passt zusammen, denn durch den Reach des Rennlenkers greifen wir ja automatisch weiter vorne und das ist genau die nötige Verlängerung des Vorbaus. Es ist nämlich für den Lenkwinkel bzw. den Steuerbogen egal wie der Vorbau bzw. der Lenker geformt ist. Es kommt einzig auf die Position der Hände in Bezug zur Steuerrohr-Achse an. Ob der Vorbau 5 cm lang ist und der Reach 4 cm beträgt oder der Vorbau 11 cm lang ist und der Lenker einen Backsweep für effektiven negativen Reach von 2 cm aufweist: am Ende ist der virtuelle Vorbau 9 cm lang. Bzw. am Ende sind eure Hände um 9 cm in der Längsachse des Fahrrades vor der Steuerachse.
Wenn ihr die CAD-Zeichnung öffnen würdet und die Maße abgreift (die ihr weiter unten auch im Bild noch einmal sehen könnt), findet ihr folgende Werte der Griff-„Länge“ plus oder minus der Vorbaulenkerachse in Fahrrad-Längsachsenrichtung:
- Lenkerdurchmesser in der Klemmung: 31,8 mm bei beiden Lenkern
- Flatbar mit 8° Back-Sweep (kann man als Rise oder Sweep ausrichten): 52,5 – 31,8/2 = 26,3 mm nach hinten
- Dropbar mit 59,5 mm Reach = gleichzeitig angenommener Griffkontaktmittelpunkt auf den Hoods: 59,5 + 31,8/2 = 75,4 mm nach vorn
- Dh. 75,4 + 26,3 = 101,7 entsprechend etwa 10,2 cm Differenz im „Gesamt-Reach“
Am Beispiel meines Exceed in Größe S mit der Standard-Vorbaulänge von 80 mm und den o.g. Maßen beträgt die „effektive Vorbaulänge“ mit der 760 mm Flatbar mit 8° Backsweep also 80 – 26,3 = 53,7 mm.
Und mit dem von mir ausgewählten Rennlenker = 80 + 75,4 = 155,4 mm
Vom Ansatz, dass das Lenkverhalten bei enger werdender Griffweite möglichst gleich bleiben soll, also schon mal die richtige Richtung. Der Frage, ob das ausreicht und was möglicherweise noch hineinspielt, widmen wir uns gleich.
Hier geht es erst einmal darum: Fühlt sich das überhaupt noch richtig an, wenn ich so auf dem Rad sitze? Oder verändere ich den Bikefit nachteilig? 10,2 cm Differenz im Gesamt-Reach hört sich ja erst einmal sehr viel an und ist auch viel.
Letzten Endes stand für mich fest, dass ich das natürlich im konkreten Fahrbetrieb mit diversen Vorbaulängen ausprobieren musste. Ich wollte aber im Vorfeld ein Gefühl dafür bekommen, welche Vorbaulängen in Frage kommen und wie groß eine eventuelle Anpassung ausfallen müsste.
Daher fand zuerst ein Gedankenspiel und dann auch eine konkrete Umsetzung aller Maße in CAD statt. Die Basis-Zeichnung dafür habe ich zuvor gezeigt.
Das Gedankenspiel ging wie folgt:
- Frage: Muss ich meine Arme überhaupt mehr strecken bzw. meinen Oberkörper tiefer nach vorne neigen, wenn ich anstelle an die Flatbar-Griffe auf die Hoods eines Rennlenkers greife?
- Antwort: Nicht unbedingt. Die Arme sind am Flatbar ja weiter nach außen gestellt. Und wenn ich sie ganz natürlich nach innen hin zu einer engeren Griffweite bewege, beschreiben sie eine Kreisbahn und die Hände kommen ganz automatisch weiter nach vorne.
Das können wir uns sehr schön der schon eingeführten CAD-Zeichnung verdeutlichen:
Wie sitzt man nun auf dem Rad, wo sind die Schultern (an denen ja die Arme befestigt sind ;-))? Nicht über dem Sattel, sondern ein gehöriges Stück weiter vorne. Ich habe das mal versucht, aus seitlichen Bikefitting-Fotos grob abzuschätzen. Auch, was die Schulterbreite zwischen den gedachten Gelenken angeht (gemessen). Das Resultat sind die lila Linien mit den Ellipsen als Schultergelenke. Gestrichelt verlaufen von dort die Armlinien in der Draufsicht zu den jeweiligen Griffpositionen. Draufsicht ist wichtig. Denn in beiden Fällen sind die Arme ja leicht gebeugt – sollten es zumindest sein. Deswegen ist als Längenvergleich noch die einzelne, durchgezogene lila Linie rechts dargestellt: So lang wäre mein Arm tatsächlich, wenn er gestreckt ist.
Ihr seht zweierlei: wieviel Puffer da noch zwischen der Länge, die zum Greifen notwendig ist, und der gesamten Armlänge besteht. Und zum Zweiten, dass es gar nicht so viel Puffer im Sinne einer größer werdenden Armstreckung (oder einem nach vorne und unten Rücken der Schultern bei gleichbleibender Armbeugung) bedarf. Weil genau das zu erkennen ist, was ich im Gedankenspiel schon erläutert habe. Die Hände kommen automatisch weiter nach vorne, wenn die Arme nach vorn zusammenschwenken.
Spätestens hier war ich vollständig beruhigt, was die Machbarkeit meiner Rennlenkerkonversion anging und das sowohl Bikefit wie auch Lenkverhalten im Endeffekt passen würden und wenn überhaupt, die Vorbaulänge (und auch Neigung) nur in engen Grenzen anzupassen sein würde.
Wie genau und wie sich das dann beim Fahren anfühlt, dass musste aber natürlich durch Fahrtests geprüft und bestätigt werden. Hier der Vollständigkeit halber noch die CAD-Zeichnung mit eingeblendeten Maßlinien. Auch der Gesamt-Abstand von Sitzmittelpunkt bis zur Griff-Kontaktstelle ist dargestellt. Für die Flatbar sind es 699,5 mm, d.h. gerundet 70 cm und für die Dropbar sind es 770,12 mm, d.h. gerundet 77 cm.
Auswirkungen von Vorbaulänge und Griffbreite auf das Lenkverhalten
Bis jetzt haben wir uns vorrangig um die Körperhaltung und somit den Bikefit gekümmert. Aber im letzten Absatz ist es schon angeklungen: CAD und bestätigende Zahlen sind das eine, wie es sich beim Fahren letztlich anfühlt, das andere. Und da geht es schon übergangslos in das Thema Lenkverhalten hinüber. Wie fühlt sich das an? Genauso wie vorher mit der Flatbar? Genauso wie erwartet? Genauso wie gewünscht?
