Bikepacking Races

Das Atlas Mountain Race 2020 – Mein Tagebuch der Erstaustragung (Teil 2 von 2)

I publish my Atlas Mountain Race Journal bi-lingual. Looking for the English version? Head over here.

Willkommen zum zweiten und letzten Teil meines zweiteiligen Tagebuchs zum Atlas Mountain Race 2020. Den ersten Teil findet ihr hier.

Er wurde bereits im Mai des Jahres 2020 veröffentlicht. D.h. 3 Monate nach dem Rennen. Also noch mit frischer Erinnerung an das Geschehene.

Es ist nun schon der dritte Anlauf, den ich zum Beendigen dieses zweiten Teiles nehme.

Über den Jahreswechsel 2021 zu 2022 fing ich noch mit den folgenden Worten an:

Die spätestens nach der Rückkehr von Marokko überall in der Welt als Realität erkannte Pandemie hat unser aller Alltag verändert und trotzdem scheint der Sommer und in ihm der Sattel eines Fahrrades alleine und selbstversorgt wenigstens einen kleinen Lichtblick zu geben. Da das Transcontinental Race No 8, für das ich einen Startplatz habe, sinnvollerweise 2020 nicht statt fand und verschoben wurde (und gleiches nochmal für 2021 erfolgen musste), überlege ich an einem Ersatz mit nicht ganz so vielen Grenzübertritten und wo ich An- und Rückreise komplett individuell (ohne Züge oder Flugzeug) durchführen kann. Ich finde ihn in Form des Three Peaks Bike Race 2020. So ist der Sommer ausgefüllt und auch die sonstige Arbeit reisst ja nicht ab. Es brauchte deshalb ganze weitere 19 Monate bis zu dieser Fortführung meines Tagebuchs. Innerhalb derer es leider auch immer noch nicht zu einer zweiten Ausgabe dieses wunderbaren Rennens gekommen ist. In diesem Jahr musste sowohl der ursprüngliche Februar-Termin (von mir als nahezu sicher so erwartet und entsprechend auch eingetreten) wie auch der Ausweich-Termin im Oktober aufgrund der Pandemie ausfallen. Ich hoffe für alle vorgesehenen Teilnehmer, dass die jetzt für den Februar 2022 vorgesehene Ausgabe stattfinden kann. So kommt hoffentlich diese zweite und finale Ausgabe meines AMR-Tagebuches genau rechtzeitig, um die sicher schon hohe Vorfreude noch weiter zu stärken und ein paar weitere Eindrücke und Info-Brocken zu erfahren, solltet ihr als Leser einen Startplatz für das AMR2022 haben oder euch anderweitig für eine Bikepacking-Reise nach Marokko im kommenden Jahr interessieren.

Nun – wie wir mittlerweile längst wissen, konnte das Atlas Mountain Race selbst im Frühjahr 2022 immer noch nicht zum zweiten Mal erfolgen. Aber dafür hat es mit dem Ausweichtermin im Oktober diesen Jahres gepasst. Und was für eine tolle Zweitaustragung dies war!

Ich habe sie quasi „hautnah“ als offizieller Dotwachter-Volunteer begleitet. Gar nicht mal mit der Absicht, mir einen sicheren Startplatz für die nächste Austragung zu sichern. Sondern viel mehr, weil mich mal „die andere Seite“ interessiert hat und ich mal einen Einblick in die organisatorische bzw. Volunteer-Seite eines Selbstversorger-Rennens erhalten wollte. Und ich fand, es hat sich sehr gelohnt und war spannend. Ganz unabhängig vom Rennen. Aber auch das Rennen selbst – meine Güte. Super interessant und ereignisgeladen! Wer einen kurzen Eindruck haben möchte – ich habe meinen Instagram-Kommentar, den ich während des Rennens gefeatured habe, nach wie vor als zusammenhängende Story auf meinem Instagram als Highlight archiviert. Hier ist sie: Instagram-Story Recap AMR 2022. Gewonnen wurde die zweite Austragung von Marin de Saint-Exupéry. Keinem Unbekannten, er hat z.B. in 2021 sowohl das Hope1000 wie auch das Further Pyrenees gewonnen. Komplettiert wurde das Podium von Jochen Böhringer und Rodney Sonco.

Doch genug von der Zweitaustragung. Hier geht es wieder um das erste Atlas Mountain Race. Ausgetragen im Februar 2020.

Glücklicherweise habe ich einen Teil des hier vorgelegten zweiten Tagebuch-Teils schon im Juni 2020 zu Schreiben begonnen und dann in 2021 ein wenig weiter getrieben, so dass ich damit und mit meinen Aufzeichnungen und Fotos wieder in gewohnte Tiefe gehen kann. :)

Also kurz zurück zum ersten Teil: In diesem schloss ich mit meiner Ankunft am Checkpunkt 2. CP 2 von insgesamt dreien. Im Oasental von Aguinane gelegen, dessen Anblick in voller Pracht mir leider versagt blieb, da ich im Dunklen in das Tal hinabfuhr und es auch am nächsten Morgen noch im Dunklen verlassen würde. Das war nach etwas über der Hälfte des Rennens. 673 Kilometer von 1174 Kilometern. Vier Tage und knapp 13 Stunden hatte ich bis dorthin benötigt. Und bin 48 Minuten nach Kontrollschluss dort eingetroffen.

Kapitel 11: Intermezzo – eine Nacht am CP 2

Check- oder Kontrollpunkte in Ultradistanzrennen. Immer eine tolle Sache. Je nach Rennen und Position in diesem vergehen oft Tage zwischen den einzelnen Checkpunkten. Tage, in denen man manchmal sogar keinen einzigen, oder nur wenige, andere Rennteilnehmer trifft. Bis auf vereinzelte Kontakte mit einem Ladenbesitzer hier oder einen Gastwirt dort kaum soziale Interaktion bekommt. Was, das muss ich deutlich sagen, auch seine Vorteile und seinen Reiz hat. Und doch will man sich ja schon irgendwie mitteilen. Nicht nur über vereinzelte Tweets oder Instagram-Posts. Und will auch nicht nur auf der Tracking-Webseite Punkte auf der Landkarte und deren Position relativ zur eigenen betrachten. Bemannte Checkpunkte bieten eine tolle Gelegenheit, auf andere Rennteilnehmer und auch auf freiwillige Unterstützer zu treffen. Die dieselbe Leidenschaft haben. Die die selben Strapazen teilen. Dabei aber alle ihre eigenen Abenteuer erleben. Und doch so vieles mit einem teilen. Und alle verweilen sie ein wenig bei einem solchen Checkpunkt. Manchmal nur so lange, wie es braucht, bis der Stempel in der Brevetkarte gelandet ist. Oft aber mal mindestens, um neue Verpflegung und vielleicht gleich eine Mahlzeit am Platze einzunehmen. Oder, wenn es gegen den späten Abend geht, vielleicht gleich auch die Nacht dort zu verbringen. Beste Gelegenheit, sich schon im Rennen ein wenig auszutauschen. Und einfach eine gute Zeit zu haben.

So auch hier, denn der CP2 war in der Auberge le Paradis d’Aguinane untergebracht. Hier gab es eine warme Abendmahlzeit (Tajine, was sonst), ein Bett und die Möglichkeit für ein Frühstück. Drei schlagende Argumente. Es gibt leichte Verwirrung und gedämpften Ärger um die Preispolitik der zwei für die Herberge verantwortlichen Wirte an diesem Abend, die aber wohl nicht mit dem Inhaber identisch waren. Wenn ich das richtig verstanden habe, wurde der Pauschalpreis für Abendessen, Übernachtung und Frühstück, der Neuankömmlingen über den Verlauf des Abends genannt wurde, höher und höher. Es mag sich aber auch um Missverständnisse gehandelt haben. Alles in allem war der Preis jetzt aber auch nicht der weiteren Rede wert. Deswegen konnte ich recht bald meine Tajine im Kreise der übrigen anwesenden Teilnehmer genießen. Zu etwa zehnt saßen wir draußen an den Tischen. Andere waren schon in den Unterkünften, bereiteten ihr Nachtlager vor oder schliefen vielleicht schon.

Das hatte ich dann auch bald vor. Das Rad musste ich in den Flur des Anbaus stellen. Es gab diverse Einzel- und Doppelzimmer, die alle belegt waren. Und ein paar offene Mehrbettzimmer. Ein Bett darin nahm ich in Beschlag. Der Waschraum sah furchtbar aus – was aber wohl eher an den ganzen Teilnehmern als an der Herberge lag. Warmes Wasser gab’s auch keines. Am nächsten Morgen nach dem Aufstehen würde ich mir die einzige Toilette auswählen, die nicht schon verstopft war. Dafür hatte die keine Brille. Aber immerhin – keine Hocktoillette. Vor dem zu Bett gehen – ich wollte die sauberen Laken ja auch nicht versauen – wasche ich mir zumindest am Waschbecken Arme und Beine und versaue statt dessen lieber ein noch halbwegs taugliches Handtuch, was da hängt.

Jetzt aber schnell in die Heia. Ich glaube, ich bekomme knapp 6 Stunden guten, erholsamen Schlaf zusammen. Es ist kurz vor 6 Uhr, als ich mich fertig angezogen und mit auf dem Rad fertig verstauten Sachen an den Frühstückstisch setzen kann. Bei all den Diskussionen am gestrigen Abend über vermeintliche Preistreiberei ist hier dem Wirt keinerlei Vorwurf zu machen. Ganz im Gegenteil. Egal wie früh diverse Teilnehmer in der Nacht oder jetzt am Morgen sich zum Aufbruch bereit machten, bekamen diese anstandslos von ihm Kaffee, Brot, Butter und Marmelade.

Ein frugales Frühstück am CP 2: Kaffee, Fladenbrot, Butter, Marmelade (in Mini-Tajines)

Zwei andere Teilnehmer sitzen schon draußen. Ein weiterer kommt bald hinzu. Ein Kissen unter dem Hintern und meine Micropuff-Jacket angezogen ist es auch draußen recht gemütlich. Bevor ich losfahre, versorge ich noch meinen Antrieb. Er ist staubig ohne Ende. Allein das Spülen mit Wasser wirkt hier schon Wunder gegen Knarzen. Das Wasser hole ich aus einem Waschbecken. Mein Restwasser in meinen Trinkflaschen ist zu kostbar. Ich gebe danach aber noch auf jedes Kettenglied einen Tropfen Kettenwachs. Und auch die Pedale werden kurz gespült und mit Wachs versehen. Lange wird es nicht halten, aber es ist besser als nichts. Der feine Staub ist überall und setzt sich auf das gesamte Material. Gerade auch die Funktion der Klickpedale leidet darunter. Ein- und ausklicken wird zunehmend schwerer. Jetzt, nach dem Säubern und wachsen ist die Funktion wieder butterweich. Es wird nicht lange halten.

Ich hatte ein gutes Abendessen, guten Schlaf, ein durchaus gutes Frühstück. Was ich nicht habe, ist neuer Proviant. Ich kann dem Wirt gerade noch so eine Halbliter-Flasche Wasser abschwatzen. Mehr ist aber nicht drin. Die gesamte Herberge ist leergekauft. Etwas lästig, sicherlich nicht optimal. Aber nicht schlimm. Ich habe Optionen. Die zwei ersten davon allerdings um diese Uhrzeit nicht ziehen werden, wie ich schon antizipiert habe, während ein anderer Teilnehmer noch versucht, Einkaufsmöglichkeiten vom Wirt herauszubekommen. Er bekommt aber wenig Mut gemacht. Es gibt zwar einen Laden hier im Ort (nach meinen Notizen einen Kilometer wieder zurück im Ort), aber der wird wohl erst später aufmachen. In 2,5 Kilometern würde eine Epicerie, also ein kleiner Lebensmittelladen folgen. Zwar kein Eintrag aus dem Race Manual, aber das hatte ich in der Vorbereitung aus Google Maps entnommen. Hier muss man aber immer Vorsichtig sein – auf solche Einträge darf man sich in solchen Ländern nicht verlassen. Generell nicht, wenn es die einzige Option weit und breit ist. Vor geschlossenen Türen zu stehen, weil ein Eintrag längst veraltet oder ohnehin nie zutreffend war und dann ohne Reserve dazustehen wäre grob fahrlässig. Aber – um diese Uhrzeit hilft mir dieser Eintrag auch sowieso nicht. Nein – mein nächster Verpflegungsstop muss dann wohl oder übel Aka Ghuiren sein. In 30 Kilometern. Etwas abseits der eigentlichen Route, aber immerhin der einzig nächste im Racemanual verzeichnete Versorgungspunkt. Danach würde erst in 85 Kilometern der nächste folgen.