Welchen Einfluss hat die Vorbaulänge und die Griffbreite auf das Lenkverhalten, wenn der Rest des Rades (Steuerwinkel, Gabeloffsett, Nachlauf etc.) gleich bleibt?
Ein längerer Vorbau (egal ob durch den eigentlichen Vorbau oder die Form des Lenkers mit Backsweep oder Vorbiegung erzeugt) sorgt für:
- mehr Körpergewichtsverschiebung in Richtung Vorderrad.
- Zu wenig Gewicht auf dem Vorderrad kann zu einem agileren oder nervöseren Lenkverhalten führen und sich damit ggfs. auch zu undefiniert anfühlen
- Zu viel Gewicht auf dem Vorderrad ist aber auch nicht ideal
- eine definiertere Geradeaus-Zentrierung der Lenkung unter Bremslast oder allein schon aus dem Körpergewicht, das sich auf den Lenker abstützt
- Das liegt daran, dass wir dann die Lenkkräfte weiter vor der Lenkachse einleiten. Wir befinden uns in der positiven Steuerungszone, wo ein Drücken nach vorne automatisch den Vorbau gerade nach vorne stellt und somit das Vorderrad zentriert. Und je länger dieser Hebel wird, umso stärker ist diese Wirkung
- einem größeren Lenkbogen
- damit wirkt ein längerer Vorbau wie eine breiterer Griff indem für einen gewissen Lenkausschlag ein umso weiterer Weg mit dem Armen zurückgelegt werden muss, je länger der Vorbau und je breiter die Griffweite ist.
- Auf den Vorbau bezogen ist der Lenkbogen die Kreisbogenstrecke, die der Lenker am Vorbauende zurücklegt, um einen entsprechenden Lenkwinkel in Grad zu erzeugen.
Die folgende Grafik erläutert den Lenkbogen am Beispiel zweier Vorbaulängen. Links 80 mm, rechts 140 mm. Um das Vorderrad 20 ° von links nach rechts (oder umgedreht) zu bewegen, muss mit dem kurzen 80 mm Vorbau eine Wegstrecke von 28,3 mm zurückgelegt werden. Mit dem langen 140 mm Vorbau aber eine Wegstrecke von 49,9 mm! Wenn alles sonst gleich bleibt, ist eine Lenkung mit den kürzeren Vorbau also feinfühliger, aber auch nervöser. Eine kleine Lenkbewegung führt zu großen Lenkwinkeländerungen.

Für diese Zusammenhänge könnt ihr euch auch die folgenden guten beiden Artikel (auf englisch) ansehen. Einmal von Cyclingabout der Artikel Steering Masterclass – how stem length affects your steering speed und zum anderen vom alten Cyclingtipps der Artikel How does stem length affect a bike’s steering and handling?
Nun ist der Lenkbogen des Vorbaus nur die halbe Miete. Was zählt, ist der resultierende Lenkbogen am Kontaktpunkt des Lenkers. Da, wo die Hände greifen.
Den sehen wir uns nun am Beispiel meiner CAD-Zeichnung im Vergleich zwischen Flatbar und Dropbar an:
Der gewünschte Lenkeinschlag ist wieder 20 °. Wir sehen, dass dafür mit der originalen Flatbar (die mir eigentlich sowieso ein bisschen zu weit für den Dauereinsatz wäre) meine Hand einen Weg von 112,4 mm zurücklegen muss. Mit der 420 mm Dropbar und den Händen auf den Hoods sind es nur 91,5 mm. Also 21 mm weniger.
Die Lenkung ist mit den Dropbars in den Hoods also latent agiler (positiv dargestellt) oder nervöser (negativ dargestellt). Erste Frage: Ist das nun viel oder wenig? Zweite Fragen: wie fühlt sich das an?
Zur ersten Frage versucht CyclingAbout das im oben verlinkten Artikel zu beantworten, in dem er die Wegverkürzungen durch kürzeren Vorbau für verschiedene Lenker bestimmt und relativ als Prozent ausdrückt. In meinem Beispiel für die 20 Grad Lenkwinkeländerung am gleichbleibend langen 80 mm Vorbau, aber mit den zwei verschiedenen Lenkern wäre das also die beschriebene Verkürzung um 21 mm zur Ausgangslänge von 112,4 mm. Ergibt 18,6 % „more twitchy“. Es bleibt immer noch die Frage: ist eine 18,6-prozentige Änderung und viel oder wenig? Alee von CyclingAbout vermutet, dass ein Unterschied kleiner als 5 % wahrscheinlich unbemerkt bleibt. Und erst, wenn die prozentuale Differenz zweistellig wird, dann wird ein Unterschied im Lenkverhalten wohl auffallen. Nun, zweistellig wäre ich ja. Im Beispiel mit 18,6 % sogar deutlich. Für meinen (weiter unten beschriebenen) Praxistest kann ich aber sagen: die 18,6 % fühlen sich im eigentlichen Lenkverhalten des Rades um keinen Deut schlechter und damit logischerweise auch nicht großartig anders an. Ja, ich spüre ein klein wenig, dass ich eine feinfühligere Lenkung habe – aber nicht in dem Maße, in dem ich nun Sorge habe, das Rad weniger zu beherrschen und in keinstem Maße, dass sich das Einlenken in Kurven im Fahrverhalten geändert hätte.
Schauen wir uns einmal an, wie sich der Wert ändert, wenn die Flatbar am ursprünglichen 80 mm Vorbau bleibt (also nach wie vor 112,4 mm Weg für 20 ° Lenkeinschlag benötigt werden), aber der Dropbar an einem 100 mm Vorbau montiert wird:

Wir sehen, dadurch verlängert sich der Weg ein wenig. Von 91,5 auf 95,8 mm. Die Differenz in der Weglänge ist nur noch 16,6 mm und damit sind es nur noch 14,8 %.
Fazit zum Lenkerumbau
Bei dem Umbau eines Flatbar-Bikes zu einem Dropbar wird man häufig mit einer von zwei gegenteiligen Befürchtungen konfrontiert:
- Entweder: Die Lenkerbreite / Griffweite wird viel zu eng! Nimm den breitesten Gravellenker, den du bekommen kannst! Und trotzdem muss der Vorbau noch länger werden, damit das kompensiert wird! Und in der Erweiterung: passt dann das Lenkverhalten überhaupt noch, weil das Rad ja gar nicht für so einen sicher sehr viel länger werden müssenden Vorbau konzipiert ist?
- Oder: Du kommst durch die nach vorne reichenden Drops viel zu weit nach vorn im Vergleich zur Flatbar! Das muss durch einen deutlich kürzeren Vorbau kompensiert werden. Und bei den heutigen modernen MTB-Geometrien (die ja auch schon Einzug bei den Gravelbikes finden) mit langen Oberrohren und vergleichsweise kurzen Vorbauten – bleibt da überhaupt Raum, einen kürzeren Vorbau zu verbauen? Wenn eh nur ein 50 mm Vorbau verbaut ist und man dann einen 0 mm Vorbau bräuchte?
Mit Kenntnis der Zusammenhänge und dem „Aufmalen“ der genauen Geometrien der beiden Lenker konnte ich zeigen: Es wird alles nicht so heiss gegessen, wie es gekocht wird.
1.) Durch das Zusammenschwenken der Arme nach Innen bei einer engeren Griffweite für einen typischen Rennlenker kommen die Hände automatisch weiter nach vorne. Das sieht man geometrisch und das bestätigt sich auch beim Draufsitzen und Fahren. Eine Kompensation für die Körperhaltung durch eine Verkürzung der Vorbaulänge ist entweder gar nicht oder wirklich nur in sehr begrenztem Ausmaß erforderlich.
2.) Durch eine enger werdende Griffweite nimmt der Lenkweg für entsprechende Lenkwinkel ab. Wenn das vollständig oder weitgehend kompensiert werden soll, muss der Vorbau länger werden.
Durch die „Vorbiegung“ des Rennlenkers, sein Reach, ist der (virtuelle Gesamt-) Vorbau ja schon automatisch länger geworden. Das dem so ist, können wir überprüfen, indem wir den Lenkbogen für die gleiche Flatbar wie in der Originalausstattung ermitteln, nur jetzt anstelle außen an den Griffen enger in der Mitte greifen. So das wir auf die gleiche Griffweite von 420 mm wie für die Dropbar kommen. Für 20 ° Lenkausschlag brauchen wir dann nur noch 76,7 mm Lenkweg anstelle den 112,4 mm (Flatbar volle Breite) oder anstelle den 91,5 mm (Dropbar am gleichlangen Vorbau). Das wäre dann 31,7 % „more twitchy“.
Meine Schlussfolgerung war: Den schon weit im Vorfeld bestellten 50 mm Vorbau konnte ich erst mal in der Schublade lassen und erste Fahrtests mit dem originalen 80 mm Vorbau durchführen. Bzw. direkt schon einen weiteren 80 mm Vorbau bestellen – nämlich einen mit einem geringeren und üblicheren Rise von nur 6° gegenüber dem bei meinem Exceed verbauten Vorbau mit 17°, und die sogar negativ montiert.
Vorausbemerkt: am Ende blieb es genau bei diesem 80 mm Vorbau und das Lenkverhalten ist perfekt und gefällt mir sehr.
Bikefit im Vergleich zwischen Flatbar-MTB, Dropbar-MTB und Gravelbike/Rennrad
Bisher haben wir uns das Lenkverhalten und den Bikefit in Bezug auf die ausgewählte Rennlenkerbreite, den Reach des Rennlenkers und der Vorbaulänge angesehen.
Hier noch ein paar Worte zum generellen Bikefit im Vergleich zwischen Rennrad bzw. Gravelbike einerseits und Flatbar-Mountainbike andererseits.
Ich habe den Vorteil, dass ich bereits mehrere Räder in meinem Stall habe und so auch schnell verschiedene Maße vergleichen kann. Bikefittings habe ich tatsächlich in meinem aktuellen Fahrradleben in den letzten 14 Jahren nur (oder immerhin) zwei durchführen lassen (siehe hier einen Beitrag zum letzten Mal in 2019 bei Komsport in Köln: Slam that Stem – Körperstatikbeurteilung und Sitzpositionsvermessung bei Kom*Sport.
Beide waren für Rennräder. Der letzte für mein Allroad-Rennrad, das J.Guillem Orient. Ich habe die Maße aber weitgehend auf mein aktuelles Gravelbike, das Drifter, übertragen. Für meine Moutainbikes, d.h. mein Rose Thrill Hill und das neu gekaufte Canyon Exceed habe ich aber bisher keine Bikefittings machen lassen.
Unterschiedliche Räder und unterschiedliche Zwecke bedingen unterschiedliche Geometrien und sicher auch in gewissem Maße unterschiedliche Fittingziele. Deswegen war es ganz interessant, die Differenzen zwischen meinem Drifter und meinem Thrill Hill und auch zwischen dem Thrill Hill und dem Exceed zu bestimmen und dann zu überlegen, wo ich mit dem Dropbar Exceed hin möchte.
Einige Werte machen total Sinn, sie zwischen Rädern gleich zu belassen, z.B. der Abstand zwischen Satteldecke und Tretlager-Achse oder auch Komponentenparameter wie die Kurbellänge. Einige andere Werte aber gar nicht. Das hat mit dem Thema unterschiedliche Räder für unterschiedliche Zwecke bedingen unterschiedliche Geometrien zu tun. Was man zum Thema Lenkverhalten und Vorbaulängenbestimmung z.B. nicht machen kann, ist, sich die Position des Griffkontaktpunktes zur Vorderradachse anzusehen. Das macht einfach keinen Sinn. Für ein Rennrad (konkret mein Drifter) kommt da ein Wert von 1 cm heraus. D.h. wenn ich das Lot von der Mitte der Hoods fälle, liegt die Vorderradachse 1 cm davor. Mache ich dasselbe mit den Flatbargriffen an meinem Rose Thrill Hill, finde ich heraus, dass die Vorderradachse rund 20 cm davor liegt! Holla! Fährt sich das eine Rad nun wie ein Schlachtschiff und das andere wie ein agiles, aufgedrehtes Kriteriumsrad? Mitnichten. Beide gefallen mir hinsichtlich ihrer „Neutralität“ beim Einlenken.
Aber natürlich sitze ich ein klein wenig anders auf beiden Rädern. Trotzdem gibt es ein paar Werte, deren Übertragung und Vergleich Sinn machen. Die habe ich in der folgenden Tabelle für euch zusammengestellt. So eine Tabelle kann auch für euch Sinn machen, auch wenn ihr vielleicht nur ein Rad habt.