Ok. Also los geht’s. Es ist noch stockfinster, als ich um 07:01 Uhr den Startknopf auf meinem Wahoo drücke.

Kapitel 12: Von CP2 bis über den Schicksalsberg

Auf leicht abfallendem Asphalt rolle ich locker los. Sehr weit komme ich nicht. Grüne Palmenwedel sind im Licht meiner Lampe sichtbar. Darüber die silberne Sichel des abnehmenden Mondes. Langsam schälen sich Felskonturen aus dem Schwarz des Nachthimmels. Das ist doch ein sehr interessantes Motiv! Kaum eine Viertelstunde gefahren, halte ich für ein paar Fotos an. Während ich diverse Ausschnitte und Brennweiten durchgehe, beginnt die Dämmerung. Neben dem Mond sind zwei prägnante „Sterne“ zu sehen. Es sind aber Planeten. Über dem Mond Jupiter, schwach links vom Mond Saturn, wie ich mich später daheim vergewissere. Wunderbar!

Erste Anzeichen der Dämmerung im Aguinane-Tal
Mond, Jupiter und Saturn über Palmen-Silhouetten

Ich rolle weiter, das Tal oder besser gesagt, die Schlucht wird enger. Nicht ganz 12 Kilometer habe ich jetzt auf Asphalt abwärts fahrend zurückgelegt. Langsam wird der Himmel farbig und die Felsen beginnen von der Spitze an, röter und röter zu werden.

Roter Felscanyon in der Morgendämmerung

Es folgt ein kurzer Aufstieg, der mich aus der Schlucht herausbringt. Eine Stunde nach meinem Aufbruch stehe ich auf einer kleinen Passhöhe und schaue zu, wie sich die Sonnenscheibe mit einem Blitzen hinter den Bergen am Horizont hervorzuschieben beginnt. Herrlich. CP2 liegt ja gerade erst hinter mir. Das heisst, da ich mich gerade nicht im Rennen um die vordersten Plätze befinde (fern davon) sind Gedanken an CP3 noch fern. So genieße ich den Moment und warte (und fotografiere) bis die Sonne vollends aufgetaucht ist.

Dann erst fahre ich weiter. Mein Schatten als Begleiter auf dem durch die ersten Sonnenstrahlen noch roteren Fels direkt neben mir.

Shadow (Rider) on the Wall

Vier Minuten später endet der Asphalt und die Piste hat mich wieder.

Auch das nächste trockene Flussbett, welches durchquert werden will, lässt nicht lange auf sich warten. Solchen trockenen Flussbetten begegnet man in allen Größen. Die kleinsten sind vielleicht nur eine Delle oder Rinne im Weg oder in der Piste. Mal mehr, mal weniger tief eingeschnitten. Aber auch diese haben meist einen Bereich mit tiefem, feinen Sand und dann daneben bzw. dahinter Bänke von gröberem Kies und richtig groben Blöcken. Manchmal kann man sie einfach so durchfahren, manchmal wird man auch zum absteigen gezwungen. Auch, wenn sie durchfahrbar sind, ist es aber immer eine aktive Geschichte, die das schnelle Finden eines passablen Ein- und Ausstiegs und der Linie dazwischen und entsprechende Körpergewichtsverlagerung erfordert. Die größeren, wie das folgende, erfordern das Absteigen und Schieben des Rades. Wobei sich die kürzeste bzw. beste Linie zwischen Ende und Neu-Anfang der Piste erst beim Schieben ergibt. Wenn man denn überhaupt schon von Anfang an den gegenüberliegenden Anfang der weiteren Piste im Auge hat.

Es ist nicht von ungefähr, dass im Race-Manual für diesen Abschnitt vermerkt ist “Piste gets rough, likely be some pushing required. Resupply is scarce, the surface has been badly eroded.“

Trockenes Flussbett

Die folgenden Kilometer der Route sind für mich eines der Highlights des Rennens. Schattierungen von Rotbraun und Ocker, die gewundenen Sedimentschichtlinien ein harmonisches Muster mit den Konturen der Oberfläche und den Kurven der Piste formend, darüber stahlblauer Himmel mit einzelnen passenden Wölkchen – herrlich. Und dann der monumentale Ausblick hinab in ein tiefes Tal mit dem Ausblick auf eine geniale Abfahrt!

Ein solcher Ausblick, eine solche Abfahrt, ein vollgefedertes Race-MTB und noch Vormittag – beste Vorraussetzungen für beste Stimmung. Mann, hat das Laune gemacht! Danach trifft die Piste wieder auf Asphalt. Wieder sehr guten, wie fast immer, wenn wir auf Asphalt unterwegs sind. Die Renn-Route würde nach rechts weiter führen. Aber Aka Ghuiren, welches als einziger Verpflegungspunkt weit und breit im Race Manual aufgeführt ist, ist links. Und da muss ich hin. Am CP2 gab es ja nichts mehr zu kaufen. Und die nächste Möglichkeit ist erst in 85 km!

Anti-Atlas Landschaft
Was für ein Ausblick, was für ein Downhill!

Aus dem Kartenstudium hatte ich mir 3-4 km one way notiert. Was etwas schwer abzulesen ist, wenn bei Google Maps kein direkter Eintrag eines Cafés oder Ladens zu finden oder mit dem Eintrag im Race Manual zur Deckung zu bringen ist. Die Siedlungssignaturen der Karte sind auch mit Vorsicht zu genießen. Ist das Café oder der Laden am Anfang oder am gegenüberliegenden Ende eines Dorfes? Naja, wird schon passen. Muss passen. Und da ich wusste, diese Strecke ist auf Asphalt, war das eine gut denkbare Alternative. Sollte wohl nicht so schlimm sein. Wie sich aber herausstellte, waren es volle 7,6 Kilometer vom Abzweig bis mitten nach Aka Ghuiren hinein. Das zeigte sich schon beim Fahren. Wenigstens war die Straße sehr gut. Und sie führte leicht bergab. Das hieß aber nur – zurück musste ich dann leicht bergauf. Seufz. Weitertreten, schnell machen. Hier hatte ich jetzt Eile – denn ich war nicht auf Kurs in Richtung Ziel, sondern davon weg. Ich rolle über niedrige Brücken, die einen Wadi überqueren. Palmen stehen hier, dann kommt der Ort. Auf der Karte findet sich auch die Bezeichnung Aka Ighane. Das ist manchmal nicht eindeutig zwischen den verwendeten Grundlagenkarten je nach Google Maps, Komoot und da den diversen einblendbaren Ebenen von OSM und Co.

Gar nicht mal so klein, der Ort. Auf der Hauptkreuzung findet sich denn auch alles mögliche versammelt. Eine Metzgerei, ein Laden, ein Kiosk, ein Café und was nicht alles. Im Café ordere ich Wasser, einen Milchkaffee und ein Omelette. Interessant: hier gibt es als Brot ausnahmsweise mal kein Fladenbrot, sondern ein Stück Baguette dazu. Während das zubereitet wird, wechsele ich auf die andere Straßenseite. Viel höher als breit ist da ein Ladenkiosk. Lange Regale wachsen beiderseits der Theke in die Höhe. Mit allem Möglichen drin. Ob sie auch Hygiene- bzw. Feuchttücher haben, will ich wissen und muss schließlich meinen kleinen Pack aus meinem Seatpack holen, um genau zu erläutern, was ich meine. Nein – sowas gibt’s da nicht. Aber trockene Kosmetiktücher bzw. Papiertaschentücher kann ich bekommen. Natürlich nur in einem riesigen Familienpack. Ok – gekauft. Kostet eh nur ein paar Dirham, also wenige Cent. Da ich nicht weiss, wohin mit dem ganzen Kram, hole ich einfach 2/3 des Inhaltes an Ort und Stelle heraus und lasse sie in einem Mülleimer dort. Ansonsten hole ich mir das Übliche: Eine 0,5l Softdrinkflasche für den Rucksack, abgepackte Minikuchen oder Muffins, Schokoriegel, zwei kleine Chipstüten, mehr Wasser.

Nachdem ich mein Omelette gegessen habe, treffe ich noch eines der Filmteams, die das Rennen begleiten. Sie sind aber off-duty und nur für das Aufnehmen von Verpflegung hier.

Jetzt also wieder volle 7,6 Kilometer zurück. Gut gestärkt zwar, aber Mann, mehr als 15 Kilometer Umweg dafür. Sehr ärgerlich! Das würde ich so nicht noch einmal machen.

In der Folge bleibt es erstmal recht flach bis nur ganz sanft ansteigend. Und alles Asphalt. 45 km bis zur nächsten Offroad-Sektion. Riesige Geröllebenen bzw. im Grunde trockene Flussbetten breiten sich beiderseits der Straße aus. Der Wind kommt ziemlich von vorn. Ich bin sehr froh, Aerobars zu haben. Hier sehe ich tatsächlich endlich auch mal Kamele. Echte lebende und nicht nur auf ein Verkehrsschild gemalte. Das sollten aber auch die einzigen zwei bleiben.

RP1734 zwischen Aka Ghuiren (Offroute Verpflegungspunkt nach CP2) und Ibn Yacoub.

Dann komme ich nach Ibn Yacoub und damit wieder zum nächsten Höhenkamm und wieder auf Offroad-Pisten und Tracks.

Marokko hat Steine im Überfluss. Da ist es nur normal, dass man sie auch in den Dörfern findet. Was mich immer fasziniert ist, wenn alles die gleiche Farbe hat und ganz mit der Landschaft eins wird. Weil alles aus dem Material gemacht ist, welches die jeweilige Landschaft formt. In diesem Fall: unbefestigte Straßen, Stützmauern und Mauerwerk etc. Teilweise ziemlich verfallene Mauern. Egal ob als Stützwand oder als Hauswand. Dunkle Türöffnungen lassen mich wundern, wie es wohl drinnen aussehen wird. Das Auge hat keine Zeit, sich vom hellen Sonnenschein aus an das dunkle Innere anzupassen. Steil geht es durch Teile des Ortes nach oben. Wo ich mich unten noch in einem halb verfallenen Abschnitt eines Berberdorf wähne, komme ich oben an einem kleinen und modern befestigt aussehenden Sportplatz vorbei. Interessant.

Ich suche jetzt etwas Schatten und eine gute Sitzgelegenheit. Wie so oft finde ich es etwas zu ruppig, um wirklich alles gut im Fahren zu essen und will mich deswegen ab und an auch mal zum Essen hinsetzen. Nicht jedesmal natürlich – vieles Esse ich auch im Fahren. Aber jetzt ist quasi Zeit für „Middach!“ und ich will mich an meiner Cola und den Chips gütlich tun. Ein Selbstportrait könnte auch mal wieder sein. Mein übliches Problem – Rennfotografen sind natürlich weit und breit keine in meiner Nähe. Alles muss man selber machen. Als wahrer self-supported Fahrer eben. ;-) Mit dem Schatten wird es nichts, aber ich finde diese kleine aufsteigende Felskante, die wenigstens Windschutz und durch die herumliegenden Steine Sitzgelegenheit bietet:

MTB auf dem Boden und Fahrer bei der Pause
Snack und Selbstportrait-Pause

Die Sonne hat vor kurzem ihren Zenit überschritten, aber die Landschaft finde ich wieder genauso genial wie heute morgen. Etwas nach meiner Chips-Pause öffnet sich der nächste wahnsinnige Blick tief in die folgende Ebene. Entlang des Felshänge zeichnet sich unmissverständlich die stetig abwärts führende Linie der Piste ab. Da geht’s lang – wow was für eine Abfahrt!

Spektakuläre Aussicht, spektakulärer Downhill - wieder einmal.
Spektakuläre Aussicht, spektakulärer Downhill – wieder einmal.
Findet ihr den Teilnehmer, der gerade eine Panne behebt, im Bild?

Also hinab – nach genügend Fotos natürlich. Auf halber Höhe komme ich an einem Teilnehmer vorbei. Sein Rad aufgebockt. Kurze Frage, ob er klar kommt. Ja, tut er. Hofft er. Im Moment hat er noch Hoffnung, seinen Tubeless-Reifen zu retten, bevor er in den Sauren Apfel beissen will, und einen Schlauch einziehen muss. Alles klar – Bonne Chance. Weiter geht’s. Am Ende der Abfahrt der nächste Teilnehmer. Rad ebenfalls aufgebockt. Er ist gerade dabei, seine Kette zu schließen. Der Grund dafür liegt neben ihm. Er hat sein Rad notgedrungen auf Single Speed umgebaut und ist damit auch schon fast fertig. Donnerwetter. Reife Leistung und keine kleine Operation. Sein 12-fach Shimano XTR-Schaltwerk habe sich zerlegt. Öha! Genau dasselbe, das ja auch bei mir hinten für das Schalten zuständig ist. Na dann aber Toi Toi Toi, dass mir da nichts passiert. Auch ihn lasse ich nach kurzem Wortwechsel zurück – keine Ahnung, ob seine Singlespeed-Konversion ihn noch ins Ziel oder hoffentlich wenigstens unproblematisch bis in den nächsten größeren Ort befördern konnte. Jetzt also im Flachen weiter. Nach wie vor auf Piste. Der Schotter ist nicht von schlechten Eltern. Trotzdem lasse ich es fliegen, kann teilweise sogar in den Aufliegern fahren. Federung sei Dank. Auf diese Weise brause ich an einem miteinander plaudernden Teilnehmer-Duo vorbei und winke nur kurz. Heissa, war das toll!

Dann kommt wieder mal ein Stück Asphalt. 10 Kilometer sind es jetzt noch bis Tagmout, das ich schließlich mit 131 Kilometern auf meinem Wahoo erreichen werde. Hier darf ich diverse Cafés und Restaurants als Verpflegungspunkte erwarten. Zuvor muss ich aber erst mal dahin kommen. Der Wind, der ja gestern schon mehr als die Tage zu vor von sich reden machte, steht mir auch jetzt entgegen. Langsam nähere ich mich einem Teilnehmer vor mir. Diese Silhouette kenne ich doch. Den habe ich doch heute Morgen schon auf dem Weg nach Aka Ghuiren gesehen und wir haben uns kurz gewunken. Es ist Örs, Cap Nr. 106. Ich passiere ihn mit kurzem Wortwechsel und bin dann endlich in Tagmout. Wo mögen denn hier die Läden bzw. Cafés sein… Nichts deutet darauf hin, aber halb einer Eingebung, halb auf Google Maps schauend fahre ich von einer staubigen Straße rechts ab und steuere auf eine Öffnung in einer Mauer zu. Voilá! Dahinter öffnet sich eine Art Marktplatz-Karee. Umsäumt von eingeschossigen Flachdachgebäuden mit leichten Arkaden davor. In ihnen quasi ein Café, Kiosk oder Laden neben dem anderen. Vor dem erstbesten halte ich an und stelle mein Rad ab. Davor stehen zwei Kühlschränke. Beste Aussichten. Einer ist voll mit Softdrinks und Wasserflaschen, der andere mit Joghurt und solchen Sachen. Super! Über dem Besitzer hinter der offenen Theke hängt ein Flachbildschirm. Es läuft Fußball. Wenn mich nicht alles täuscht, spielt sogar eine deutsche Mannschaft. Woher ich komme, werde ich gefragt. Ich weiss gar nicht, ob ich Germany oder Allemand gesagt habe. Jedenfalls freut er sich. Während ich schnell alles zusammenkrame, was mir gefällt, kommt Örs hinzu. Ihm steht der Sinn nach Deftigerem. Siehe da – ich hätte jetzt gar nicht vermutet, dass es genau in diesem Lädchen auch was Warmes gäbe. Aber Örs frug, ob er irgendwas bekommen könnte, Omelette oder so. Und natürlich konnte er. Sieh an – wieder was gelernt. Den Ort, an dem man in Marokko kein Omelette bekommen kann, gibt es anscheinend nicht.

Den Ort, an dem man in Marokko kein Omelette bekommen kann, gibt es anscheinend nicht.

Währenddessen erspähe ich am anderen Ende des Platzes einen weiteren Fahrer. Hmm, den kenne ich doch… Ist es wirklich…? Es sind ein paar Meter, aber ich gehe mal rüber. Auf halben Wege sehe ich, dass ich richtig vermutet habe. Es ist Robert, der da gerade sein Rad demontiert, um es in das daneben stehende Taxi zu laden. „Mensch Robert – was ist los!?“ Ich weiss nicht mehr den genauen Grund, den er mir genannt hatte. Aber was konkretes, für sich allein stehend Renn-Beendetes war es glaube ich nicht. Eher die Summe der Umstände. Irgendwie hatte er einfach nicht mehr die richtige Motivation, meinte er. Vielleicht war auch was mit dem Rücken bzw. körperliche Nicklichkeiten. Er würde sich jetzt hier dieses Taxi nehmen, und damit nach Agadir bzw. Sidi Rabat, also zum Ziel fahren. Wenn ich das richtig erinnere, waren das etwa 60 Euro, die dafür von Tagmout aus aufgerufen wurden. Na dann – schade und gute Fahrt, Robert.

Ich gehe wieder zu meinem Rad zurück, löffle noch einen Joghurt, sage Örs „bis später“ und radle wieder los. Auf dem Weg runter vom Marktplatz und raus aus dem Ort komme ich in einer anderen Straße an einem weiteren kleinen Restaurant oder Café vorbei. Da sitzen gleich drei weitere Teilnehmer. Ich winke nur kurz freundlich – es muss heute noch ein gutes Stück weiter gehen. Ein sehr gutes Stück. Aus dem Race Manual: „between Tagmout and Issafen may be our personal favourite. … Old piste, two broken sections of road, a short walk down and around the wash out, and you’ll be back on the road…“

über den Schicksalsberg…

Und bis Issafn sind es jetzt noch 67 Kilometer. Mit der berüchtigten „Old Colonial Road“ die mehr schlecht als recht über den Tizi Touzlimt auf 1767 m ü. M. führt zwischen mir und diesem Ziel…

Es ist bereits sehr später Nachmittag, oder besser, früher Abend, als ich Tagmout hinter mir lasse. Nicht die besten Aussichten für eine der schwierigsten Passagen im Rennen. So etwas würde man lieber komplett im Hellen angehen. So wie es aussieht, kann ich aber froh sein, wenn ich noch im schwindenden Tageslicht wenigstens bei der ersten „broken section“ ankommen würde.

Wüstenebene durchquert durch Piste
Der Beginn der Old Colonial Road hinter Tagmout

Zunächst geht es über eine recht gute Piste schnurstracks gen Süd-Südost durch eine Ebene. Dann ein Knick Richtung West-Südwest und das zu überwindende Gebirge rückt in das zentrale Sichtfeld. Schon kurz vorher hat die Strecke ganz leicht zu steigen begonnen. Das späte Tageslicht der bald hinter den Bergen schwindenden Sonne verleiht den Hügelketten eine nahezu äetherische Unwirklichkeit.

Old colonial road hinter Tagmout

Die Alte Kolonial-Straße von Tagmout nach Issafn war ganz sicher eines der Highlights des Atlas Mountain Race. Nicht viel mehr weiter und da vorn wird der (Typ 2) Spaß und die Kletterei auf bis zu 1750 m über dem Meer erst richtig losgehen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch in glücklicher Unkenntnis wie stark die Untertreibung des Renn-Handbuchs wirklich in der Beschreibung dieses Abschnittes war. Ich titelte die Aktivität dieses Tages auf Strava später mit „From CP2 over the Mountain of Doom“. Warum das so ist, und warum es nicht nur mit der Qualität (oder dem Fehlen derselben) der Piste zu tun hat, dazu komme ich jetzt.

Der Gradient nimmt langsam zu und langsam naht auch die Dämmerung. Noch ist die „Straße“, naja, die Offroad-Piste halt, relativ gut zu fahren. Sie schmiegt sich linkerhand an einen Berghang und rechts geht es dann so zwischen 2 bis 5 Meter jäh herab. Die ganze Zeit warte ich gespannt, wann denn diese zwei im Roadbook beschriebenen Stellen kommen und was sie wirklich bedeuten.

„Two broken sections of road. That won’t stop us though, a short walk down and around the wash out, and you’ll be back on the road.“ steht da.

Old colonial road mit Teilausbruch

Ich komme an eine Stelle, wo die Piste zum ersten mal erodiert ist. Ein gutes Teil ist regelrecht weg- und ausgebrochen. Man kommt aber noch gut drum herum. Oh, denke ich erleichtert. Das soll so eine „broken section“ sein? Ok, das ist ja dann gar nicht schlimm. Haha, weit gefehlt! Nur eine Kurve weiter und ich sehe die erste wirkliche „broken section“!

Oh! Ok. Oh wow – komplettes, tiefes Loch. Wo und wie komme ich überhaupt erst mal runter von der Straße? „Short walk down…“ Haha – oh Nelson!

Die Fotos transportieren die Dimension dieser Lücke kaum. Da geht’s bestimmt mindestens 3-4 Meter herunter und es ist zunächst keine offensichtliche Möglichkeit zu sehen, wie man da überhaupt herunter und dann wieder herauf kommt. Geschweige denn, samt dem eigenen Fahrrad! Und glücklicherweise kann ich jetzt auch noch ein bisschen was sehen. Bald wird die Dämmerung der komplett dunklen Nacht weichen. Mit wortwörtlich Hängen und Würgen schaffe ich es, mein Rad und so halb, dann mich ganz und dann mein Rad von unten ganz nach unten zu nehmen. Das Raufkraxeln an der anderen Seite geht ein kleines bisschen leichter.

Oben stehe ich dann, blicke zurück und denke – na, dass kann bei der zweiten Lücke ja heiter werden. Aber der Blick zurück ist wieder einmal super atmosphärisch und Gänsehaut-erzeugend. Gegen lilanen Dämmerungshimmel sehe ich da einen weiteren Teilnehmer im Schein seiner Lampe die Old Colonial Road herauf fahren.

Ein ferner Teilnehmer bewältigt den Anstieg im Schein seiner Lampe

Ich brauche nicht lange auf die zweite Lücke warten. Nur knapp 3 Minuten Fahrt nach dem Foto und ich stehe vor ihr. Die vorangegangenen Fotos haben nicht nur von den Dimensionen her getäuscht. Auch vom Licht. Dank relativ langer Belichtungszeit und hoher Sensorempfindlichkeit. Jetzt ist es ratzedunkel! Somit bin ich allein auf den Schein meiner Lampen angewiesen, um festzustellen, wie tief es nun sein mag und wie ich da herunter und wieder herauf kommen soll. Es ist fast noch schwieriger als bei der ersten Lücke.

Aber – bald ist auch das geschafft! Puh. Jetzt kann ich wenigstens dieses Thema abhaken. Und mich wieder dem Üblichen widmen. D.h. der zunehmend kaputteren, gerölligen und steileren Piste sowie deren Höhenprofil. Das zeigt zwei Spitzen. Wenn ich doch wenigstens schon mal bei der ersten wäre. Aber dahin ist es noch ein gutes Stück!

Es folgen jetzt auch häufiger Abschnitte, wo zwar nicht die ganze, aber immerhin die Hälfte der Straße komplett abgängig war. Im Schein meiner Lampen kann ich nur erahnen, wie tief es da wohl jeweils hinunter gehen würde. So sah das später auch in der Abfahrt aus. Aber es war noch ein gutes Stück bis dahin.

Immer wieder fehlen gute Teile der „Straße“

Der Anstieg schien sich unendlich im Dunklen zu ziehen. Aber ich wollte nicht nachgeben. Es war technisch, doch ich konnte alles fahren. Wann kommt denn endlich mal ein flacheres Stück, wann bin ich endlich wenigstens beim ersten Gipfel!? Trotzig nahm ich mir vor „Nein – ich werde nicht anhalten! Ich werde nicht absteigen und schieben – nicht, bevor ich am Gipfel bin!“.

In Zahlen ausgedrückt, waren das auch im letzten zusammenhängenden Stück „nur“ 145 Watt im Schnitt. Aber das halt am Ende des sechsten Tages kreuz und quer durch den Atlas und Anti-Atlas. Und im Schnitt bei einer 64er Kadenz, was sowohl der Erschöpfung wie auch der Rauheit des Untergrund geschuldet war. Immer wieder galt es, mit hohem Drehmoment oder auch mit Anlupfen lose Strecken zu queren, Stufen zu nehmen oder um besonders grobe Geröllstücke herumzuzirkeln. Dabei kam es immer wieder zu „Spitzen“ von 220 oder gar 256 Watt. Ausgeruht wäre das noch unterhalb meiner FTP. Aber nach 6 Tagen im Rennen kann davon keine Rede sein. Zuvor war ich gar mal bei 305, dann 329 Watt. Und das ist immer noch nicht das komplette Bild. Abseits der bloßen Watt war der ganze Körper in Aktion und Spannung, musste teils balanciert, teils hefigt und kurz an den Pedalen nicht nur gedrückt, sondern auch gezogen werden. Aber ich wollte nicht nachlassen!