Ich halte mit einer solchen Tabelle, die noch ein paar mehr Zeilen hat, alle meine Positionsveränderungen (z.B. aus einem Bikefitting oder eigenen Tests) nach bzw. halte fest, in welcher Position ich z.B. Auflieger auf dem Rennrad oder auf meinem Zeitfahrrad montiert habe. Ich vermesse meine Räder auch regelmäßig, weil ich immer etwas tüftele oder Maße von einem Rad zu einem anderen übertrage oder mir zumindest über die Differenzen Klarheit verschaffen möchte. Etwa, wenn ich neue Sättel montiere oder wenn ich Aerobars einstelle usw.
Die folgende Tabelle gibt euch einen Überblick über die wesentlichen Dimensionen und weitere Einblicke, was es zu berücksichtigen gilt. Da gibt es bei Federgabeln nämlich noch so etwas wie den „Sag“ und bei Sätteln sollte man von deren „Mitte“ aus messen, wenn man verschiedene Modelle an verschiedenen Rädern fährt:

Was sehen wir in der Tabelle? Zunächst insgesamt 3 Fahrräder: mein Drifter (Gravelbike), mein Rose Thrill Hill (Full Suspension XC MTB) und mein Canyon Exceed (Hardtail MTB). Für das Exceed gibt es gleich 6 Spalten. Die erste zeigt die Werte für die Ausgangsposition als Flatbar-Version und die weiteren 5 die Werte für die Dropbar-Konversion in unterschiedlichen Iterationsschritten. Und auch: mal eingefedert, mal ausgefedert.
Sag: der sogenannte „Sag“ (englisch, einsacken) bezeichnet den nötigen und gewünschten Negativfederweg, den das Vorderrad (beim Hardtail) und das Hinterrad (zusätzlich bei einem Full Suspension Bike) einnehmen, wenn man sich auf das Rad setzt. Bei einer Cross Country Federgabel stellt man da als ersten Anhaltswert 20 % des Federwegs ein (und passt das später vielleicht nach Wunsch und Terrain an). Damit wird sichergestellt, dass ein Rad halt eben auch ausfedern und dem Boden folgen kann, wenn der nach unten ausweicht – also ein Loch durchfahren oder Absatz überfahren wird.
Das bedeutet aber auch: die Lenkerhöhe und damit z.B. auch die Sattelüberhöhung etc., die man am unbelastet da stehenden Rad misst, ist nicht die Lenkerhöhe, auf die es ankommt. Denn wenn ihr auf dem Rad sitzt, dann sinkt bei einem Hardtail der Lenker in einem Bogen um die Hinterradachse nach vorne unten um den Betrag des Sag ab. Bei einer bei meinen MTBs verbauten typischen 100 mm XC-Federgabel und einem Ansatz von rd. 20% Sag also um rd. 2 cm.
Da ich meine Räder selbst schlecht vermessen kann, wenn ich draufsitze, habe ich also für das Exceed jeweils zwei Spalten für die relevanten Varianten dargestellt: ausgefedert und virtuell eingefedert. Werte der letzteren Spalte sind für die beeinflussten Werte um 2 cm reduziert.
Lenker und Vorbau: Diese Zeilen zeigen euch, welche Lenkerversion gemessen wurde und welcher Vorbau verbaut war. Durch die Vorüberlegungen und CAD-Zeichnungen wusste ich, dass es sehr wahrscheinlich bei den 80 mm bleiben würde. Ich wollte aber sowieso einen etwas leichteren Vorbau mit gemäßigterem „Rise“ verwenden. Daher seht ihr in den ersten 4 Spalten für das Exceed, wie sich das mit dem mitgelieferten „Stock Vorbau“ im Vergleich zwischen Flatbar und Dropbar und mal mit „Rise“ nach unten und mal nach oben verhält. Und in den letzten beiden Spalten, wie das dann mit dem finalen 80 mm Vorbau von Newmen mit nur 6° Rise, nach oben weisend verbaut, aussieht.
Überhöhung und Sitzlänge: In den folgenden Zeilen sind dann die gemessenen Werte eingetragen. Manche sind für mich einfach zu messen (z.b. Sattelmitte zur Lenkerachse) weil es da einfach der Zollstock angelegt wird und man sich nicht verbiegen muss oder 3 Hände benötigt. Andere sind für mich immer etwas trickreich, weil man da für eine exakte Vermessung eigentlich einen Teststand, Laser oder wenigstens eine solide Messschiene mit verschiebbaren Anschlagwinkel und exaktes Lot etc. benötigt (z.B. Überhöhung aber auch Hilfsgrößen dafür). Aber für den Hausgebrauch reicht es und Hilfsgrößen ist das Stichwort:
Natürlich sind Lenker-Griff-Oberkante und Sattel-Oberkante vom Boden nur Hilfsgrößen. Sie können nicht direkt zur Übertragung von Rad zu Rad verwendet werden, weil sie von Laufraddurchmesser, Reifengröße und von der Tretlagerabsenkung abhängig sind. Aber beide voneinander abgezogen, und wir erhalten den aufschlussreichen Wert der Überhöhung vom Sattel zum Lenker. Deswegen ist diese Zeile fett gedruckt und farbig unterlegt.
Genauso wie die Zeile „Sattelmitte zur Mitte Hoods / Mitte Flatbar Grips“. Bikefitter verwenden das Maß der Sitzlänge. Die wird gerne von der Sattelspitze bis zur Lenkerachse angeben. Das macht natürlich nur Sinn, wenn man exakt gleiche Lenker (selbst bei Dropbars müssen alle Maße gleich bleiben) und gleiche Sättel verwendet. Also eigentlich nur den Vorbau wechselt oder den Sattel nach vorn oder hinten schiebt. Das – liebe Bikefitter – passt natürlich gar nie (und vielleicht hatte Komsport, aus deren Ergebnistabelle ich das Maß und den Wert übernommen habe, da auch einfach nur einen Uralt-Vordruck).
Denn:
Beim Sattel hat spätestens seit dem Einzug der sogenannten Shortnose- oder Shortfit-Sättel die Sattelspitze als Bezugspunkt ihren Wert verloren. Aber auch bei unterschiedlichen konventionellen Sätteln ist ja nicht gesagt, das die Sattelspitze im Verhältnis zur optimalen Sitzposition immer an der gleichen Position liegt. D.h. sinniger als die Sattelspitze ist ein – zugegebenermaßen schwer definierbarer – Punkt, wo man wirklich in Relation zu den Sitzknochen oder vielleicht besser den Gelenkpfannen des Oberschenkelknochens sitzt. Pragmatisch habe ich das für mich mit einer Schieblehre gelöst, die auf 80 mm geöffnet ist und so von vorn über den Sattel geschoben wird. Da, wo sie nicht mehr weiter nach hinten geschoben werden kann, ist für mich die Sattel-„Mitte“. Dieser Bezugswert ist für die Vielzahl meiner Sättel, darunter einige Shortnose-Modelle, viel sinniger und hat sich als praxistauglich erwiesen.
Und beim Lenker ist die Lenkerachse halt auch nur Schall und Rauch und ein für das Bikefitting komplett sinnleerer Bezugspunkt. Wichtig ist, wo ich jeweils greife. Wenn der Lenker ein Riesenbacksweep hat oder der Dropbar-Lenker einen deutlichen Reach, dann muss ich den kennen und berücksichtigen, nicht den Punkt, wo der Vorbau den Lenker berührt. Da kommt dann auch die Griffweite ins Spiel. Deswegen ist meine „Sitzlänge“ genau so, wie in der Zeile beschrieben: von der relevanten Sattelmitte bis zum imaginären Mittelpunkt der Griffe.
Der Nachsitz ist nochmal ganz interessant, weil er aufzeigt, dass ich auf beiden MTBs (und auf dem Hardtail besonders) weiter vorn in Bezug auf das Tretlager sitze. Das könnte man ändern und anpassen, fühlt sich aber auch für diese Räder ganz passend an. Ich könnte jetzt spekulieren und sagen: „Ja, das hängt mit der gewünscht besseren Steigfähigkeit der MTBs und entsprechender Körpergewichtsverteilung zusammen.“. Ist sicher in gewissen Rahmens so und ist auch vorrangig ein Resultat aus entsprechenden Sitzrohrwinkeln (ich verwende an allen Rädern Sattelstützen ohne Offset), kann aber auch durch entsprechende Sattelstützen oder Anpassungen der Sattelposition nach Gusto angepasst werden.
Fazit des Geometrie-Vergleichs:
Die Tabelle war für mich hilfreich, um meine Fahreindrücke mit quantifizierbaren Zahlen zu hinterlegen. Zuerst zwischen meinen „altbekannten“ Drifter und dem Rose Thrill Hill, dann aber auch zwischen dem Thrill Hill und dem Canyon Exceed in der originalen Flatbar-Version.
Von da aus konnte ich dann mit Hilfe meiner CAD-unterstützten Vorüberlegungen schon absehen, wo ich mit dem Dropbar-Umbau beim Exceed landen würde. Wir müssen wie erläutert die „eingefedert, virtuell“ Spalten für den Vergleich mit dem Drifter heranziehen. Darin sieht man, dass mit die Überhöhung mit dem um 17 Grad nach unten gerichteten Vorbau mit 4,4 cm immer noch moderater als die 6 cm am Drifter sind. Sie sind auch einen Hauch moderater als die Flatbar-Variante im Ursprungszustand war. Die ist nicht als separate Spalte eingefedert aufgeführt, es wäre da aber 4,7 cm. Die Hoods sind also etwas höher eingestellt, als es die Flatbar-Griffe sind. Die Flatbar-Version fühlte sich vom Fahrverhalten extrem gut an. An den Hoods war sie sehr ok, ich hatte aber das Gefühl, ein Ticken höher greifen bzw. sitzen zu wollen. Das mag mit dem etwas weiteren Gesamt-Reach, also der Sitzlänge zusammenhängen (77 zu 69,5), aber nicht nur. Denn schließlich ist meine Sitzlänge am Drifter auch 77 cm lang. Beim Exceed kommt aber sicher noch eine dynamische Komponente des Arbeitens der Federgabel hinzu und auch der Wunsch, einen Ticken mehr Reserve für steilere Offroad-Downhills zu haben.
Das Lenkverhalten war schon super so. Deswegen war dann der finale Ausbau die Verwendung des ebenfalls 80 mm langen Newmen-Vorbaus mit 6° Rise. Eingebaut zunächst einmal mit positive Rise, also ansteigend, und für gut befunden. Aber auch gleichzeitig mit dem Eindruck und einem Zwischentest „Mensch, umgedreht geht es auch super und vielleicht drehe ich den langfristig doch um.“. Ihr seht, dass ich auch am Dropbar-MTB eine Erhöhung fahre, diese mit 2,9 cm aber nur halb so hoch wie an meinem Gravelbike ausfällt. Und ihr seht, dass die Sitzlänge / der Gesamt-Reach bei beiden Rädern 77 cm beträgt. Und er fühlt sich richtig an.
Zur Überhöhung noch: Ihr könntet ja denken, dass eine positive Überhöhung (d.h. der Sattel ist höher als der Lenker) für Gravel, für lange Distanzen generell und auch für Mountainbiking bzw. sehr groben Gravel genau verkehrt und schlecht ist. Und man eher aufrecht sitzen sollte. Oder je länger die Distanz oder je rauher das Terrain wird, umso aufrechter das dann sein sollte. Das ist nur bedingt so. Und auch, wer das an seinem Gravelbike oder Rennrad einfach selber machen möchte (also den Lenker eher höher setzen), weil er sich davon eine komfortablere Haltung oder Linderung vielleicht bestehender Probleme wie verspannter Schultern oder einschlafende Hände verpricht, der denkt vielleicht falsch und macht seine Probleme sogar größer! Denn: Aufrechter ist nicht automatisch komfortabler und besser! Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall!
Warum das so ist, habe ich in dem schon zuvor verlinkten Artikel zu meinem Bikefitting bei komsport in Köln erläutert. Und weil ich die folgende Episode von Johannas Podcast erst kürzlich gehört habe, verlinke ich euch diesen Podcast gleich auch, weil da der interviewte Bikefitter Alex Wegner aus Hamburg genau in die gleiche Kerbe schlägt. Er geht sogar soweit, zu sagen, dass es auf der Suche nach Komfort, nicht einschlafenden Händen oder nicht verspannten Schultern immer genau das falsche ist, das Cockpit höher zu setzen. Slam that Stem! Das Meme hat recht. ;-) Höre hier: Die Wundersame Fahrradwelt Podcast: Bikefitting Basics mit Alex Wegner.
Deswegen wie gesagt: auch bei meinem Dropbar-MTB habe ich eine Überhöhung, wenn auch nicht so deutlich, wie am Gravelbike.