Endlich bin ich oben und habe irgendwann auch den zweiten Gipfel hinter mir gelassen. Ein Stück weiter in der Abfahrt muss ich mir Luft machen. Ich twittere: „Herrgott noch eins, was für ein Scheiss-Pass! Ganz fein, Herr Trees, ganz fein! 🤬 Endlich in der Abfahrt.“

„Herrgott noch eins, was für ein Scheiss-Pass! Ganz fein, Herr Trees, ganz fein! 🤬 Endlich in der Abfahrt.“

Die Zeit hinauf und dann auch hinab der Old Colonial Road war daher nicht von schlechten Eltern, aber schon in der Abfahrt merke ich auch, dass ich mein linker Fuß und der Bereich im vorderen Schienbein zu schmerzen begann. Und zwar nicht das übliche, was man vielleicht so erwarten könnte, sondern ein ganz seltsames Ziehen bzw. Reiben, dass mich direkt an meine erst zwei Jahre zurück liegende Ruptur der Großzehensehne zurückdenken ließ. Damals war das direkt zu Neujahr beim Skilanglauf passiert, als ich unglücklich ausgerutscht und hängen geblieben bin. Mit der Folge eines späteren OP-Aufenthalts und längerer Rekonvaleszenz, die mich erst zu Ostern desselben Jahres wieder draußen auf dem Rad sitzen liess.

Oh Mann! Hoffentlich habe ich es jetzt nicht übertrieben! Zwar hatte ich vor zwei Jahren dann gute Fortschritte gemacht und konnte zuerst das Three Peaks Bike Race und dann sogar das Transcontinental Race im selben Jahr fahren. Letztlich ohne Beschwerden. Trotzdem war es wohl überhaupt nicht selbstverständlich, wieder so in Form zu kommen. Wie die Chirurgen halt so sind: „Ja, so gut wie neu ist dass dann natürlich nicht mehr…“ Deswegen war ich super glücklich, wie glatt es letzlich verlaufen war. Hier im Bericht zum TPBR von Wien nach Nizza könnt ihr direkt am Anfang näheres dazu nachlesen: Das Three Peaks Bike Race von Wien nach Nizza – mein Erfahrungsbericht von der Erstausgabe im Juni 2018 …und der Weg vom Sehnenriss bis zum Transcontinental Race 2018!

Das war zum Zeitpunkt des Atlas Mountain Race nun also fast volle zwei Jahre her.
Aber das AMR war auch eine ganz andere Hausnummer! Die Belastungen beim Mountainbiken über rauhes Terrain sind halt nochmal eine ganz andere Stufe als selbst das übelste „Würgen“ in niedriger Kadenz über einen asphaltierten Gebirgspass. Dazu kommt das ausgiebige Hike-a-Bike. Rauf wie auch runter. Ich schrieb ja schon im ersten Teil meines Renntagebuches, wie übel mir das von den Knöcheln, der Fußbeuge und dem Fersenbereich bekommen ist. Bereits das 4. Kapitel im Teil 1 titelte ich ja: „Try walking in my shoes“. Und wie froh ich war, dass ich meine Lizard Kross Ibrido Trailsandalen dabei hatte, die ich extra für dieses Rennen gekauft hatte. Zwar eigentlich vorrangig für Fluss-Furten und ansonsten als Ersatz für meine KungFu-Slipper, die ich für An- und Abreise bei Rennen wie dem TPBR oder dem TCR gerne mitnehme. Wie unbezahlbar diese Trailsandalen für mich im ganzen AMR sein würden hätte ich mir im Vorfeld nie denken können!

War jetzt der Anstieg hoch über die Old Colonial Road nicht der Tropfen, sondern der 10 Liter Eimer, der das Faß zum Überlaufen gebracht hatte? Mehr als sorgenvoll entschied ich mich, lieber früher als später Pause für die Nachtruhe zu machen. Gut – dass hatte ich eh vor. Denn was sollte ich schließlich mitten in der Nacht im nächsten Ort? Dann lieber hier schön biwakieren und die ganze Sache so timen, dass ich quasi zum Frühstück in Issafen ankommen würde. Und vielleicht sieht die Sache nach ein paar Stunden Schlaf und Erholung ja besser aus?

Gedacht, getan. Nachdem ich fast die ganze Abfahrt von den Gipfeln der Old Colonial Road hinter mir gebracht hatte, finde ich ein schönes Plätzchen für mein Nachtbiwak und ruhe dort knapp 6 Stunden. Gar nicht mal die längste Zeit bisher. Dafür war aber die Aktivitätszeit seit dem morgendlichen Start die längste des ganzen Rennens für mich. Seit 17 Stunden und 46 Minuten war ich auf den Beinen.

Kapitel 13: Stint Nr. 7 – Genialer Canyon, Wind auf hohen Ebenen und Sahara Sand in der Luft

Exkurs: Mein Schlaf-Setup

Ich hatte eine gute Nachtruhe. Ich war mit meinem ausgewählten Schlafsetup für das ganze AMR sehr zufrieden und finde, es hat sich bewährt. War nicht zuviel und nicht zuwenig. Einzig mit der Atmungsaktivität meines Ultraleicht-Schlafsacks, des Sea to Summit Spark I, war und bin ich unglücklich. Dieser ist zwar sehr schön leicht – nur gerade mal 348 gr – und super kompakt komprimierbar, was mir sehr wichtig ist. Aber beim verwendeten Oberflächenmaterial scheint mir Sea to Summit zu sehr in Richtung Winddichtigkeit und Widerstand gegen Daunenpenetration trotz Ultraleichtgewicht gegangen zu sein. Jedenfalls fand ich mich in diesem Schlafsack relativ schnell schwitzig, selbst bei der Verwendung in kühlen Innenräumen ohne jegliches Drumherum wie einen Biwacksack etc. (bevor also ein Leser diesen dafür verantwortlich machen möchte). Dagegen bietet mein Mountain Equipment Helium eine viel bessere Körper-„Atmosphäre“. Das ist aber mein einziger Kritikpunkt und trotzdem werde ich wohl den Sea to Summit Spark I allein aufgrund seines Packmaßes doch wieder mitnehmen. Es ist auch bewusst nur der Spark I, der ein Sommerschlafsack mit einem Komfortbereich nur bis hinunter zu 8 °Celsius ist. Diese 8 Grad werden aber in Atlas-Nächten locker unterschritten. Um also genügend Wärme zu haben, setze ich auf die Kombination mit meiner leichten „Daunen“-Jacke, der Patagonia Micro-Puff Jacket und der Patagonia Men’s Nano-Air Pants. Beide sind nicht mit Daunen, sondern mit Kunstfaser-Material gefüllt, welches auch bei Nässe funktioniert und sind zudem stark wind und wasserabweisend sowie DWR-imprägniert. Die Hose ist zudem noch leicht dehnfähig, so dass ich mit ihr zur Not in ganz kalten Bedingungen radfahren bzw. auf jeden Fall gehen könnte.

Im Gegensatz zu einem dickeren Schlafsack, der letzten Endes auf das gleiche Systemgewicht wie ein leichter Schlafsack plus die Hose (und ggfs. auch die Jacke) kommen würde, bin ich so bei vergleichbarem Packmaß und Gewicht viel vielseitiger gerüstet.

Als Schlafunterlage nutze ich die SeatoSummit Ultralight Insulated Air. Anders als mit dem Schlafsack bin ich mit dieser super zufrieden. Ich nutze die normale Extralight schon seit Jahren für meine Bikepacking-Rennen. Die allerdings immer im Sommer statt finden. Für das Atlas-Gebirge brauchte ich eine Matte mit einem höheren R-Wert von 3,1 bei immer noch sehr kompakten Packmaß und leichtem Gewicht.

Mit allem zusammen liege ich im Outdoor Research Interstellar Ascentshell Bivy. Das hatte ich nach langer Recherche entdeckt (siehe ganz unten im Artikel Zelt, Tarp oder Bivy – Shelter für das Atlas Mountain Race) und es tickt wirklich alle Checkboxen, die ich für den Einsatz im Atlas-Gebirge hatte. Vorrangig: es ist ein wirkliches 4-Jahreszeiten-Bivy, mit dem man auch im Schnee und vollkommen ohne weiteren Unterstand übernachten kann. Es ist tatsächlich ausreichend atmungsaktiv und es ist auch bei kompakten Packmaß innen sehr geräumig. Einziger Nachteil – es hat wirklich sehr viele Reiss-Verschluss-Zipper! Außenhülle und Moskitonetz benötigen zwei umlaufende Reissverschlüsse. Soweit, so normal. Da man aber mit diesem Bivy auch aufsitzen und mit den Armen herausstreckend im Camp hantieren können soll, gibt’s auf jeder Seite je zwei Zipper pro Reisverschluss – in der Summe acht Stück! Aber das nehme ich gerne in Kauf – davon ab hat sich das Interstellar Bivy sehr bewährt.

Das meiste davon seht ihr da also in den Fotos, die ich an diesem wiedermal tollen Morgen aufgenommen habe (minus der Jacke und der Hose, die ich da wohl noch an habe).

Auf zum Frühstück

Wie es meinem linken Fuß geht, weiss ich für diesen Morgen gar nicht mehr – ich komme gleich wieder darauf zu sprechen. Jetzt wird erst einmal zusammengepackt und dann lautet das nächste Ziel: Frühstück in Issafen.

Es sind nur etwas über 2 km bergab über die Offroad-Piste, bis ich auf eine asphaltierte Hauptstraße stoße. Darauf dann nochmal 5 km weiter leicht abfallend und schon bin ich in Issafn. Im Race-Manual ist dort ein Resupply Point als „small shop“ vermerkt. Genau den steuere ich an. Wäre aber gar nicht so darauf angewiesen, denn Issafn und die Hauptstraße ab diesem Punkt ist sehr geschäftig und es finden sich durchaus weitere Läden und Cafés in der Folge. Ich bin mit meinem Fund aber sehr zufrieden. Hier kann ich an Wasser und Proviant aufstocken und mir ein schönes Frühstück gönnen. Omelett, was sonst!? ;-) Aber in einer sehr luxuriösen Variante mit vier Eiern, lecker Paprika, Brot natürlich und Kaffee!

So gestärkt und versorgt geht es weiter entlang der R109 Straße auf exzellentem Asphalt und immer stetig leicht bergab.

Das erste, was mir bei diesem Schild in den Sinn kommt: „Die Karawane zieht weiter, der Sultan het Durscht…“

Straßenschild in Marokko, Warnung vor Esel, Ziege und Kamel
„Die Karawane zieht weiter, der Sultan het Durscht…“

Noch ein kurzes Stück, und vor der nächsten Ansammlung von Häusern geht es dann rechts ab von der R109, immer noch auf Asphalt, immer noch super neu, aber von einer rauheren Oberfläche. Und leicht berg an. Immerhin warnt das Straßenschild vor uns Radfahrern… ;-)

Hier wie auch an ein paar anderen Stellen merke ich, dass Marokko natürlich seinen Straßenbau vorantreibt. Wo ich laut Race Manual bzw. eher auch auf Basis der zur Verfügung gestellten Race-Files in Komoot oder in RidewithGPS schon Offroad zu finden sein sollte, da war im Rennen dann doch noch oder schon feiner neuer Asphalt zu finden. Während ich genau an dieser Stelle kurz Pause mache und aufgrund meines linken Fußes, der sich doch deutlich bemerkbar macht, jetzt, wo es langsam bergauf geht, hoffe, dass ich noch etwas weiter vom Asphalt profitieren kann, schaue ich mir mein Rad an und nehme mir mal wieder die Zeit, seinen Zustand zu dokumentieren. Alles ist von einer feinen, ockerfarbenen Staubschicht überzogen. Der gesamte Antriebsstrang pfurztrocken. Alles funktioniert zwar super, aber mir machen besonders die Klickpedale Sorgen. Der Ausstieg wird zunehmend schwerer. Ich kann und will gar nicht soviel schmieren, dass die immer geschmeidig funktionieren. Ab und an muss es halt ein Spülstoß aus der Wasserflasche tun, um wieder gut einklicken zu können. So auch hier und jetzt. Normalerweise wäre das auch nicht so das Problem. Geht das ausklicken halt etwas schwerer, na und? Aber gerade dieses Ausklicken fällt mir mit dem linken Fuß zunehmend schwerer und ich fühle, wie es der Sehne ganz und gar nicht gut tut sondern zur zunehmenden Verschlimmerung der Lage beiträgt.

Und nicht nur das Ausklicken. Auch das bewusste Ziehen mit dem linken Fuß und gar das unbewusste nach oben anwinkeln im Verlaufe einer runden Kurbelumdrehung tut weh und scheint die Situation zu verschlimmern. Gar nicht gut, ganz und gar nicht! Ich weiss ganz genau, dass dies kein üblicher Schmerz ist, den „man halt mal hat“. Wie z.B. an der Achilles-Sehne oder auch schon mal am Knie. Die sich dann auch wieder von ganz allein geben. Oder nachdem man z.B. etwas angepasst hat (etwa die Sitzhöhe – wobei, dafür sollte es keine Notwendigkeit geben, wenn ihr im Vorfeld wirklich ein gutes Bikefitting besitzt, welches auch über Bikepacking-Distanzen und mit Gepäck bewährt und geprüft ist). Nein, dieses Schmerzgefühl geht direkt auf meine operierte Großzehen-Sehne zurück, da bin ich mir ganz sicher.

Muss ich etwa deswegen aufgeben? Gemäß der Rennstrecken-Aufteilung von Nelson sind es doch nur noch zwei Etappen! Die heutige, von Issafn nach Tafraoute, veranschlagt mit 154 km und dann eine weitere von Tafraoute zum Ziel nach Sidi Rabat mit 155 km. Das aber über Stock und Stein. Und mit meinem gegenwärtigen Zustand im linken Fuß bin ich mehr als gehandicapped! Ich will es weiter versuchen!

Wie gut, dass ich nicht nur meine Trail-Sandalen habe, sondern mich in dem Zusammenhang auch bewusst für Pedale entschieden habe, die auf der einen Seite Klick-Mechanismus und auf der anderen Seite eine Plattform für normale Schuhe bieten! Dafür habe ich die Shimano PD-EH500 Explorer SPD-Pedale ausgewählt. Diese sind nicht nur funktional, sondern dafür extrem leicht. Nur 383 g wiegt das Paar und ist damit selbst für normale Pedale in einem guten Bereich, für wechselseitige Klick- und Plattform-Funktionalität sogar hervorragend.

Ich fahre ab hier nun mindestens mit dem linken Bein auf der Plattformseite, d.h. nicht eingeklickt. Und werde im späteren Verlauf auch immer öfter komplett in meine Trailsandalen wechseln, weil die beim Gehen absolut problemlos für die Fußgelenke sind, meine Radschuhe aber den linken Fuß im Knöchelbereich und wesentlicher, auch seitlich vorne zu sehr reizen, wenn ich mit diesen über Stock und Stein muss. Ich halte dann bewusst die Wade angespannt, um den linken Fuß ja nicht einknicken zu lassen. Absolut nicht ideal für die Fortschrittsgeschwindigkeit in Hike-a-Bike-Passagen. Genausowenig für die Ausgleichsbelastung in anderen Körperteilen, wie z.B. der Wade.

Das ist der Stand der Lage. Während dessen das Race Manual dazu zu sagen hat:

„Issafen to Ait Mansour
Probably one of the toughest sections of the race. The rocky track that follows the riverbed will likely have you cursing us, with reason. It will be a frustratingly slow section of the route. If there had been another viable option, we would have put it in the race!“

Race-Manual

Tolle Wurst. Ablenkung bieten wieder einmal die tollen Felsformationen und Sedimentschichten, die hier besonders interessant geformt und gefaltet sind. Zwar hört jetzt der Asphalt auf, aber er wechselt zu einem frischen, gut gewalztem Planum. Hier wird wohl bald auch Aspahlt vorzufinden sein.

Zumindest wohl bis zur nächsten Siedlung, die bald in Blick kommt. Grüne Palmen wachsen dicht an dicht zu beiden Seiten eines kleinen Flusses in der Schlucht und auf der anderen Seite wachsen die sand- und ockerfarbenen Häuser von Tizaghte (oder Tazegzaout?) den Hang hinauf. Diverse Karten sind sich bei Ortsnamen manchmal uneins, wenn überhaupt einer in lateinscher Schrift angegeben wird. Beeindruckend!

Schluchtoase
In der Schlucht von Tizaghte

Doch schon kurz hinter dieser Siedlung fällt die Straße, bzw. das gewaltzte Schotterplanum nach unten ab und mündet direkt auf der Sohle der Schlucht. So, wie sich das darstellt, geht die Piste ab hier jetzt mehr oder weniger auf der trockenen Flusssohle weiter. Höchst interessant! Was machen die, wenn es doch mal regnet und der Fluss Wasser führt? Dann kommt man wohl nur über von hier aus nicht erkennbare Pfade entlang der Felswände weiter zum nächsten Ort. Den ich auch alsbald erreiche und dessen Häuser auch mehr oder weniger direkt im oder neben dem Flussbett stehen.

In den Fotos seht ihr, dass der grobe Flussschotter wenigstens etwas durch Fahrspuren kompaktiert ist. Das war aber nicht überall so und das Fahren war zwar besser möglich, als bei so manch anderer Flussbettquerung, aber wahrlich kein Zuckerschlecken. Acht oder zehn Schleifen der mäandrierenden Schlucht später beginnt der Aufstieg aus der Schlucht, der mich von rund 1400 m auf rund 1800 m Höhe bringen wird.

Dort begrüßt mich dieser tolle, in voller Blüte stehende Baum. Nur der Baum steht da neben der Piste. Sonst ist weit und breit nur rotbrauner Fels zu sehen. Und die sich im Gegenlicht kaum vom Hintergrund hervorhebenden allfälligen kleinen Buschinseln. Surreal.

Kurvige Wüstenpiste mit einsamen Baum
Einsamer Blütenbaum

Ebenso faszinierend, wie anders sich die Farben und die Situation im Frontlicht darstellt. Natürlich muss ich mein treues Rad, meine Desert-Rose, vor diesem Baum in Szene setzen.

Mountainbike unter einsamen Baum in roter Wüste
Meine Desert-Rose, mein Rose Thrill Hill unter einem einsamen Blütenbaum.

Kurz darauf erreiche ich die nächste richtige Straße. Sagt zumindest Komoot und es hat da nicht unrecht. Was im Vorfeld bei meiner Planung immer die Frage war: Straße ist die Kategorisierung (dazu gibt’s noch Singletrail, Weg, Straße, Bundesstraße). Aber was bedeutet es vom Untergrund her? Das ist die zweite Kategorisierung, die typischerweise durch Online-Dienste wie Komoot oder RideWithGPS, basierend auf OpenStreetMap-Informationen, bereitgestellt wird. Hier für diesen Abschnitt lautet sie „Straßenbelag“. Das kann mithin alles sein, was nicht unter „Loser Untergrund“ fällt, aber auch nicht wirklich „Asphalt“ ist – der ja auch ganz unterschiedliche Qualitäten aufweisen kann. Teilweise so schlecht, dass ein guter Abschnitt mit „Straßenbelag“ deutlich angenehmer und schneller zu befahren ist. Nun – was hier vorliegt, kann ich gar nicht so genau deuten. Mit dem Grader (einem Baufahrzeug) geschliffener Fels? Uralter Asphalt, längst ohne Verschleisschicht und in der selben Farbe des Untergrundes? Mineralisch gebundene und gewaltzte Schotterpiste? Es ist jedenfalls relativ rauh, aber auch fest und gut befahrbar.

S-Kurve auf Hochebene

Und weil es nun gut fahrbar und fest ist, wage ich es, wieder aus meinen Trailsandalen in die Lake-Mountainbike-Schuhe zu wechseln.

Zwei Paar Schuhe
Lake MTB-Schuhe und Lizard Kross Ibrido Trail-Sandalen

Was man in den Fotos allerdings nicht sieht, aber durch das Gelände erahnen kann, ist der jetzt heftige Gegenwind, der durch nichts abgebremst über das 1800 m hohe und karge Hochplateau fegt. Schon den dritten Tag in Folge hat er an Stärke zugenommen und ist hier oben echt übel. Er bläst auch jede Menge Staub und Wüstensand in die Luft, was zu einer ganz besonderen Atmosphäre beiträgt und bereits nahe Hügelketten recht schnell im Staubdunst verschwinden lässt:

Nach ungefähr 15 km im Wechselbad der Gefühle zwischen „endlich wieder vernünftiger Untergrund“ und „komme in dem Wind kaum voran und kann mit dem Fuß auch nicht Druck machen“ später beginnt die lange Abfahrt von diesem Hochplateau.

Am Begin einer langen Abfahrt.

Ganz am Ende dieser langen Abfahrt wird das Oasental von Ait Mansour liegen. Und in ihm – allerdings weit am anderen Ende, der CP 3, die Auberge Ait Mansour.

Das zuvor gezeigte Foto ist von 18:21 Uhr. Der Kontrollschluss des CP 3 wäre in 51 Minuten. Heute, um 19:00 Uhr. Nicht, dass es für mich rennentscheidend gewesen wäre, da ich technisch ja schon am CP2 um wenige Minuten den Kontrollschluss verpasst hatte. Nichtsdestotrotz hatte ich mir vorgenommen, mich wieder in den Zeitplan und somit auch vor die Kontrollschlüsse hineinzufahren. Ich denke auch, dass mir das locker gelungen wäre, hätte ich nicht in der vergangenen Nacht dieses Problem an meiner operierten Sehne entwickelt. Mein Fortschritt heute war dadurch extrem verlangsamt.

Und auch hier und jetzt könnte ich auch im bestem körperlichen Zustand nicht hoffen, in 40 Minuten am Kontrollpunkt zu sein. Wie gut wird die Piste sein? Es geht ein gutes Stück abwärts, soweit so gut. Von den rund 1800 m des Hochplateau heraub auf nur gut 1100 m. Erstmal. Aber dann geht es, langsam zwar, aber auch wieder das Oasental entlang nach oben. Wie weit? Und welche auf dem Computerdisplay kaum erkennbaren Gegenanstiege werden mich auf der Abfahrt ausbremsen? Und auch, wenn bald Asphalt kommen soll – wie schnell werde ich sein?

Mein Roadbook, dass ich immer Zugriffsbereit auf meinem iPhone zentral im Cockpit im Zugriff habe, gibt mir die wesentlichen Details:

  • 104 km: Begin Abfahrt, Gravel. (Da bin ich an diesem Punkt schon ein Stück weiter.)
  • 121 km: kurzer Gegenanstieg, Asphalt
  • 130 km: Afella Ighr, Asphalt, Begin Anstieg (sanft) jetzt folgt sehenswerte Schlucht (Les Gorges d’Aït Mansour)
  • 131 km: Ait Abdelkader, Asphalt
  • 132 km: Aguerd Imlalen, Straßenbelag
  • 134 km: Gdourt, Chez Rachid auberge (Tel: 212 671-126650)
  • 139 km: Restaurand Alimentation General Massoud (7T 10-19:00)
  • 141 km: CP 3 Auberge Ait Mansour, Asphalt

Uff, also doch noch fast volle 40 km! Aber wenigstens der Anfang des Oasentals Ait Mansour ist dann schon in vielleicht 23 bis 25 km. Das will ich wenigstens noch im Tageslicht schaffen. Wo ich doch schon das Oasental des CP2 nur im Dunklen „gesehen“ habe.

Aber natürlich – es zieht sich. Und mit der sehr bald tief stehenden Sonne und dem vielen Wüstenstaub in der Luft ergeben sich kurze Zeit später faszinierende „Aerials“ der noch vor mir liegenden Bergrücken:

Staubverhangener Sonnenuntergang

Ich nehme lieber diese Stimmung in mich auf als mich abzuhetzen – was ich aufgrund des Fußes eh nicht kann – und dann doch erst im Dunklen in Ait Mansour anzukommen. Was ich dann wenig später erreiche. Und, wie es immer so ist – was sich auf dem Höhenprofil relativ sanft ansteigend zeigt, hat in Realität zahlreiche kurze giftige Abschnitte. Trotzdem verläuft die weitere Fahrt relativ locker. In völliger Dunkelheit erhellt ab und an mal eine Straßenlaterne die Szenerie und stimmungsvoll höre ich die Rufe zum Abendgebet durch die Schlucht oder das Tal hallen.

Endlich finde ich um 20:41 Uhr den Eingang zum CP 3. Der „Auberge Ait Manour“. Aber alles ist totenstill, kein Licht weit und breit. Dass ich hier richtig bin, zeigt ein kleines Papierschild „Check in this way. AMR“. Das ist alles. Ich werde später erfahren, dass Nelson mit diesem CP ohnehin nicht sehr zufrieden war. Noch weniger wohl, als es die Beschreibung im Race Manual erahnen lassen konnte:

„The Auberge that will be used as the location for the checkpoint is a little more rustic than for the other checkpoints…“ Schon vor mir soll dieser Checkpunkt durch andere Teilnehmer in der Tat „rustikal“, sogar für marrokanische Standards bezeichnet worden sein. Jetzt ist hier, bloße 2 Stunden nach Kontrollschluss, wirklich niemand mehr.