Fahrtest-Eindrücke zum Canyon Exceed: Schritt für Schritt von der Flatbar zur finalen Dropbar-Konfiguration
Zum Abschluss dieses zweiten Teils meiner Dropbar-MTB-Artikelserie gebe ich euch noch ein paar Eindrücke meiner ersten Testfahrten in Wort und Bild bevor ich dann im dritten Teil den eigentlichen Umbau mit den benötigten Teilen beschreibe.
Auch, damit ich euch nach den ganzen (wenn auch sehr konkreten) Zahlen und Bikefitting-Infos ein paar Emotionen und Bilder zeigen kann.
Wie im ersten Teil schon geschrieben, habe ich mich auch deswegen bewusst für ein Hardtail „von der Stange“ und als Komplett-Rad entschieden, weil mich das in die Lage versetzt hat, das Rad von Anfang an zu testen.
- Wie gefällt mir ein Hardtail allgemein, so wie es ist mit Flatbars, als Fahrrad? Im Vergleich zu meinem Fully und meinem Gravelbike?
- Wie fährt sich das ausgewählte Canyon Exceed im speziellen? Gefällt es mir schon als Flatbarbike oder stelle ich fest: „Neee, das isses irgendwie doch nicht.“?
- Dann: wie fährt es sich mit einem Rennlenker, noch bevor ich wesentliche Umbauten vornehme? Also weder Schaltung noch Bremsen anrühre. Das geht. In gewissem Rahmen. Wie, seht ihr gleich.
Schritt für Schritt konnte ich so meine Erwartungen und Überlegungen auf die Probe stellen. Und gekostet hat es am Anfang auch gar nicht viel. Muss es für euch am Ende auch nicht kosten. Denn – Geheimtipp – Hardtail-MTBs sind (sieht man mal von Möchtegern Boutique-Marken ab) eine der vergleichsweise günstigsten Radkategorien. Und kauft man ein Rad von einer Marke, die eben nicht 11.000 Euro und mehr für eines ihrer Rennräder aufruft und bleibt sogar bei der Basis-Modelllinie (und zwar aus handfesten Gründen, die erst mal gar nichts mit dem Preis zu tun haben), dann macht man ein regelrechtes Schnäppchen und erhält ein Komplettrad mit sehr guten Komponenten zu einem Preis, für den man anderswo nicht mal einen einzelnen Rahmen bekommen würde (der dann nicht mal die gewünschten Features mitbringt, also sogar objektiv für den gewünschten Einsatzzweck suboptimal wäre).
Schritt 1: Canyon Exceed CF 6als „originales“ Hardtail-MTB
Bewusst als CF 6 mit Shimano SLX mechanischer Schaltung (1×12) ausgewählt und am Ende sogar gebraucht gekauft, weil ich nach langem Suchen ein nahezu fabrikneues Rad in gewünschter Größe und Ausstattung gefunden hatte und mir die Lieferzeit bei Canyon zu lang war. Ausgerechnet für meine Größe hätte ich noch mindestens einen weiteren Monat warten müssen…
Ausgepackt und probegefahren. Was soll ich sagen? Das hat eine Riesenlaune gemacht.



Am 24. Oktober letzten Jahres schrieb ich dazu auf Instagram: Ich denke ich bin ein wenig verliebt. Und ich bin nicht ganz sicher, wieso.
Ist es der schöne silberglänzende Rahmen? Ist es die Formgebung des Rahmens? Ich mag die Gestaltung des Sitzknotens und des Steuerrohrknotes von Canyon so sehr. Nicht mehr bei allen aktuellen Rahmen. Aber beim Exceed erinnert er mich noch sehr an die ähnliche Gestaltung an meinem Canyon Ultimate, welches ich in der Felgenbremsen-Version nun schon seit vielen Jahren besitze. Ist es die Tatsache, dass es ein Hardtail MTB ist? Ich hatte ja bisher noch keines. Eigentlich immer nur vollgefederte Mountainbikes. Oder ist es die Tatsache, dass es sich vom ersten Meter an wie angegossen angefühlt hat. Das es ein Freude ist, Kurven damit zu nehmen? Vermutlich von allem ein bisschen.
Was ich sagen kann – es ist nicht das Gewicht. Könnte man ja meinen, so als Hardtail gegenüber einem vollgefederten Mountainbike (leichter) oder vielleicht als MTB gegenüber einem Gravelbike (schwerer). Letzteres stimmt (wäre aber auch nicht für alle Gravelbikes gegeben – da gibt es ein paar richtig schwere Modelle auf dem Markt). Ersteres stimmt aber nicht. Die CF 6 Basisvariante des Exceed wog selbstgemessen 11,15 kg und mein Thrill Hill wiegt nur 11,09 kg – ist aber natürlich auch höherwertiger ausgestattet. Bzw. war es. Das Exceed hat in der fertigen Version aufgeholt… ;-)
Auch die Geoemtrie – zumindest was die Kontaktpunkte und auch die maßgeblichen Werte angeht, ist sehr ähnlich. Und doch fühlte sich das Canyon Exceed noch das Quentchen agiler und spritziger an. Und noch zuversichtlicher in Kurven.
Was aber auch zu spüren war: ja – am hinteren Ende ist da wenig Komfort, was den Rahmen an sich angeht. Das Exceed ist eine steife XC-Rennrakete, dessen war ich mir von vorneherein bewusst. Aber: im Vergleich zu einem 08/15 Gravelbike ist das Exceed nicht härter. Tauscht man die originale Aluminium-Sattelstütze durch eine Carbonsattelstütze aus, gewinnt man aber schon genau das Quentchen, dass es noch braucht, um selbst bei gleicher Reifenbreite und bei gleichem Reifendruck ähnlich komfortabel oder unkomfortabel wie ein normales Gravelbike (wo es ja auch Bandbreiten des Heckkomforts gibt) zu werden.
Den Rest muss der abgestimmte Luftdruck machen. Der aber nicht zu niedrig werden darf, dann leidet nämlich auch wieder der Fahreindruck. Soll das Heck also wirklich komfortabel auch über rauhes Geläuf werden und Traktion in allen Lebenslagen bieten, dann ist und bleibt das Rad der Wahl ein Full Suspension Bike. Aber – überall braucht man die Heckfederung halt eben auch nicht. Und der knackig steife Hinterbau mit seinen vergleichsweise kurzen Kettenstreben von 429 mm (10 mm kürzer als beim Thrill Hill) sorgt anscheinend für genau den Unterschied im Fahrverhalten und für den Spaß – zumindest wenn der Untergrund nicht zu ruppig wird. Kurze Kettenstreben sind aber nicht nur gut – es gibt gerade in Verbindung mit breiten Reifen und 1x Kettenschaltungen ein paar Dinge, die es zu beachten gilt – auch das behandeln wir im nächsten Teil dieser Artikelserie.