CP3 Selfie

D.h. weder bekomme ich hier etwas zu essen – nicht schlimm, ich bin noch knapp versorgt – noch bietet sich dieser Ort für eine Übernachtung an. Ich fahre deswegen direkt weiter. Möchte noch wenigstens ein Stück aus dem Tal hinauskommen und bis zum Schlafen wenigstens ein klein wenig näher an den nächsten Ort heranfahren, der 11 km nach dem CP sein soll und der auch eine Resupply-Option bietet, sagt das Race-Manual.

Ich bin aber auch echt geschafft und der Fuß machte mir schon den ganzen Tag Schwierigkeiten. Dennoch – trotz dessen bin ich bis zum CP 3 gekommen! Es ist aber noch ein gutes Stück bis nach Tafraoute, dem eigentlichen Ende der von Nelson aufgeteilten Tages-Etappen. Gute 50 km noch.

Immerhin hat die Sehne bis hier hin gehalten. Etwas, was ich heute morgen noch nicht wissen, sondern nur hoffen konnte. Aber es ist auch nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil! Das einzige, was jetzt helfen kann, ist eine gute Nachtruhe. Deswegen stoppe ich auch sobald ich im Schein meiner Lampe eine passende Stelle neben der Straße finde. Da ist es zwar gerade erst 21:17 Uhr, aber sei es drum.

Es ist eine weite Kurve mit Platz neben dem Asphalt. Nicht so super windgeschützt, wie ich es erhofft hatte, aber besser als nichts. Und – es gibt eine Leitplanke. Das finde ich deswegen gut, weil ich mich so hinter diese legen kann. Nicht, weil sie irgendeine Art von Windschutz böte. Aber – weiss ich, wer hier dann dochmal nachts vorbei kommt? Ggfs. mit einem Lastwagen und die Kurve zu weit nimmt? Auch in Marokko will ich nicht direkt neben einer Asphaltstraße liegen und im Dunklen überfahren werden. Die Leitplanke bietet auch eine gute Anlehnmöglichkeit für mein Rad.

Nachdem ich fix mein Bivy ausgebreitet habe, Schlafmatte aufgeblasen und Schlafsack hineingelegt habe, bin ich aber nach kurzem Testliegen unzufrieden mit dem Wind. So bekomme ich keine geruhsame Nachtruhe hin. Nun ist mein Bivy durchaus robust, dann noch der Schlafsack und die Puffy-Jacket. Trotzdem ist es immer noch sehr ungemütlich. So stark fegt auch hier der Wind noch durch die Schlucht!

Tja, was soll ich sagen. Ich betreibe daraufhin etwas „Nestbau“. Das ist natürlich das komplette Gegenteil von einem Powernap oder auch einer nur kurzen Schlafpause von dann doch vielleicht zwei bis drei Stunden, wie es für einen Teilnehmer mit Podiumsambitionen angeraten ist. Aber davon bin ich jetzt sowieso meilenweit (und auch ansonsten immer noch deutlich) entfernt. Also suche ich mir lieber über ein paar Minuten ein paar im Überfluss herumliegenden Steine zusammen als die doppelte und dreifache Zeit erfolglos zu Versuchen, einzuschlafen und doch keine Erholung zu finden.

Das Resultat meines kleinen „Burgenbaus“ könnt ihr im folgenden Bild bewundern. Ich war sehr zufrieden und konnte mich in dieser Nacht sehr gut erholen. Volle 8 Stunden habe ich geschlafen und das war auch notwendig! Letzten Endes hatte ich über diesen Tag hinweg nur eine Aufzeichnungszeit von 12,5 h seit dem Start vor Issafn und in Bewegung waren es 8 h und 45 Minuten. All das mündete in gerade mal 105 Kilometer Distanz.

„Burgen-Bau“

Kapitel 14: Klettern und noch mehr klettern und richtig steil klettern.

Volle 8 Stunden Schlaf waren heilsam. Deswegen ist die Sonne auch schon kurz vor dem Aufgang, als ich den Biwacksack öffne und herausblicke.

Hallo Tag Nr. 8 des Rennens! Heute ist Samstag, der 22. Februar. Eine volle Woche ist seit dem Start vergangen. Heute um Mitternacht wird der offizielle Kontrollschluss des Rennens sein und um 19:00 soll die Finisher Party starten. Aber das wird sie ohne mich, denn ich muss froh sein, dass ich das Rennen überhaupt korrekt finishen kann. Wie das bei Bikepacking-Rennen und gerade bei solcherart nochmal überdurchschnittlich herausfordernden Strecken üblich ist, haben viele Teilnehmer schon viel früher das Handtuch geworfen; haben aus den unterschiedlichsten Gründen „gescratched“, so nennt man dies. Also dem Rennorganisator mitgeteilt, dass sie das Rennen abbrechen. Weil man komplett erschöpft ist, weil man festgestellt hat, dass man sich übernommen hat, weil irgendein Teil des Körpers zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde, weil das Rad irreparablen Schaden davon getragen hat oder manchmal leider auch aus Sturz- oder Unfallfolgen heraus.

Die Landkarte der anderen „Dots“, der anderen noch aktiven Teilnehmer um mich herum hat daher schon seit ein paar Tagen abgenommen. Ich weiss beim Schreiben heute gar nicht mehr, wie viele tatsächlich noch aktive Fahrer hinter mir oder auch wenig vor mir sind. Viele können es nicht gewesen sein, denn am Ende – so viel sei vorweggenommen – werde ich der letzte Teilnehmer sein, der ins Ziel kommt. Zwar nach dem offiziellen Kontrollschluss, aber unter Bewältigung von 100 % der Strecke aus eigener Kraft.

Es wird 09:20 Uhr, bis ich alles zusammengepackt habe und abfahrbereit auf „Start“ auf meinem Wahoo drücke. Bis ins Ziel sind es jetzt „nur“ noch 207 km. Auf der Straße und selbst bei einem so herausfordernden Rennen wie einem Transcontinental „ein Klacks“ und, wenn nicht gerade 2 bis 3 Alpenpässe zwischen Start und Tagesziel liegen, dann wäre es ein leichtes, bis Mitternacht anzukommen.

Aber ich bin halt nicht auf der Straße und in Europa, sondern immer noch im Anti-Atlas unterwegs. Diverse Hike-a-Bikes und Charakterprüfungen wird es noch zu bewältigen geben, davon ist mal auszugehen. Und mir macht mein Fuß immer noch sorgen. Aber es scheint ein bisschen besser zu gehen. Die lange Schlafpause hat auf jeden Fall geholfen. Es ist längst nicht gut – nicht mal ok. Und ich muss weiterhin extrem vorsichtig vor allem über rauen Untergrund bleiben und damit ist die Fortschrittsgeschwindigkeit nochmal mehr begrenzt, als sie ob des Terrains ohnehin schon wäre. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich nun doch aus eigener Kraft das Rennen beenden kann und nicht aufgeben muss.

Mit diesen Gedanken und der Aussicht auf endlich Verpflegungsnachschub fahre ich zum nächsten Ort. Nach knapp 10 km leicht ansteigend, aber auf dem Asphalt einer schmalen Straße, erreiche ich Tassirt.

Tatsächlich ist da ein kleiner Laden. Und es erscheint ein sehr alter Mann, der noch weniger Französisch kann als ich. Aber mit ein paar Brocken Französisch und Gebärden und Mimik verstehen wir uns. Ich glaube, mir war da noch leicht kühl und weil der Laden auf der Schattenseite lag, verziehe ich mich in eine sonnengewärmte und windgeschützte Ecke auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Stelle mein Rad an die Wand und beginne, einen Teil meiner Einkäufe zu verzehren. Noch bevor ich richtig damit angefangen habe, bringt mir der alte Mann einen Plastikstuhl und lädt mich zum Sitzen ein. Gastfreundschaft allerorten!

Mein Thrill Hill, der Stuhl und typische Eisentüren in Marokko

Gerade mal 6 Kilometer weiter, der nächste Ort, der nächste im Race-Manual verzeichnete Laden. Auch hier stoppe ich wieder. Ich glaube, im Ort vorher gab’s nicht so das Richtige oder alles, was ich für die weitere Fahrt an Verpflegung gesucht habe. Hier ist der Laden auch tatsächlich ein bisschen besser bestückt. Wie mir das Foto mit den Hundewelpen selbst in Erinnerung ruft: wahrscheinlich sind die Schoko- bzw. Bisquit-Riegel in der Foodpouch aus diesem Laden und in der Netztasche außen befindet sich auch noch eine Dose Sardinen – ob hier gekauft oder noch von früher an Bord, weiss ich gar nicht.

Hinter dem Ort wechselt der Untergrund zur Offroad-Piste, aber einer in exzellenter Hardpack-Qualität. Der Track führt duch eine sehr aride Hochebene. Weit ab erspähe ich eine Siedlung. Mir kommt es so vor, als sei sie ein Dorf mitten im Nichts.

Dorf im Nichts

Doch kurz darauf stoße ich auf eine asphaltierte Hauptstraße, nur um sie nach einer Spitzkehre und 3 Kilometern wieder verlassen zu müssen. Es wird jetzt wieder etwas rauher, teilweise auch regelrecht Singletrack-mäßig. Aber generell immer leicht bergab. Zum ersten Mal im Rennen sehe ich auch ausgedehnte Kakteenansammlungen beiderseits meines Pfades. Na super, teilweise liegen da die verdorrten und abgefallenen Teilstücke samt ihrer massiven Dornen auch auf dem Weg. Ein weiteres ausgedehntes ähnliches Stück werde ich unweit des Zieles nochmal durchfahren. Gut, dass ich gute und tubeless montierte Reifen aufgezogen habe. Viel später werde ich diese Zuhause abmontieren und dann bei der Inspektion der Innenseite drei fette Kakteendornen finden, die allerdings problemlos versiegelt waren. Im Rennen selbst habe ich davon nichts mitbekommen.

Endlich fahre ich über eine gut ausgebaute Staße nach Tafraoute hinein. Etwas mehr als 50 km nach dem morgendlichen Start – und doch ist es schon viertel vor drei am Nachmittag.

Einfahrt nach Tafraoute

Tafraoute ist neben Taznakht die einzige „Stadt“ bzw. richtig großer Ort, der von der Strecke des Atlas Mountain Race berührt wird. Mir kam Tafraoute auch noch ein Stück größer vor als Taznakht. Hier wären zig Cafés, Läden, eine Boulangerie und gar Hotels verfügbar. Letztere brauche ich natürlich nicht, es ist noch zu früh. Aber ein gut sortierter Laden ist schon sehr willkommen. Ich finde einen, wo man richtig hinein und durch die Gänge spazieren kann. Eine ziemliche Abwechslung zu den üblichen anderen Einkaufsmöglichkeiten im Rennen. Wo Licht ist, ist auch „Schatten“ – an der Kasse muss ich hinter einem kleinen Trupp skandinavischer Jugendlicher warten, die hier anscheinend Urlaub machen. Kurz nach meinem Besuch schließt der Laden auch – seltsam, da ist es gerade mal 15:10 Uhr, als ich das Foto der Eingangstür schieße. Bzw. da, wo ich das Foto mit meinen Rad aufnehme, geht die Tür gerade wieder auf und Spülwasser vom Bodenschrubben wird heraus geschubbert.

Nach dem Einkauf in Tafraoute

Ich bin jedenfalls gut versorgt. Ab hier sind es nun noch 155 km bis ins Ziel. Mal sehen, wie viel ich davon heute noch schaffe. Nach Tafraoute kann ich noch ein wenig Bergab rollen, bis ein längerer und echt fieser Anstieg beginnt. Auf gutem Asphalt zwar, aber mit Steigungsprozenten bis an die 15 Prozent. Hier bin ich auf rund 900 m über dem Meer, aber ohne Fahrtwind und ohne Schatten zeichnet der Wahoo Temperaturen von bis zu 35 Grad Celsius auf.