Aber – ich war richtig verliebt und total überzeugt vom Exceed. Und ich wusste – wenn ich das Fahrverhalten auch mit Dropbars hinbekomme, habe ich ein neues Lieblingsrad. Mehr als grünes Licht für den weiteren Umbau, also!
Schritt 2: Die ersten Meter mit dem Rennlenker
Jetzt konnte der nächste Schritt erfolgen. Bzw. die nächsten zwei Schritte im Doppelpack. Vortest des Sram Eagle AXS Schaltwerks am Shimano Antriebsstrang und gleichzeitig ein erster Fahr- oder besser Roll-Test mit dem Rennlenker. Das könnt ihr übrigens auch so super einfach machen, wie ich. Man muss dafür nicht mal die Bremsen oder die Schaltung umbauen. Ihr braucht nur etwas, wo ihr temporär das Flatbar-montierte Geraffel unterbringen könnt. Also den Schaltgriff, den rechten und den linken Bremshebel und vermutlich den Hebel für den Federgabel-Lockout. An den Rennlenker passt das nicht, da dessen Rohrdurchmesser zu groß sind. Was tadellos funktioniert, sind z.B. typische Aerobar-Extensions mit ihren 22 mm Durchmesser. Also habe ich einfach meine Aerobars auf den neuen Rennlenker aufgesetzt und schwupps Flatbar gegen Dropbar getauscht. Anstelle Aerobars könntet ihr z.B. auch einfach eine einzelne Extension mit einer Doppelschelle an den Rennlenker befestigen. Oder, wenn ihr einen noch ungekürzten Gabelschaft habt, könnt ihr einfach einen zweiten Vorbau auf diesen Schieben, an den dann die Flatbar samt montierten Hebeln wandert und der Rennlenker kommt an den unteren Vorbau. Der zweite Vorbau für die temporäre Montage der Flatbar muss dann aber so lang/steil sein, dass ihr beim Greifen des Rennlenkers nicht mit der Flatbar kollidiert.
Natürlich ist das nichts für den richtigen Fahreindruck. Sondern nur für das Überprüfen der Hebelverhältnisse, einer ersten groben Einschätzung der Körperhaltung und wie sich das Fahrrad so lenkt. Auf der Ebene, ohne großartig bremsen zu müssen. Denn die sind in ziemlich prekärer Situation an den Aufliegern. Funktionieren aber trotzdem. ;-)




Das Ergebnis war wie nicht anders erwartet: Beides funktionierte gut. Sowohl das Schalten der Shimano-Kette über das Shimano Ritzelpaket mit der Sram Eagle AXS (Best of both worlds: Shimano Hyperglide Kette + Kassette samt Ritzelabstufung einerseits und elektronisches, kabelloses Schalten mit Sram AXS andererseits – mehr dazu im folgenden dritten Teil der Artikelserie). Wie auch das Lenkverhalten mit dem Rennlenker.
Dieser Test fand noch ohne die Schalt-/Bremshebel am Rennlenker statt, weil ich dazu natürlich die Bremsen umbauen musste. Das folgte dann in Schritt 3.
Schritt 3: richtiges Fahren mit kompletten Rennlenker
Hierzu mussten jetzt definitiv die Shimano-Bremsen weichen. Vorne überhaupt kein Problem, da läuft bei einem MTB kein Stück der Bremsleitung irgendwo durch den Rahmen oder auch nur irgendwie „durch“ etwas. Das Abmontieren kann also ohne jedes Auftrennen der Hydraulikleitung geschehen. Bremszange an der Gabel abschrauben und den Vorderbremshebel von seiner temporären Position an den Aerobars lösen und schon ist die Bremse ab. Und der „Einbau“ der neuen Bremse geht genauso einfach. Die üblichen Rennlenkerschaltbremshebel kommen fertig konfektioniert und befüllt an. D.h. am Hebel ist schon die Bremsleitung und an deren anderen Ende die Bremszange. D.h. mit drei Schrauben (eine am Lenker für den Griff und zwei für die Bremszange am Montagepunkt der Gabel) ist schon alles erledigt.
Bei der Hinterradbremse geht das nicht ganz so einfach, da deren Leitung natürlich schön durch den Rahmen verläuft. Und das ist auch gut so. Da wollte ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht ran. Also habe ich zum Testen erst mal nur die Shimano-Bremszange abgebaut, die Leitung aber an Ort und Stelle gelassen. Für die Hinterradbremse gilt aber das gleiche wie für die Vorderradbremse – sie wird an einem Stück fertig befüllt und mit entsprechend längerer Bremsleitung geliefert. Die habe ich einfach mit Klebeband außen am Rahmen entlang geführt. Geht. ;-) Lenkerband wurde ebenfalls noch keines gewickelt, dazu mussten erst Vorbaulängen finalisiert und dann alle Leitungen (nun, eigentlich nur die der Hinterradbremse) korrekt verlegt werden.



Damit konnte ich dann also endlich richtig Fahren und Bremsen und so einen korrekten Eindruck gewinnen bzw. ihn vertiefen. Zunächst hatte ich den originalen Vorbau verwendet und ihn in seiner originalen Ausrichtung (17° nach unten) belassen (Schritt 3a). Schritt 3b bestand dann im Test mit der umgedrehten Einbaurichtung (17° nach oben) und Schritt 3c und 3d waren dann die Tests mit dem finalen 6° Vorbau (mal nach unten, mal nach oben). So konnte ich schnell und einfach durch direktes Testfahren und auch durch das Vermessen der Bikefittingmaße (siehe obige Tabelle) prüfen, was sich wie auswirkte und mir am besten gefiel.
Das Ergebnis war wie schon einige Male angeführt: Es blieb beim 80 mm Vorbau, mit den 6° Rise, positiv nach oben weisend verbaut. Wobei ich mir vorbehalte, den doch nochmal umzudrehen. Aber – das war richtig, richtig gut. Mit diesem Ergebnis konnte ich beruhigt am Steuersatz herumschrauben, noch diverse nicht unbedingt nötige, aber hübsche und leichte Teile kaufen (z.B. eine leichte Rockshox SID Federgabel) und die Bremsleitung nach hinten final ablängen und durch den Rahmen verlegen.