Ich bin absolut leer – also nicht hungrig, aber doch irgendwie tiefenerschöpft. Jedenfalls krauche ich in dem Anstieg mit gerade mal 5 km/h, teilweise sogar noch drunter, daher. Da bin ich ja fast schiebend schneller. Es hilft auch nicht das super-auskömmlich bestückte Ritzelpaket. Ich fahre eh nur mit 100 bis 140 Watt. Ich will auch nicht schneller pedalieren – also hätte runterschalten gar keinen Sinn. Statt dessen steige ich trotz des guten Asphalts lieber ab und schiebe auch mal kurze Stücke. Ist mir allemal lieber, als Sorge zu haben beim Fahren umzukippen. Die Aussicht ist hingegen ganz interessant und anders, als bisher vom Atlas und Anti-Atlas gewohnt. Teilweise sind regelrechte Terassenfelder entlang der Berghänge angelegt. Wachsen tut hier allerdings zur jetzigen Jahreszeit nichts:

Oben auf dem Kamm angekommen, mache ich auch erst mal eine längere Pause. Von der restlichen Strecke bis zu meinem nächsten Nachtlager habe ich dann nur noch im Ort Tanalt ein Foto gemacht. Die Strecke ging auf und ab, wollte kein Ende nehmen. Gegen Abend kamen auch mal super-steile, glücklicherweise aber nur kurze Rampen als schmale, betonierte Wege dazu. Und kurz vor dem im Race Manual angekündigten „Short hike-a-bike to get onto one final, remote piste“ hatte ich dann die Faxen dick. Keine Energie und keine Erfordernis, mich mit einem immer noch leidenden Fuß durch eine Nacht zu quälen und trotzdem weit nach Mitternacht und nach der Finisherparty anzukommen. Wenn es überhaupt noch die Nacht sein würde und nicht schon der nächste Morgen. Dann lieber weiter den Fuß schonen, bevor es noch schlimmer wird und den Rest der Strecke im Tageslicht zurücklegen. Ich habe ausreichend Zeit bis zu meinem Rückflug eingeplant, dass zwingt mich nicht zu unüberlegten Risiken für die eigene Gesundheit.

81 km vor dem Ziel stoppe ich daher vor dem letzten Stück der Abfahrt in das letzte Tal bevor es über dem nächsten Bergrücken dann endgültig in die Küstenebene vor Agadir gehen würde. Bewusst halte ich noch im Hang an, weil ich einerseits unten im Tal ein paar Lichter sehe und ich lieber allein und ungestört sein will und weil ein Wadi oder einfach nur ein trockenes Flussbett per se absolut nicht als Schlafplatz taugt. Macht so etwas generell nicht! Das musste in der erst kürzlich im Oktober statt gefundenen Zweitaustragung des Rennens (frühere Versuche mussten Covid-bedingt immer wieder verschoben werden) ein Teilnehmer erfahren. Dort haben nämlich Regenfälle in der ersten Nacht die sonst trockenen Flussbette teilweise zu stark strömenden Flüssen anschwellen lassen. Dem Teilnehmer, der sein Nachtlager in einem solchen trockenen Flussbett aufgeschlagen hatte, ist glücklicherweise nichts passiert und er ist mit dem Schrecken davon gekommen. Sein Rad wurde allerdings erst später eine gute Strecke flussab gefunden.

Ich finde eine schöne Kurve in der schmalen, kurvigen Piste hinab ins Wadi und bereite mein Bivy unter kleinwüchsigen Bäumen aus.

Das letzte Biwak im Rennen

Ich wurde aber wohl trotzdem bemerkt. Denn kurze Zeit später kommt ein Mopedfahrer vorbei und textet mich auf arabisch zu. Ob er mich in sein Haus einladen will bzw. nicht verstehen kann, warum sich jemand einfach so in die kaum vorhandene Botanik legt? Jedenfalls versuche ich meinerseits kundzutun „Nein, Danke, alles fein, kein Interesse, will einfach nur schlafen.“ Es hilft auch, jedenfalls zieht er recht bald wieder von dannen.

Heute waren es also immerhin 125 km, die ich geschafft habe. Dabei sind knapp 2300 Höhenmeter zusammen gekommen. Nun gut – morgen dann also den Rest!

Kapitel 15: Zum Atlantik! Und zum Ziel nach Sidi Rabat!

Heute starte ich immerhin schon um 08:37 Uhr. Aufgrund der Jahreszeit ist es aber gerade mal am dämmern. Ein letzter Tag steht an und dann werde ich das Atlas Mountain Race gefinished haben! 81 km zwar nur, aber was wird Nelson da noch für uns in Petto haben? Ein letzter Anstieg, und dann „smooth Sailing“ bis ans Meer? Wohl kaum! Spoiler alert: für diese 81 km werde ich fast 10 Stunden total und 6 h 45 Minuten in Bewegung brauchen!

Zunächst mal geht es das letzte Stückchen hinab in das Flusstal. Interessanterweise weiterhin auf einem Betonplattenpfad. In der Ebene noch vor dem eigentlichen Fluss packt ein weiterer Teilnehmer gerade sein Biwak zusammen. Wow – das ist neben mir glaube ich der einzige noch aktive Teilnehmer, den ich so gerade überhole. Vielleicht sind noch ein oder zwei Teilnehmer vor mir, das weiss ich gar nicht mehr so genau. Ich glaube aber nicht. Denn wer es absehbar letzte Nacht im Verlauf der Finisherparty nicht mehr schaffen konnte, hatte sowieso schon längst aufgegeben. Nicht wenige Teilnehmer waren schon seit ein paar Tagen in einer Art „Party-Train“ abkürzend auf Asphalt gen Sidi Rabat unterwegs. Sie hatten längst gescratched, wollten sich aber die Finisherparty nicht entgehen lassen oder mussten sogar nach Sidi Rabat, weil sie ihre Bikebox oder ihren Radkoffer von der Rennorganisation dorthin haben transportieren lassen.

Donnerwetter, da war ich jetzt auf einmal gar nicht mal letzter noch aktiver Fahrer auf der Strecke! Leider war zu diesem Zeitpunkt auch der Tracker nicht mehr aktiv. Das scheint bei Nelsons Rennen Usus zu sein. Das ist auch beim Silkroad Mountain Race so und es war auch bei der Zweitaustragung des Atlas Mountain Race im vergangenen Oktober 2022 so. Er mietet wohl den Tracking-Service bewusst nur bis zur Sekunde des offiziellen Kontroll-Schlusses an. Das ist recht schade, weil bei vielen Bikepacking-Rennen durchaus noch eine ganze Reihe von Teilnehmern auch nach Kontrollschluss noch unterwegs sind. Und Dotwachter und Angehörige da natürlich gerne ihre Favoriten oder Lieben weiter bis ins Ziel verfolgen möchten. Man muss Nelson aber zu Gute halten, dass er die Kontrollschlüsse normalerweise sehr auskömmlich setzt. So das – sofern nichts wirklich unvorhergesehenes passiert (wie bei mir ein befürchtetes Aufbrechen einer zurückliegenden OP-Geschichte) oder anderweitig gebummelt wird auch jeder fähige Teilnehmer wirklich die Chance hat, bis dahin im Ziel zu sein. Nun gut – ich war es noch nicht und rein technisch sind es ja gerade mal 8,5 Stunden nach Kontrollschluss.

Als ich das mit der Nichtsichtbarkeit per Tracker mitbekomme, aktualisiere ich ein klein wenig häufiger meinen Twitter- und Instagramfeed, damit die Follower, die meinen Dot nun nicht mehr sehen können, trotzdem diverse Updates bekommen.

Der nun anstehende vermeintlich letzte Hike-a-bike Anstieg ist echt nicht von schlechten Eltern. Schon über den Fluss zu kommen, ist zuvor nicht ganz ohne. Hier ist aber echt was los. 8 Begegnungen jeweils zwischen 1 bis 4 Personen zähle ich, die jeweils mit ihren Mulis den Pfad hinab folgen. Wenn in Marokko von Muli- oder Ziegenpfaden gesprochen wird, dann meinen die das auch so. Vermutlich werden die sich alle schwer gewundert haben, was dieser Typ hier mit seinem Fahrrad will…

Endlich oben angekommen mache ich eine kurze Pause für ein zweites Frühstück mit mitgebrachter Verpflegung noch von gestern. Die erste richtige Pause mit Verpflegungsnachschub mache ich dann in einem Café in Ahandour. Endlich mal wieder Omelette! ;-)

Ich weiss gar nicht, das wievielte im Rennen. Aber es ist wunderbar und supernötig. Zusammen mit dem üblichen Brot, einem schönen, süßen Milchkaffee, Cola und Wasser!

Omelette-Stop, der ich-weiss-nicht-wievielte. Aber der letzte.

Hier unterhalte ich mich auch ausführlich mit einer Vierergruppe junger Erwachsener. Über alles Mögliche. Sie wollen viel über Deutschland und Europa wissen. Ich merke, wie sie über künftige Karrieren bzw. einfach nur besseres Leben und Verdienstmöglichkeiten nachdenken. Ich muss und will weiter fahren. 62 Kilometer sind es jetzt noch.

Vielleicht 20 Kilometer weiter komme ich tatsächlich mal an einer kleinen Minibaustelle in einem Ort vorbei, die ich ganz kurz umfahren muss. Ich witzele per Twitter und Instagram: „Moar rocks! Les amis des Paris-Roubaix already branching out to Marrakesh-Agadir…“

Hier wird also neues Pflaster verlegt. Mehr Steine zum drüberfahren… ;-) Ganz schön spitz. Vielleicht wird das aber nur der Unterbau und es kommt noch eine glattere Schicht Schotter darüber.

Ländlicher Straßenbau in Marokko.

Eigentlich könnte es ja jetzt schön flach ausrollend zum Ziel gehen. Auch das Race-Manual verzeichnet hier keine Warnungen oder Bosheiten mehr. Im Gegenteil, da steht nur etwas von „ride down towards the ocean and the finish line“ und dann werden die Annehmlichkeiten der als Ziel auserkorenen Unterkunft „Auberge La Dune“ als „cosy hotel“ und „ideal spot to relax and have a few beers“ aufgezählt.

Die Realität sieht ganz anders aus! Da ist zum einen ein schon im Rennverlauf berüchtigt gewordener letzter Abschnitt als Sandhölle durch die Dünen bis man dann wirklich am Ziel ist. Und auch zuvor geht es teilweise wild zwischen jetzt regelrechten Ackerflächen auf schmalen Wegen hin und her. Die besagten Kakteen haben hier ihren erneuten Auftritt und auch Dornenbüsche gibt es links und rechts des Weges. Endlich komme ich dann zur besagten Sandhölle. In der Tat – glücklicherweise habe ich Tageslicht und kann somit wenigstens halbwegs zu befahrende Stellen in dem von tiefen Sand bedeckten Weg ausfindig machen. Zumindest kann ich es versuchen. So kann ich – beschwerlich zwar – aber immerhin doch oft fahrend, viel von dem Weg hinter mich bringen. In der Nacht wäre das wohl selbst mit bestem Licht von sehr viel weniger Erfolg gekrönt. Unweigerlich wäre man da eher festgesteckt als dass man noch balancierend auf dem Rad würde bleiben können.

Durch die finale Charakterprüfung: Sand!

Doch irgendwann ist auch das geschafft. Nicht ohne verhöhnend auf den letzten zwei Kilometern auf eine Straße mit feinstem Asphalt zu münden!

Aber sei es drum. Es ist geschafft! Ich rolle zur Auberge und stelle direkt mein Fahrrad zu einem Zielfoto an die Außenmauer:

Am Ziel angelangt!

Ich bin am Ziel! In Sidi Rabat, direkt am Atlantischen Ozean, nach 1174 Kilometern von Marrakesch aus über den Atlas und Anti-Atlas, über Stock und Stein und 18123 Höhenmetern. 8 Tage, 9 Stunden und 41 Minuten habe ich gebraucht.

Und ich bin tatsächlich der letzte Fahrer, der offiziell aus eigener Kraft die volle Strecke bewältigend ins Ziel gekommen ist.