Was es dabei noch zu beachten galt (Flatmount- vs. Postmount-Bremszangenmontage), Auswahl der Bremsen, Auswahl der Schaltung, welche Komponenten ich mir warum gegönnt habe, Überlegungen zur Kettenblattgröße und Beachtenswertes zur Kurbelweite, Q-Faktor sowie Kettenlinie – das erfahrt ihr im dritten und letzten Teil der Artikelserie.
Hi Thorsten!
Na du bist ja schon ein rechter Theoretiker! Prozente, CAD Zeichnungen und Winkel in Ehren, aber hey, setz dich aufs Rad und nutze die Zeit!
Viele Gedanken bez. dropbar am MTB mögen hilfreich sein, aber das mit der Vorbaulänge…?!?
Also bei meinem dropbar MTB musste ich deutlich den Vorbau kürzer wählen (2cm), sonst wären, selbst bei dem von mir montierten 46cm Rennradlenker, die Arme zu gestreckt und ich würde zudem Probleme im Schulterblattbereich nbekommen. Die Praxis hats bestätigt.
Und bei anderen siehts nicht anders aus (zb Lael Wilcox Umbau).
Aber gut, hoffe du hast für dich deine geignete Kombination gefunden!
Grüße und einen schönen Radelsommer!
Jason
Hey Jason, danke für deinen Kommentar. Auch die Mitteilung deiner Erfahrung, dass du für dich den Vorbau um 2 cm kürzer wählen musstest und dir das besser behagt.
Das kann übrigens durchaus mit deinem etwas breiteren gewählten Lenker oder dessen Reach zusammenhängen. Wie du dir aus den bereitgestellten Informationen einfach erschließen kannst. Letzten Endes muss es aber in der Tat das Fahren ergeben. Das ist dann für das Feintuning zuständig.
Deswegen ist ja die „Winning Combo“, beides zu machen. Mit einem bisschen Wissen um die Zusammenhänge kann man da nämlich wesentlich zielgerichteter vorgehen oder sich im Vorfeld schon so manche Idee von der Backe schmieren. Klar gilt auch: Versuch macht kluch (sic!). Aber – wer hat schon die Zeit für sowas? Ich nicht, da fahre ich lieber… ;-)
Nein, nur Spaß. Natürlich fahre ich lieber als fruchtlos zu basteln. Aber fahren kann und will ich halt nicht rund um die Uhr. Deswegen nutze ich die Zeit für einfach _alles_ rund um’s Rad. Theorisieren, Ausprobieren, Basteln, Schreiben und Fahren. Und ja – für das Schreiben braucht’s auch etwas Hintergrund.
Dir auch einen schönen Radsommer. :)
Hallo Thorsten, wahnsinn, bin immer wieder geflasht von deinen Ausführungen. Sooo gut recherchiert. Überlegt, abgewogen, Theorien aufgestellt, Quellen angezapft, selber probiert, Schlussfolgerungen gezogen. Und dann kannst Du auch noch schreiben…..👍.
Hatte selber ein….mhm….naja, ein in etwa ähnliches Projekt. Nachdem mir mein Cervélo Aspero so viel Spaß macht, wollte ich mein Simplon Silk Carbon von Flat- auf Dropbar umbauen. Viel recherchiert, gegrübelt, in Foren getümmelt, Hersteller kontaktiert, mein Budget immer weiter hoch gesetzt. Und dann irgendwann entnervt den Stecker gezogen. Es wäre einfach zu umfangreich. Naja, es bleibt der Answer Protaper 20/20 mit SQlab Innerbarends. Für das, was es können soll, passt das auch. Und für alles andere steht das Aspero in der Garage 🙂.
Aber die Überlegungen mit der Geo ( kann das mit deeem langen Oberrohr überhaupt vernünftig gehen ?): Genau wie bei dir….selbst die Geschichte mit dem Griffweitenradius…..bin begeistert.
Warum ich aber schreibe:
Hast du ggf. eine Quelle, wo mal ausführlich über Lenkerbreite bei Dropbars sinniert wird? Und vor allem auch, wie man die Schulterbreite richtig bestimmt? Finde das alles ein bisschen tricky, reagiere selber auf kleinste Änderungen ziemlich arg und muss mich neuerdings mit einer Ritzarthrose im linken Daumengrundgelenk beschäftigen. Lenker wird/muss jetzt geändert werden. Beim Deda Superleggero (klassisch italienisch) gehen die Brems-Schalthebel nicht hoch genug ), es soll ein Zipp Ergo SL70 werden ( geringerer Reach, leichtes Backsweep, abgeflachter Oberlenker ).
Schwanke zwischen 42 und 44 ( ja, Schultern sind breit, bin doch einigermaßen athletisch gebaut ), und die zwei Zentimeter finde ich schon nicht unegal. Es gibt einfach so viele recht oberflächliche Abhandlungen darüber, aber ich komme einfach nicht klar. Hast du ggf. nen Tipp?
Vielen lieben Dank.
Andreas
Hallo Andreas, ja, wow, das ist ja mal geradezu überschwengliches Lob… Vielen Dank! :)
Eine in meinen Augen wirklich gute und tiefgreifende Quelle habe ich da zu Lenkerbreiten (egal ob Drop oder Flat) leider nicht. Klar gibt es Daumenregeln und viele Allgemeinplätze zuhauf im Web zu finden. Das also irgendwie die Schulterbreite eine Rolle spielt. Das eher breite Griffweiten die „Brust öffnen“, das die Arme nicht zu gestreckt sein sollten etc. pp.
Was du suchst, wäre ja aber eine grundlegende Befassung mit der Materie besonders unter Haltungsgesichtspunkten. Ich glaube, da wärst du bei einem erfahrenen Fitter am besten aufgehoben. Die führen ja auch immer ein Aufnahmegespräch, wo sie deinen Problemen, Hintergründen und Einsatzwünschen auf den Grund gehen.
Wenn’s ein richtig guter mit angeschlossenem Teilelager ist, leiht er dir vielleicht sogar mal einen 42er und 44er Lenker zur Probe und du kannst beide mal eine Weile für dich auf deinen Hausstrecken testen?
Zur deiner Erwähnung des Deda Superleggero und Brems-Schalthebel-Position. Natürlich muss der Übergang zwischen Tops und den Hoods gefallen und da kommt es tatsächlich auf den Reach und auch den oberen Radius des Bügels an. Aber wenn das grundsätzlich passt dann kannst du natürlich einfach den Lenker im Vorbau mal mehr nach oben rotieren. Das gibt ganz unterschiedliches Gefühl an den Hoods. Einfach mal ausprobieren. :)
viele Grüße
Torsten