Denn – ich staune nicht schlecht: Genau in dem Moment, wo ich mein Zielfoto gemacht habe, hält auch ein Taxi vor der Auberge an. Heraus steigt der Teilnehmer, den ich am heutigen Morgen in seinem Biwak überholt habe. Er konnte oder wollte einfach nicht mehr und hat für das letzte Stück einfach ein Taxi geholt…

Kapitel 16: Familiäre Post-Race-Bubble und Humpeln durch Marrakesch

Es ist halb sieben, als ich vor den Toren der Auberge angekommen bin. Kurz darauf kommt auch schon Nelson heraus und begrüßt mich. Ich bekomme auch meine Brevetkarte von ihm ausgefüllt und sogar mit den verfügbaren Stempeln nachgestempelt. :)

Brevetkarte am Ziel

Zu diesem Zeitpunkt sind noch etwa ein Dutzend Leute zugegen. Nelson und seine Familie eingeschlossen. Die meisten anderen, die zum Ziel nach Sidi Rabat gelangt sind, waren bereits mit einem im Vorfeld organisierten Transport samt ihren Bikes zurück nach Marrakesch gefahren. Wer noch hier ist, hat entweder einen späteren Flug oder möchte auch anderweitig noch ein wenig länger im Land bleiben. Dazu zählt z.B. Magnus mit seiner Freundin Laura, die als Volunteer bei den Checkpoints geholfen hatte oder Raphael (der wenig später im Jahr gemeinsam mit Bengt die Orbit360 Gravelserie aus der Taufe heben wird). Auch Andrea ist noch da. Und noch diverse weitere. Ich mag es sehr. So ist es vergleichsweise familiär und doch noch für den Abend und den Anfang des nächsten Tages eine kleine aber feine Post-Race-Bubble, in der ich mich befinde.

Palme mit Atlantikhintergrund

Dadurch, dass die meisten Teilnehmer schon wieder zurück in Marrakesch sind, sind auch wieder Zimmer in dem aus einer Reihe von verschachtelten Mini-Bungalows bestehenden Hotel frei. Noch gestern muss es hier wohl sehr trubelig und überfüllt zugegangen sein. Jetzt habe ich tatsächlich einen richtigen Raum und ein ordentliches Bett für die Nachtruhe.

Mein Zimmer in der Auberge La Dune

Der folgende Morgen und Vormittag wird mit Frühstück, Gesprächen und Katzenwäsche für das Rad verbracht. Gemeinsam mit einem Teilnehmer aus den USA, Casey aus Crested Butte, organisiere ich mir mithilfe des Hotel-Inhabers und Nelson ein Taxi. Tür zur Tür Sidi Rabat nach Marrakesh, wieder ins Hotel Mogador Kasbah. Einfacher und bequemer geht es nicht. Und es hat nur 1700 Dirham, also umgerechnet 170 Euro gekostet. Geteilt durch zwei macht das 85 Euro. Nicht schlecht und auch nur grob 20 Euro teurer als von Sidi Rabat nur nach Agadir zu fahren (nur Taxi möglich – oder Fahrrad, wer mag…) und dann mit dem Bus nach Marrakesch.

Das Taxi hat dann auch gleich zwei Fahrer (man muss wohl die Fahrt nutzen oder einer wollte eh nach Marrakesch, wer weiss…) und wir halten auch zwischendurch an einem Café für einen herzhaften Imbiss an.

Ich weiss gar nicht mehr, wie lange die Fahrt genau gedauert hat. Irgendwann am späten Nachmittag erreichen wir wieder das Mogador Kasbah. Das Hotel, wo wir jetzt dann vor 9 Tagen gestartet sind. Ich habe kurzerhand zwei Übernachtungen bis zu meinem Rückflug gebucht. Habe daher also jetzt noch zwei Nächte und einen vollen freien Tag für Marrakesch zur Verfügung.

Endlich wieder in einem richtigen Hotel nach ordentlichen Standards. Mit Handtüchern. Und mit Toillettenpapier! ;-)

Und nicht zu vergessen mit einem grandiosen Frühstücksbuffet, dass ich am nächsten Morgen ausgiebig fräse.

Dann will ich wenigstens noch ein paar Sehenswürdigkeiten im Zentrum von Marrakesch besuchen, vorrangig den Djemaa el Fna, den zentralen Marktplatz dort. Einerseits eine berüchtigte Touristenfalle, andererseits ein Must-See. Leider hatte ich ja vor dem Rennen keine Gelegenheit dazu, da ich mich um das Ausfindigmachen und dann in letzter Minute Abholen meines zunächst verschollenen und dann mit separatem Flug nachgelieferten Rades kümmern musste.

Und auch jetzt bin ich gehandicapped. Jede Bewegung des linken Fußes fühlt sich an, als reibt eine rostige Kette schabend dort auf und ab, wo eigentlich die Großzehensehne durch den Fuß und vorne entlang des Schienbeins verläuft. Oh weh… Humpeln geht aber. So lasse ich mich von einem Taxi ins Zentrum fahren und gehe nur langsam und bedächtig durch ein paar Gassen und dann auf den Djemaa el Fna.

Furchtbar laut und trubelig ist es da. Besonders nervig finde ich die Truppen, die als Gaukler auf dem Platz unterwegs sind und Touristen zum Tragen von Hüten und mittanzen etc. motivieren wollen. Das volle Paket besteht dann aus Handy-Fotos und -Filmchen mit dem Handy des Touristen und den tanzenden Protagonisten daneben. Das will aber ordentlich entlohnt werden – und wehe, man zückt dann nicht sofort den Geldbeutel…

Da fand ich die vielen unter Schattenelementen verlaufenden Gassen mit Geschäftsläden und Ständen links und rechts viel interessanter. Auch dort wollen z.b. die Gewürzhändler potenzielle Kunden mit allerlei Geschichten becircen, damit da auch reichlich gekauft wird. Ein paar Kleinigkeiten nehme ich durchaus mit. Etwa etwas Argan-Öl, eines der typisch marrokanischen Produkte. Platz für Größeres habe ich eh nicht in meinem Gepäck und will mich auch nicht damit belasten. Immerhin – am Abend hole ich mir noch im Nahe des Hotels liegenden Carrefour Supermarkt eine kleine Metall-Teekanne und ein 6er Glasset sowie etwas loose verpackten Minztee. Aber halt bewusst aus dem Supermarkt und nicht vom Djemaa el Fna.

Am nächsten Tag startet dann auch schon mein Rückflug. Glücklicherweise am Nachmittag, so dass ich noch gut frühstücken und in Ruhe per Taxi zum Flughafen fahren kann. Was für eine interessante Reise, was für tolle Eindrücke!

Epilog

Ich war so unendlich froh, als ich endlich am Ziel in Sidi Rabat stand. 1174 Kilometer nach dem Start in Marrakesch. Zahllose Aussichten und Erfahrungen später. Mit einem linken Fuß, der am Rande des Aufbrechens einer (nicht so) alten Sehnenruptur stand. Und am Tag nach der Finisher Party. Aber um nichts in der Welt hätte ich diese Finisher Party dafür eintauschen wollen, fähig zu sein, jeden einzelnen Meter des Rennens mit meiner eigenen Kraft zurückzulegen. Vom Start bis ins Ziel. Um die Erstaustragung des Atlas Mountain Race als wahre Lantern Rouge zu beenden. Danke, Nelson und all die Menschen die ich dort getroffen habe, für die wunderbare Erfahrung!

Was keiner von uns damals wusste: Das Atlas Mountain Race war das letzte Bikepacking-Rennen vor der Covid-Pandemie. Kurz nach meinem Rückflug wurden überall Grenzen gesperrt und Flugverbindungen gekappt und es begann die Zeit, die wir alle nur zu gut in Erinnerung haben. An eine Folgeaustragung war somit zunächst nicht zu denken. Naja – ich habe ja schon an anderer Stelle, nicht zu letzt in der Einleitung dieses zweiten Teils meines Atlas Mountain Race Tagebuchs zu diesen besonderen Umständen geschrieben.

An eine erneute Teilnahme hätte ich auch unter normalen Umständen nicht sofort für eine Zweitaustragung gedacht. Zum einen ist es gar nicht so einfach, sich für ein Rennen im Februar im nasskalten Deutschland just über den Winter und Weihnachten adäquat vorzubereiten. Und zum Zweiten war ich noch so beeindruckt von Marokko, dass ich davon ein gutes Stück zehren konnte. Warum sofort versuchen, das noch einmal zu wiederholen? Es gibt ja auch andere tolle Veranstaltungen.

Das schreibe ich jetzt, wenige Wochen vor dem Start der dritten Austragung des Atlas Mountain Race. Durch mein Dotwatcher-Volunteering im letzten Oktober (ich schilderte es ja Eingangs) hatte ich wieder richtige Motivation aufgebaut. So war das gar nicht geplant! ;-) Ich wollte einfach nur mal hinter die Kulissen einer offiziellen Rennorganisation schauen. Nun ja – dadurch hatte ich aber auch den Teilnahmeplatz in der jetzt kommenden Austragung sicher. Was soll ich sagen – ich kann’s kaum erwarten, jetzt zum 3. Februar wieder an der Startlinie stehen zu können!

Meinem linken Fuß ging es übrigens nach der Rückkehr nach Deutschland bald wieder besser. Einige Tage Ruhe und ich konnte mir sicher sein, dass sich alles wieder geben würde. Es wird für solche Rennen „à la Nelson“ eine „Baustelle“ bleiben, davon muss ich leider ausgehen. Ich hoffe aber, nun weitere mehr als zwei Jahre später und mit anderen Radschuhen sowie mehr Vorsicht vom Start weg das Problem kontrollieren zu können oder gar nicht erst auftreten zu lassen.

Jetzt Daumen gedrückt, dass alles klappt und ich gemeinsam mit vielen anderen Teilnehmern Anfang Februar in Marokko, wieder in Marrakesch, am Start stehen werde!

6 Kommentare

  1. Hach, wie lange habe ich auf den zweiten Teil gewartet. Super!!! Das Lampenfieber steigt nun ins Unendliche … bis bald in Marrakesch!!!! Du weißt nun glücklicherweise, was auf uns zukommt, ich fahre irgendwie ins „Blaue“ …

  2. mal wieder Top geschrieben, vielen Dank! da bekommt man so richtig Lust selber sich aufs Rad zu schwingen. (und das mache ich natürlich auch regelmäßig ;-) )Tolle Bilder auch!

    Ich habe eine Frage zu deinem »Roadbook«. Du sagst du notierst dir in einer einfachen Notiz auf dem iPhone die wichtigsten Infos zur Strecke. Genau das würde ich auch gerne machen. – Frage dazu: Wie referenzierst du die KM bei einer mehrtägigen Tour? Muss ja eigentlich von ganz am Anfang – aber was macht man dann am Wahoo wenn man z.B. am dritten Tag eine neue Tour startet? Müsste ja dann die gesamt Tour immer die gleiche Aufzeichnung bleiben, oder? Oder auch wenn man zwischendurch die Strecke etwas abkürzt oder verlängert durch Fahrt von der Route weg für Supermarkt, etc.. Zusätzlich fände ich noch mehr Infos zu deinem Wahoo Setup besonders in Bezug auf Navigation und Vorbereitung von Touren. Habe jetzt seit ein paar Wochen einen Bolt V2 und bin eigentlich auch sehr zufrieden, aber dem Wahoo fehlt einfach eine Funktion für POIs oder selber angelegten »Cue Sheet« Einträgen.

    beste Grüße, Johannes

    1. Hallo Johannes, vielen Dank für deinen Kommentar. Ja – das mit den Kilometern ist tatsächlich so eine Sache. Ich mag es – sowohl aus Sicherheitsgründen wie auch aus Ordnungskriterien heraus – die Aufzeichnung nach einer signifikanten Schlafpause jeweils zu stoppen und danach neu zu beginnen. Aber auch wenn man das nicht täte und ständig nur eine Aufzeichnung immer weiter laufen liesse – durch den einen oder anderen freiwilligen oder unfreiwilligen Umweg (Resupply, unpassierbarer Track) würden die Kilometerangaben zwangsläufig auseinanderlaufen.

      Ich schreibe daher erst die Kilometer ansteigend auf und wenn ich alle Einträge beisammen habe, ziehe ich die Angaben von der Gesamtlänge meiner gespeicherten Routen ab. Hat z.B. mein Stint 1 1000 km (bei einem TCR nicht ungewöhnlich), dann wird aus km 750 = 250 km. Der Wahoo und auch der Garmin hat eine Metric, die km bis Ende Strecke anzeigt. Genau die nutze ich dafür. Und die ist immer die richtige. Egal von wo ich die aktuelle Aufzeichnung gestartet habe.

      POIs und Cue Sheet ist in der Tat so ein Ding. Der Bolt kann das. Der Trick ist, einen Track von RideWithGPS zu benutzen. Entweder einen, der POIs schon inkludiert hat, oder einen dort selbst erzeugten (dann musst du aber mindestens für einen Monat ein Abo abgeschlossen haben). Dann kann auch der Wahoo Cue Sheets.

  3. Danke Frank! Ich habe fast nicht mehr dran geglaubt, dass der zweite Teil kommt. Danke das du uns bei deiner Erfahrung teilnehmen hast lassen. Es war wie immer eine große Freude das alles zu lesen!

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